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Monatelang hat sich die CDU bemüht, bei der Aufklärung des EnBW-Deals ihres Ex-Ministerpräsidenten Mappus mitzuhelfen. Nun aber steht sie im Verdacht der Kumpanei mit ihm.

Stuttgart - Als er das drohende Unheil kommen sieht, tritt Ulrich Müller die Flucht nach vorne an. Donnerstag, 11 Uhr im Landtag: Während Mitglieder des EnBW-Untersuchungsausschusses erstmals in den 31 Aktenordnern stöbern dürfen, die die Staatsanwaltschaft Stuttgart im Sommer 2012 bei der Hausdurchsuchung von Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) in Pforzheim beschlagnahmt hatte und die bisher unter Verschluss waren, verbreitet der Landtag eine einseitige Presseerklärung. Sie gleicht einem Sprengsatz. Überschrift: Ausschussvorsitzender Ulrich Müller legt Vorsitz nieder. Wieso das? Die Erklärung liefert CDU-Mann Müller selbst. Er muss einräumen, dass er Unterlagen aus Ausschusssitzungen an Mappus weitergegeben hat. Im Klartext: Der zur Neutralität verpflichtete Ausschusschef hat mit der zentralen Figur des Skandals zusammengearbeitet. Bevor die Vertreter des Untersuchungsausschusses diese Schriftstücke in den Ordnern entdecken, outet sich Müller also selbst.

Zwar beteuert er in seiner Erklärung, er habe sich „den Zeugen und sonstigen Beteiligten gegenüber stets in sachlicher, rechtlicher und verfahrensmäßiger Hinsicht um ein Höchstmaß an Kompetenz, Transparenz, Vertrauenswürdigkeit, Fairness und Neutralität bemüht“. Aber in diesem Moment spielt das keine Rolle mehr. Selbst in der CDU schütteln sie über den erfahrenen Parlamentarier, der unter Regierungschef Erwin Teufel einst Minister im Staatsministerium war und für den Bodenseekreis im Landtag sitzt, den Kopf. „Das hätte ihm nie passieren dürfen“, heißt es.

„Das riecht bedenklich nach Absprachen und Kumpanei.“

Während CDU-Landtagsfraktionschef Peter Hauk den Rücktritt Müllers bedauert und sein Ausscheiden „als großen Verlust für den Untersuchungsausschuss“ bezeichnet, reagieren Grüne und SPD empört. „Wir müssen umgehend und in vollem Umfang wissen, worüber Müller Herrn Mappus da informiert hat“, sagt Uli Sckerl, Grünen-Obmann im Ausschuss. Der Vorsitzende habe keine Berechtigung, einen Zeugen über die Ausschusstätigkeit zu informieren. „Das riecht bedenklich nach Absprachen und Kumpanei.“ Müller müsse nun als Zeuge befragt werden. SPD-Obmann Sascha Binder bewertet das Verhalten von Müller als „ungeheuerlichen Vorgang“. So etwas habe es in der Geschichte der Untersuchungsausschüsse im Landtag noch nie gegeben. Er sei von Müller „auch menschlich enttäuscht“, sagt Binder: „Einen solch schwer wiegenden Fehltritt hätte ich ihm nicht zugetraut.“

Wieso aber schob Müller seinem Parteifreund Mappus Zusammenfassungen aus den Ausschusssitzungen zu, wieso gab er ihm einen Fragenkatalog, den der Ausschuss für den französischen Energiekonzern EdF erarbeitet hatte und mit dem man Licht in den rätselhaften Deal bringen wollte? Müller selbst gibt darauf am Donnerstag keine Antwort. Er schweigt. Nur so viel teilt der 68-Jährige noch mit. Mit seinem Rücktritt wolle er sich und der CDU-Fraktion „ersparen, ins Zwielicht des Anscheins mangelnder Neutralität zu geraten“.

CDU solle jetzt „Asche auf ihr Haupt streuen“

Aber genau dort steht Müller jetzt. Zur Erinnerung: Mappus hatte im Herbst 2010 unter Umgehung des Landtags der EdF für rund fünf Milliarden Euro die Anteile an der EnBW abgekauft. Das Geschäft war später vom Staatsgerichtshof als verfassungswidrig verurteilt worden. Zudem war Mappus in die Kritik geraten, weil sein Freund und damaliger Morgan-Stanley-Chef Dirk Notheis für ihn das Geschäft nahezu im Alleingang abwickelte. Mappus hatte sich gegen die Vorwürfe stets gewehrt – und doch nicht verhindern können, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn, Notheis sowie die Ex-Minister Willi Stächele und Helmut Rau wegen des Verdachts der Untreue ermittelt.

Grüne und SPD forderten die CDU am Donnerstag auf, nunmehr auf den Vorsitz im Untersuchungsausschuss zu verzichten. „Das wäre mehr als ratsam“, sagt Sckerl, nur so könne die Objektivität wieder hergestellt werden. Auch Binder meint, die CDU solle jetzt „Asche auf ihr Haupt streuen“ und den Vorsitz abgeben. Wer diesen Posten übernimmt, ist noch unklar. Müller will den Ausschuss alsbald zusammenrufen. Dann dürfte auch geklärt werden, wer nun als Zeuge noch geladen wird. Müller auf jeden Fall, Mappus und Notheis sollen auch noch einmal verhört werden. Die SPD will obendrein den Obmann der CDU-Fraktion im Ausschuss, Volker Schebesta, vorladen.

Brisante Korrespondenz zwischen Mappus und Notheis

Und das nicht ohne Grund. Nach Recherchen unserer Zeitung gab es offenbar auch engen Kontakt zwischen Schebesta und Mappus. So soll der Ex-Regierungschef mit seinem Parteifreund Schebesta per SMS und E-Mail in Kontakt gestanden haben – unter anderem als es darum ging, welche Fragen in den Ausschusssitzungen an andere Zeugen zu stellen sind. „Es gibt genug Stoff, um jetzt Herrn Schebesta einige Fragen zu stellen“, berichten Insider, nachdem sie am Donnerstag die 31 Aktenordner im Landtag gesichtet haben. Mappus hatte seit Monaten versucht, deren Veröffentlichung zu verhindern. Erst Anfang der Woche waren sie vom Landgericht freigegeben worden. Die Unterlagen seien „voller Hinweise“, wie eng die CDU mit Mappus zusammengearbeitet habe.

Damit nicht genug. In den Ordnern steckt auch eine neue brisante Korrespondenz zwischen Mappus und Notheis, wie es sie bereits während des Deals gab. Demnach tauschten sich beide im vergangenen Jahr nach ihren Vernehmungen vor dem Untersuchungsausschuss aus. Notheis schreibt, er habe die Befragung „zum Kotzen“ gefunden“, vor allem das hartnäckige Bohren der eigenen CDU-Leute. Kommentar von Mappus: „Finde ich auch“. Sein Fazit: Er habe „gute Lust, aus diesem Scheiß-Verein auszutreten“. Notheis sagte am Abend unserer Zeitung, er habe die Formulierung "zum Kotzen" nicht verwendet.