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Die Hintergründe zum umstrittenen EnBW-Deal bleiben rätselhaft. Die EdF will sich nicht äußern.

Stuttgart - Es war ein regelrechter Frage-Antwort-Marathon. Fast acht Stunden saß der ehemalige Ministerpräsident Stefan Mappus Anfang März im Stuttgarter Landtag, um dem EnBW-Untersuchungsausschuss zu erzählen, was sich damals im Herbst 2010 abgespielt hatte. Es waren jene Tage, in denen Mappus und ein kleiner Kreis an Vertrauten damit beschäftigt waren, unter dem Codewort Olympia den Wiedereinstieg des Landes bei der Energie Baden-Württemberg (EnBW) vorzubereiten. Niemand sollte von den Verhandlungen mit dem französischen Staatskonzern Electricité de France (EdF) erfahren. Die Angst von Mappus war groß, ein ausländischer Investor könne Wind von dem Deal bekommen und dann den Preis hoch treiben. Mappus jedenfalls war sich sicher, dass er handeln muss. Bei einem Treffen im Juli jenes Jahres hatte ihm EdF-Chef Henri Proglio die unmissverständliche Botschaft mitgebracht: Entweder bekommt die EdF alsbald die Mehrheit an der EnBW oder aber man werde die Anteile abstoßen. „Ich habe ihm damals sehr deutlich gemacht, dass ich mit einer ausländischen Mehrheit bei der EnBW nicht einverstanden sein würde“, erinnerte sich Mappus vor dem Ausschuss. Der Rest der Geschichte geschah im ICE-Tempo: Binnen weniger Tage bereitete Baden-Württemberg damals den Kaufvertrag vor, der Kaufpreis wurde schließlich auf 41,50 Euro je Aktie festgesetzt, am Morgen des 6. Dezember kaufte das Land den Franzosen das 46-Prozent-Anteilspaket ab.

Keine Nachricht aus Paris

Wie aber hat die EdF die Aktion seinerzeit erlebt? Das wollte der Untersuchungsausschuss den EdF-Konzernboss Proglio und einige seiner engsten Mitarbeiter in einer der nächsten Sitzungen im Stuttgarter Landtag fragen und hatte deshalb schon vor Wochen einen sogenannten Zeugenvernehmungsbeschluss gefasst. Ohne Erfolg. Die EdF-Zentrale in Paris stellte auf Durchzug, diese Woche endete eine Frist von vier Wochen. „Wir haben von den Franzosen nichts gehört, und es ist auch keine Nachricht eingegangen“, sagte der Ausschussvorsitzende Ulrich Müller (CDU) am Freitag unserer Zeitung.

Das Problem: Im Unterschied zu Deutschland, wo Zeugen notfalls per Zwangsgeld zu einer Aussage vor dem Untersuchungsausschuss gezwungen werden können, gibt es dieses Recht im Ausland nicht. „Wir haben in Frankreich keine Hoheitsgewalt und wissen, dass die Vertreter der EdF nicht nach Stuttgart kommen müssen. Dabei hätten wir ihnen gerne einige Fragen gestellt“, so Müller.

Zum Beispiel, ob es seinerzeit wirklich den Zeitdruck zum Vertragsabschluss gab, wie Mappus ihn vor dem Untersuchungsausschuss betonte. Oder ob es zutrifft, dass es damals einen ausländischen Investor gab, der lieber gestern als heute bei der EnBW eingestiegen wäre und der EdF die Anteile abgekauft hätte? Ob es richtig ist, dass die Franzosen auf das Geheimgeschäft bestanden und jegliche Beteiligung des Landtags ablehnten. Und vor allem, wie es zu dem Kaufpreis kam: War er gerechtfertigt oder überteuert, wie es Grüne und SPD vermuten. „Unser Problem ist, dass wir jetzt nur die Sicht der Käuferseite kennen, aber von der Verkäuferseite kaum etwas wissen“, fasste Müller am Freitag die missliche Lage zusammen.

Fragenkatalog wird erstellt

Noch aber will der Untersuchungsausschuss nicht aufgeben. Die Obleute der vier Landtagsfraktionen haben sich darauf verständigt, nun einen schriftlichen Fragenkatalog zusammenzustellen, ins Französische zu übersetzen und in den nächsten Tagen nach Paris zu schicken. „Ich hoffe darauf, dass die EdF darauf eingeht“, so Müller. Unterstützung erhält er dabei von Andreas Stoch, SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss: „Der Fragenkatalog ist eine Bitte, mehr kann es nicht sein.“ Die Wahrscheinlichkeit, dass die EdF darauf eingehe, sei „aber nicht überragend groß“. Müller und Stoch sind sich jedenfalls einig, dass der Ausschuss nicht nach Paris reisen wird. „Sonst sitzen wir bei der EdF im Foyer, und die müssen uns dennoch nicht antworten.“

Ein zentraler Grund für das Schweigen in Paris dürfte in der Klage liegen, die Grün-Rot gegen die EdF jüngst vor der Internationalen Handelskammer in Paris eingereicht hatte. Die Landesregierung will damit klären, ob die Mappus-Regierung mit den rund fünf Milliarden Euro einen überhöhten Kaufpreis für die EnBW-Anteile bezahlt hat. Sollte das Gericht dies bestätigen, müsste die EdF möglicherweise einen dreistelligen Millionenbetrag des Kaufpreises zurückzahlen. Die Verärgerung darüber ist groß bei den Franzosen. „Wenn man vom Vertragspartner zu Unrecht verklagt wird, warum soll man dann freiwillig zu einer Aussage nach Stuttgart kommen“, hieß es am Freitag aus EdF-Kreisen.