Der CDU-Landtagsabgeordnete Ulrich Müller tritt als Vorsitzender des EnBW-Untersuchungsausschusses zurück. Foto: dpa

Ulrich Müller legt sein Amt als Vorsitzender nieder, weil er Dokumente aus dem EnBW-Untersuchungsausschuss an Stefan Mappus weitergab. SPD und Grüne reagieren empört und werfen dem CDU-Mann Filz und Kumpanei vor.

Stuttgart - Der CDU-Landtagsabgeordnete Ulrich Müller tritt als Vorsitzender des EnBW-Untersuchungsausschusses zurück. Er begründete dies am Donnerstag in Stuttgart damit, dass er unter anderem kritische Analysen und Zusammenfassungen aus öffentlichen Ausschusssitzungen an Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) weitergeleitet habe. Dokumente der Korrespondenz mit Mappus seien in den Akten enthalten, die die Staatsanwaltschaft am Mittwoch dem Gremium übergab. Grüne und SPD reagierten empört und warfen Müller Filz und Kumpanei mit seinem Parteikollegen Mappus vor.

Grüner Sckerl: "Das riecht bedenklich nach Absprachen"

Der Grünen-Obmann in dem Landtags-Untersuchungsausschuss, Uli Sckerl, sagte: „Wir müssen umgehend und in vollem Umfang wissen, worüber Müller Herrn Mappus da informiert hat.“ Der Vorsitzende sei zu Neutralität verpflichtet und habe keine Berechtigung, einen Zeugen über die Ausschusstätigkeit zu informieren. „Das riecht bedenklich nach Absprachen und Kumpanei.“ Müller müsse als Zeuge befragt werden. Es stehe in Frage, ob die CDU überhaupt weiter den Vorsitz führen könne. Der SPD-Obmann Sascha Binder sagte: „Wir werden in Aussicht stellen, alle CDU-Ausschussmitglieder in den Zeugenstand zu laden, um zu prüfen, ob noch mehr Informationen an Mappus gegangen sind.“

Müller will sein Amt niederlegen, sobald ein Nachfolger gewählt ist. Hierzu soll möglichst bald eine nicht-öffentliche Sitzung einberufen werden. Der Ausschuss beschäftigt sich mit allen Fragen rund um den umstrittenen Deal.

Fragenkatalog weitergegeben

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Gremium am Mittwoch weitere Unterlagen, die bei Mappus beschlagnahmt worden waren, übergeben. Nach Angaben von Müller sind darunter auch Akten, die eine Korrespondenz zwischen ihm und Müller während der Zeit des Untersuchungsausschussses beinhalten. Neben Analysen habe er auch einen vom Ausschuss entwickelten Fragenkatalog, der an die französische EdF ging, an Mappus weitergegeben.

Mappus wird vorgeworfen, Ende 2010 EnBW-Aktien vom französischen Konzern EdF zu einem überhöhten Preis von 4,7 Milliarden Euro für das Land Baden-Württemberg zurückgekauft zu haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den früheren Ministerpräsidenten und andere wegen Verdachts der Untereue. Grün-Rot wirft Mappus zudem vor, er habe sich die Konditionen für das Geschäft von seinem Freund, dem Investmentbanker Dirk Notheis, diktieren lassen. Auch war der umstrittene Deal am Landtag vorbei eingetütet worden.

Grüne und SPD rätselten am Donnerstag, wie Müller bereits wissen kann, dass Dokumente zu ihm und Mappus in den erst am Mittwoch übergebenen Unterlagen der Staatsanwaltschaft enthalten sind. Müller hatte den Obleuten am Abend mitgeteilt, dass die Akten erst am Donnerstag ab 11 Uhr eingesehen werden könnten. Offenbar habe Müller früher Einsicht gehabt, monierte Sckerl. Auch Binder vermutete: „Herr Müller hatte vor uns exklusiven Zugang zu den Akten.“

Müller selbst beteuerte, er habe sich als Ausschussvorsitzender immer um Kompetenz, Transparenz, Vertrauenswürdigkeit, Fairness und Neutralität bemüht. Er befürchtet nach eigenen Worten, dass ihm nun Einseitigkeit unterstellt wird. Längere politische Diskussionen darüber wolle er vermeiden - daher gebe er den Vorsitz auf.

Der EnBW-Deal - eine Chronologie

Was als Überraschungscoup begann, beschäftigt nach Jahren noch immer die Politik - und auch die Staatsanwaltschaft: der Milliarden-Deal der damals schwarz-gelben Landesregierung mit dem französischen Energiekonzern EDF zum Einstieg beim Energieversorger EnBW.

19.01.2000 - Das Land verkauft 25,01 Prozent der EnBW an den französischen Stromkonzern EDF und erhält dafür 4,7 Milliarden Mark (2,4 Mrd Euro). Mit einem Großteil des Geldes wird die gemeinnützige Landesstiftung gegründet. Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) kündigt sinkende Strompreise an.

06.12.2010 - Wenige Monate vor der Landtagswahl kauft das Land überraschend die EnBW wieder von der EDF zurück. Der Kaufpreis für einen 45-Prozent-Anteil: 4,67 Milliarden Euro. Finanzminister Willi Stächele (CDU) wendet das Notbewilligungsrecht an; so müsse der Landtag vorab nicht zustimmen.

15.12.2010 - Der Landtag stimmt mit der CDU/FDP-Mehrheit dem Wiedereinstieg des Landes bei der EnBW zu.

17.01.2011 - Die Opposition aus SPD und Grünen kündigt eine Klage gegen den EnBW-Aktiendeal vor dem Staatsgerichtshof an. Man sieht das Haushaltsrechts des Landtags, das "Königsrecht", verletzt.

06.10.2011 - Der Staatsgerichtshof Baden-Württemberg erklärt den EnBW-Deal für verfassungswidrig. Die Richter geben Grünen und SPD, die inzwischen die Regierung stellen, recht: Die Regierung von Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus hätte das Geschäft nicht am Landtag vorbei abwickeln dürfen.

12.12.2011 - Die Grünen wollen den EnBW-Deal des Landes in einem Untersuchungsausschuss aufarbeiten.

21.12.2011 - Erste Sitzung des Untersuchungsausschusses.

26.01.2012 - Ein Bericht der Landesregierung wird bekannt. Er legt nahe, dass sich Mappus wohl über den Rat seiner juristischen Berater, die vor einem Umgehen des Parlaments gewarnt haben sollen, hinweggesetzt hat.

09.03.2012 - Mappus und sein damaliger Berater, der Deutschlandchef der Investmentbank Morgan Stanley, Dirk Notheis, treten vor dem Ausschuss auf. Mappus räumt ein, dass er den Deal so nicht nochmals abschließen würde, hält ihn aber insgesamt "nach wie vor für richtig".

25.05.2012 - Es wird bekannt, dass die grün-rote Regierung beim Schiedsgerichtshof klagt, um den französischen Versorger EDF zur Rückzahlung von zwei Milliarden Euro des Kaufpreises zu bewegen.

25.06.2012 - Wegen seiner Rolle beim EnBW-Deal zieht sich Notheis aus dem operativen Geschäft von Morgan Stanley zurück.

26.06.2012 - Der Rechnungshof rügt das Vorgehen der früheren Landesregierung in Sachen EnBW scharf. Die Prüfung ergab, "dass das Verfahren im Vorfeld des Vertragsabschlusses in wesentlichen Teilen nicht den Anforderungen genügt, die aus der Landesverfassung und der Landeshaushaltsordnung folgen".

11.07.2012 - Die Staatsanwaltschaft Stuttgart nimmt gegen Mappus Ermittlungen wegen Verdachts der Untreue auf und durchsucht Wohnungen und Büros. Gegen Notheis wird wegen Beihilfe ermittelt.

17.07.2012 - Morgan-Stanley-Deutschlandchef Dirk Notheis zieht die Konsequenzen aus der Kritik an seiner Rolle beim EnBW-Deal und gibt den Posten endgültig auf.

15.11.2012 - Die Staatsanwaltschaft muss bei Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus sichergestellte Unterlagen zum umstrittenen EnBW-Deal an den Untersuchungsausschuss des Landtags übergeben. Das entscheidet das Oberlandesgericht Stuttgart.

12.02. 2013 - Das Landgericht Stuttgart weist eine Beschwerde von Mappus zurück. Die Beschlagnahme von Akten und Daten in dem Haus des Pforzheimers sei rechtmäßig gewesen, erklärte das Gericht. Mappus und seine Anwälte akzeptieren die Entscheidung.