Der Krieg hat Spuren der Verwüstung hinterlassen: die Steinheimer Straße nach einem Fliegerangriff 1944. Foto: Archiv Winfried Schweikart

Der Zeitzeuge Manfred Glöck erinnert sich an die letzten Kriegstage in Stuttgart. Der Zuffenhäuser wurde kurz vor Kriegsende zum Militärdienst eingezogen.

Zuffenhausen - Am 22. April vor 70 Jahren übergab der damalige Stuttgarter Oberbürgermeister Karl Strölin die Stadt an den französischen General Jacques Schwartz. Bereits einen Tag zuvor, am 21. April 1945, war der Krieg im Stuttgarter Norden zu Ende gegangen. „Sie können sich nicht vorstellen, was das für ein Gefühl war“, sagt Manfred Glöck. Der 84-Jährige hat Krieg und Kriegsende in Zuffenhausen erlebt. „Wir hatten nichts zu essen, es war schlimm – aber der Krieg war endlich aus“, erzählt er mit Tränen in den Augen.

1930 kam Manfred Glöck in Zuffenhausen zur Welt. Sein Elternhaus stand an der Marbacher Straße, er besuchte die Zuffenhäuser Silcherschule. Nach den Herbstferien 1944 wurden die letzten Arbeiter zum Kriegsdienst eingezogen, in den Fabriken waren fortan Frauen und Kinder tätig. „Ich kam zum Bosch nach Feuerbach“, erzählt Glöck. Die Nächte verbrachte der damals 14-Jährige zumeist im Keller des Elternhauses: „Fast jede Nacht war Fliegeralarm. Die Häuser links und rechts von unserem sind abgebrannt. Hinter uns war der Zehnthof, da hat’s auch gebrannt.“

Lebensmittel waren knapp zu der Zeit, der Hunger war neben der Angst das vorherrschende Gefühl: „Ich habe mir morgens immer zwei gekochte Kartoffeln eingepackt als Tagesration, die hatte ich meistens schon gegessen, bis ich in Feuerbach war“, erinnert sich Manfred Glöck.

Am 19. April 1945 wurde er zum Volkssturm einberufen. „Um 10 Uhr mussten wir auf dem Schulhof sein. Dort wurde uns gesagt, wir müssten zu einer längeren Übung“, erzählt der 84-Jährige heute. Er durfte noch kurz nach Hause, um 12 Uhr marschierten die etwa 20 Männer los in Richtung Stuttgart. In den Ruinen der Mädchenrealschule am Wagenburgtunnel wurde übernachtet, am nächsten Tag ging es weiter nach Degerloch. Dort wurde der Trupp eingekleidet und ausgerüstet, mit Uniform, Stahlhelm und Waffen: „Ich bekam ein Gewehr und eine Panzerfaust. Dann wurden mir noch drei Handgranaten in die Koppel gestopft“, erzählt Glöck. Immer noch im Glauben an eine Übung machten sie sich auf den Weg nach Hohenheim, übernachteten auf einer Wiese am Ortstrand. Geweckt wurden sie am frühen Morgen des 21. April 1945 von Motorenlärm: „Auf einmal kamen aus Plieningen Panzer, die waren so etwa 300 Meter weg, und haben geschossen.“ Als die Panzer weiterfuhren, waren Glöcks Schulkameraden Herbert Löffler und Gerhard Kubach tot. Manfred Glöck überlebte: „Ich lag in einem kleinen Wassergraben, mein Rucksack mit Zivilkleidung war durchschossen.“

Er lief über den Hohenheimer Schlossgarten und die Weinsteige zurück Richtung Zuffenhausen, voller Entsetzen über das gerade Erlebte. In der Stadt waren überall Menschen. „Am Bahnhof standen die Leute mit Koffern und Gepäck, alle wollten irgendwohin, aber es fuhren keine Züge mehr“, erinnert sich Glöck.

Als er zuhause ankam, hieß es zunächst, dass alle in den Keller gehen sollten. „Später kam ich dann hoch, ging vor die Tür und sah zwei französische Soldaten die Bottwarstraße runterlaufen“, so Glöck. Die ersten Tage danach seien schlimm gewesen, der Hunger allgegenwärtig: „Die Läden waren geschlossen, die Bäcker haben nicht mehr gebacken – aber: man konnte nachts schlafen, es gab kein Fliegeralarm mehr, es hat nicht mehr gebrannt. Alles war ruhig – eine Totenstille.“