Sonnenstrom-Steuerbox: Wer sich vernetzt profitiert. Foto: Sonnen GmbH

Ein bayrischer Hersteller von Solarspeichern geht mit einem verlockenden Angebot auf Kundenfang. Wer einen hauseigenen Solarspeicher kauft, bezahlt nie wieder etwas für seinen Strom.

Wildpoldsried - Klassische Energieversorger bekommen immer mehr Konkurrenz von Anbietern, die mit neuen Geschäftsideen den Markt aufmischen. Neuestes Beispiel: Die Wildpoldsrieder Sonnen GmbH. Das bayrische Unternehmen, nach eigenen Angaben deutscher Marktführer bei Speichersystemen für Photovoltaikanlagen, bietet seinen Kunden eine Strom-Flatrate zum Nulltarif. Voraussetzung ist, dass Kunden über einen Stromspeicher im Keller verfügen und bereit sind, ihre Geräte kurzzeitig für andere Energieverbraucher bundesweit zu öffnen, sich also zu vernetzen. „Mitglieder unserer Stromgemeinschaft müssen dann nie wieder Geld für eine Kilowattstunde Strom zahlen“, umschreibt Philipp Schröder, Geschäftsführer bei der Sonnen GmbH, die Idee. Mit dem neuen Angebot läute man „den nächsten Schritt der Energiewende ein“.

Strom zum Nulltarif, nur mit einer Solaranlage auf dem Dach und einer Batterie im Keller? Das Geschäftsmodell der Sonnen GmbH, die 2015 vom US-Forschungsinstitut MIT zu einem der 50 innovativsten Unternehmen weltweit gekürt wurde, ist einfach. Das Unternehmen verkauft Batteriespeicher für Haus-Solaranlagen zu Preisen ab 3600 Euro. Die Anlagen können zusammengeschaltet werden und werden so zu einer Art virtuellem Kraftwerk. Wenn eine Solaranlage im System Stromüberschüsse einfährt, stellt sie die Energie einem anderen Teilnehmer in der Community zu Verfügung, der gerade zu wenig Energie produziert – etwa weil die Sonne durch Wolken verdeckt ist. Auf diese Weise gelingt es, den für die Wirtschaftlichkeit der Anlagen extrem wichtigen Eigenverbrauch auf bis zu 80 Prozent zu steigern. Trotz aller Technik muss rund ein Fünftel des Energieverbrauchs bislang teuer von außen zugekauft werden. „Diesen Strom schenken wir unseren Kunden in dem neuen Preismodell“, sagt Schröder.

Das Netzwerk hat eine kritische Größe erreicht

Der Clou: Mit bundesweit 2500 Haushalten hat das Sonnen- Energienetzwerk eine kritische Größe erreicht. Diese erlaubt es dem Unternehmen, in der Liga der großen Energieversorger mitspielen zu können – im sogenannten Regelenergiemarkt. Hier wird für teures Geld Energie gehandelt, um im Notfall das deutsche Stromnetz vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Und genau das tut nun die Sonnen GmbH. Falls irgendwo in der Republik ein Blackout droht, zapft die Sonnen GmBH für Sekunden oder Minuten die Speicher der eigenen Kunden an, um auszuhelfen. Nach eigener Auskunft hat das Unternehmen „als erster deutscher Versorger mit dezentralen Heimspeichern die Berechtigung erlangt, am Markt für primäre Regelenergie teilzunehmen“. Vertriebs-Chef Schröder bezeichnet diesen Markt als „Champion-League“ der Energieversorgung, auf dem viel höhere Renditen erwirtschaftet werden können als im normalen Stromgeschäft. „Mit dem Geld, das wir dabei erwirtschaften, finanzieren wir die Stromflatrate für unsere Kunden“, sagt Schröder. Der Kunde müsse einzig sein Einverständnis geben, seine Batterie im Keller für wenige Minuten am Tag zur Stromabgabe zu Verfügung zu stellen. Auf den Eigenverbrauch und auf die Langlebigkeit der Speicher habe die Stromentnahme keinen Einfluss. Man merke den Eingriff nicht einmal, sagt er.

Nie mehr Geld für den eigenen Strom zahlen? Verbraucherschützer halten diese Idee für durchaus machbar. Dass das Geschäftsmodell irgendwann kommt, war zu erwarten. Dass es ein Anbieter jetzt so früh wagt, ist ungewöhnlich“, sagt Niels-Sönnick Schnoor, Energieexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. Derzeit würden mehrere neue Energieanbieter den Versuch unternehmen, auf dem Markt für die extrem wichtige Regelenergie Fuß zu fassen. Da er noch hohe Rendite biete, sei das „attraktiv“, sagt Schnoor.

Verbraucherschützer stehen Idee aufgeschlossen gegenüber

Die Sonnen GmbH benutzt das dort verdiente Geld nach eigenen Aussagen einerseits um das eigene Geschäft fortzuentwickeln und andererseits, um seinen Kunden, die Flat-Rate auf den Stromverbrauch zu finanzieren. Wobei es streng genommen keine echte Flatrate ist. Vielmehr ist die Stromabnahme auf übliche Größen begrenzt. Diese Deckelung sieht Schnoor nicht kritisch, sondern vielmehr als Anzeichen für Seriosität des Angebots. Gleiches gilt für den Umstand, dass die Sonnen GmbH zunächst nur 2000 Kunden die Teilnahme an der hauseigenen Flatrate erlaubt. „Wir wollen nichts überstürzen“, sagt Sonnen-Vertriebsmann Schröder, der übrigens früher Deutschland-Chef des Elektroautobauers Tesla war. Im Moment wolle man nur die klassischen Energieversorger ärgern.