Gutachter Christian Kammlott Foto: dpa

Vor dem EnBW-Untersuchungsausschuss bewerten Wirtschaftsprüfer den umstrittenen EnBW-Aktienankauf unterschiedlich - je nachdem, von wem sie beauftragt wurden.

Stuttgart - Waren 4,7 Milliarden Euro Ende 2010 für das Land ein guter Preis für ein 45-prozentiges Aktien-Paket des Karlsruher Energieversorgers EnBW? Mehrere Experten standen am Freitag dem Untersuchungsausschuss des Landtags Rede und Antwort und erläuterten, wie sie zu ihren unterschiedlichen Einschätzungen zum Kaufpreis kamen.

Universitätsprofessor: Preis angemessen

Der damalige Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hatte Ende 2010 am Parlament vorbei das Aktien-Paket vom französischen Konzern EdF zurückgekauft. „Es gibt keine Hinweise darauf, dass dieser Preis falsch war“, sagte der Universitätsprofessor Dirk Schiereck. Der Preis von 41,50 Euro pro Aktie, den die EdF erhalten hatte, habe innerhalb einer vernünftigen Preisspanne gelegen.

Wirtschaftsprüfer: Überteuerte Transaktion

Dagegen betrachtete der Wirtschaftsprüfer Martin Jonas den Deal als „überteuerte Transaktion“. Das Land habe nach seinen Erkenntnissen mindestens 834 Millionen Euro zu viel bezahlt. Er gehe von einem fairen Wert pro Aktie von 34,09 Euro aus - statt den insgesamt vom Land gezahlten 41,50 Euro. Jonas' Gutachten ist Basis der Schiedsklage des Landes gegen die EdF, mit der es vermeintlich zu viel gezahltes Geld zurückbekommen will. Schiereck hatte gemeinsam mit dem Trierer Professor Christian Kammlott eine Expertise für den Untersuchungsausschuss angefertigt.

Auf Nachfrage des SPD-Obmanns Andreas Stoch sagte Schiereck, auch ein Preis von zum Beispiel 52 Euro wäre aus seiner Sicht als „fair und angemessen“ zu bezeichnen gewesen. Denn er befinde sich immer noch innerhalb einer Bandbreite, die die Investmentbank Morgan Stanley mit einer Fairness Opinion (Unternehmensbewertung aufgrund öffentlich zugänglicher Informationen) ermittelt hatte. Diese reicht von 30,20 bis 66,10 Euro pro Aktie. Es gebe eben keine Punktschätzung für den Wert eines Unternehmens, widersprach Schiereck dem Wirtschaftsprüfer Jonas. Stoch nannte das Verfahren der Fairness Opinion eine Farce. Der Erkenntnisgewinn tendiere bei einem solch breiten Korridor gen Null.

Mängel im Verfahren des Aktienkaufs

Jonas begründete seine These eines überhöhten Preises unter anderem mit dem kurz nach dem Bekanntwerden des Vertragsabschlusses massiv gestiegenen Aktienkurs des Verkäufers, der EdF. Jonas: „Richtung und Vorzeichen sagen uns, wir liegen mit unserer Einschätzung richtig, dass das Ganze für EdF ein guter Deal war.“

Professor Kammlott benannte Mängel im Verfahren des Aktienkaufs. So sei es „ungewöhnlich und hochriskant“ gewesen, dass Mappus Ende 2010 ohne jedwede weitere Informationen zum Unternehmen außer dem Buchwert in die Verhandlungen mit der EdF gegangen sei.

Schiereck räumte ein, das Land hätte zur Bewertung der Unternehmensanteile noch eine zweite Bank hinzuziehen sollen, „um einen unabhängigen Blick zu bekommen“ und damit die Qualität der Bewertung zu verbessern. Denn für Mappus' Deal hatte nur die Investmentbank Morgan Stanley eine Fairness Opinion abgegeben. Der Ex-Deutschlandchef von Morgan Stanley, Dirk Notheis, beriet aber zugleich seinen Freund Mappus.

Aus Sicht von Kammlott und Schiereck ist ein Zuschlag für ein 45-Prozent-Aktienpaket wie beim EnBW-Deal in Ordnung und unvermeidbar. Schiereck: „Ab 25 Prozent sind maßgebliche Entscheidungen durch den Eigentümer zu fällen.“ Jonas hält dagegen einen Zuschlag für nicht gerechtfertigt; eine Prämie sei aus Käufersicht nur zu vertreten, wenn ein Mehrgewinn winkt oder das Anteils-Paket teuer weiterverkauft werden soll. Jonas betonte mit Blick auf den durch den Zuschlag um mehrere 100 Millionen Euro verteuerten Preis: „Unter normalen Bedingungen wäre hier gar keine Transaktion gelaufen.“