Schmach von Saigon: US-Hubschrauber retten Flüchtende vom Dach der US-Botschaft in Vietnam Foto: dpa

40 Jahre nach dem Ende des Vietnamkrieges stellt das aufstrebende China die US-Vorherrschaft in Asien infrage.

Stuttgart/Washington - Gegen 5 Uhr früh am 30. April 1975 betritt ein junger US-Hubschrauberpilot das Büro des US-Botschafters Graham Martin im damaligen Saigon und überreichte ihm eine kurze Notiz: „Der Präsident der Vereinigten Staaten ordnet an, dass Botschafter Martin mit diesem Helikopter ausfliegt“, so beschreibt der frühere Kriegsreporter Peter Arnett in neuen Memoiren das Ende des Vietnam-Krieges vor vierzig Jahren.

Die Fotos der letzten US-Hubschrauber, die vom Dach der US-Botschaft in Saigon, dem heutigen Ho-Chi-Minh-Stadt, abhoben, bedeuteten eine unsagbare Schmach: Der David Vietnam besiegte den Goliath USA.

Allein die Opferzahlen des Krieges sind niederschmetternd: Laut vietnamesischer Regierung starben drei Millionen kommunistische Soldaten und Zivilisten. US-Schätzungen zufolge fanden 250 000 südvietnamesische Soldaten den Tod. Zudem fielen rund 58 000 US-Soldaten.

Im Rückblick ein gerinfügiger Rückschlag für die Hegemonie Amerikas

Trotzdem erscheint, was zunächst wie der sichere Niedergang der US-Vorherrschaft in Asien aussah, im Rückblick wie ein geringfügiger Rückschlag für die fortdauernde Hegemonie Amerikas in der Region.

Der US-Journalist Jonathan Schell schrieb, es seien „übertrieben pessimistische Einschätzungen über die Konsequenzen der Niederlage“ gewesen, die Amerika in diesen Krieg hineingetrieben habe. Konkret: der befürchtete Fall weiterer Dominosteine und der Verlust von Prestige und Glaubwürdigkeit.

Zwar fallen Irans Revolution 1979 und die Invasion der Sowjetunion in Afghanistan 1980 in die Jahre von „Amerikas Malaise“ unter US-Präsident Jimmy Carter. Doch der Kommunismus expandierte nicht jenseits Indochinas.

Südostasien boomte nach dem Vietnam-Krieg

Außerdem wandte sich Präsident Richard Nixon mit seiner Peking-Visite 1972 China zu, um eine Allianz gegen die Sowjetunion zu schmieden. Südostasien boomte nach dem Vietnam-Krieg, was Singapurs kürzlich verstorbenen Patriarchen Lee Kuan Yew sogar zur Äußerung verleitete, die US-Intervention habe seiner Region Luft verschafft, um dem Kommunismus gestärkt entgegentreten zu können.

Zum größten Gewinner der sich neu abzeichnenden Weltordnung wurde China, das 1979 – abgesichert auch durch die US-Dominanz – seinen Wirtschaftsumbau startete. China hat sich inzwischen so gut entwickelt, dass der Konsens der US-Strategen bröckelt, die bisher davon ausgingen, China könne in die bestehende Weltordnung eingebunden werden, selbst wenn Peking weitergehende Ambitionen rege.

Die USA seien wirtschaftlich und militärisch noch auf absehbare Zeit zu mächtig. US-Präsident Barack Obama strebt eine Neuausrichtung der USA nach Asien an, nicht zuletzt um Verbündete zu beruhigen. China unterstellt den USA seinerseits Eindämmungsabsicht.

Ironie der Geschichte: Die USA kämpften in Vietnam, um China daran zu hindern, eine Einflusssphäre ohne Amerika zu schaffen. Im Zuge des Indochina-Krieges betrieb Washington die Öffnung der Volksrepublik und machte ihren Aufstieg möglich. Nur um jetzt damit konfrontiert zu sein, dass China eine Einflusssphäre anstrebt, die Amerika ausschließt.