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Staatsanwaltschaft wusste bisher nichts von der Löschaktion und versucht Daten zu retten.

Stuttgart - Baden-Württembergs Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hat bei seinem Auszug aus der Regierungszentrale die Festplatte seines Computers vernichten lassen. Etwa ein halbes Jahr nach dem umstrittenen EnBW-Deal ließ er im Frühjahr 2011 mit Hilfe von Beamten des Staatsministeriums den Datenträger ausbauen und zerstören, bestätigten Regierungskreise am Donnerstag einen Bericht der "Stuttgarter Zeitung". Das Staatsministerium will den Vorgang prüfen und kündigte eine Stellungnahme an. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Mappus schon seit längerem wegen des Vorwurfs der Untreue. Er hatte Ende 2010 den Rückkauf von EnBW-Aktien vom französischen Energiekonzern EdF am Landtag vorbei eingefädelt. Das Land hatte einen möglicherweise überhöhten Preis von 4,7 Milliarden Euro gezahlt.

Mappus' Anwälte: "völlig übliches Verfahren"

Die Anwälte von Mappus nannten laut „Stuttgarter Zeitung“ das Vorgehen ihres Mandanten eine „völlig übliche Verfahrensweise“. Auf dem Datenspeicher seien vor allem zahlreiche CDU-Dateien und private Dateien gewesen. Außerdem könnten durch die Vernichtung der Festplatte seines Computers keine Daten verloren gegangen sein, so die Anwälte weiter. Denn sämtliche Daten, die sich auf der Festplatte befanden, seien über den Server des Staatsministeriums gelaufen und somit dort gespeichert gewesen. „Löschungen auf diesem Server wurden von unserem Mandanten nicht veranlasst“, heißt es in der Mitteilung der Kanzlei von Rechtsanwalt Christoph Kleiner vom Donnerstag.

Mappus-Vorgänger Günther Oettinger, heute EU-Kommissar, sagte: „Ich habe vor meinem Auszug aus der Villa Reitzenstein nichts an den Computern in meinem Büro vornehmen lassen.“

Die Zerstörung der Festplatte des Computers ist aus Sicht der grün-roten Regierungskoalition ein weiterer Beleg für Mappus' Vertuschungsversuche in der EnBW-Affäre. „Dass es Stefan Mappus nicht reichte, die Daten einfach zu löschen, sondern er gleich die ganze Festplatte zerstören lässt, schürt den Verdacht, dass uns immer noch Korrespondenz vorenthalten wird“, sagte der Grünen-Obmann im EnBW-Untersuchungsausschuss, Uli Sckerl.

SPD-Obmann: Vorgehen zeugt von schlechtem Gewissen

SPD-Obmann Andreas Stoch nannte die Aktion ein „weiteres Puzzleteil in der Geschichte des Täuschens und Vertuschens“ des ehemaligen Regierungschefs: „Nur wer ein schlechtes Gewissen hat, lässt seine Festplatte ausbauen und vernichten.“ Normal wäre gewesen, private Korrespondenz lediglich zu löschen. Stoch und Sckerl verlangten eine interne Aufklärung im Staatsministerium und gegebenenfalls dienstrechtliche Konsequenzen für die Helfer. „Das ist kein Kavaliersdelikt“, sagte Sckerl. Er fügte hinzu: „Das ist ja kein privater Computer, sondern Eigentum des Landes Baden-Württemberg.“

Die Staatsanwaltschaft, die gegen Mappus wegen des Verdachts der Untreue zulasten des Landes ermittelt, hat zunächst Kenntnis von der Zerstörung der Festplatte genommen. Gemeinsam mit dem Staatsministerium versuche man im Zuge der Ermittlungen, gegebenenfalls gelöschte Dateien wieder herzustellen. Welche Schlussfolgerunen die Anklagebehörde aus dem neuen Fakt ziehe, beispielsweise ob sie Mappus erneut anspreche, sei noch unklar. Im Juli waren Wohnungen und Büros des ehemaligen Regierungschefs unter anderem in Pforzheim und Stuttgart durchsucht worden, nicht aber das Staatsministerium. Denn Mappus' alter Arbeitsplatz werde ja jetzt von jemand anderem eingenommen, erläuterte die Behördensprecherin.

Muss das Ende des U-Ausschusses verschoben werden?

Auch für den EnBW-Untersuchungsausschuss des Landtags hat die Wendung Konsequenzen. Möglicherweise muss der ursprünglich bis Ende diese Jahres geplante Abschluss verschoben werden, weil die Mitglieder noch auf die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft warten wollen.

Der umstrittene EnBW-Deal war vom Staatsgerichtshof für verfassungswidrig erklärt und vom Landesrechnungshof gerügt worden. Nach einem von der Landesregierung in Auftrag gegebenen Gutachten hat das Land 840 Millionen Euro zu viel für das Aktienpaket gezahlt. Im Visier der Ermittler stehen wegen desselben Verdachts auch Ex-Staatsminister Helmut Rau und der frühere Finanzminister Willi Stächele (beide CDU). Auch gegen Mappus' damaligen Berater Dirk Notheis, Deutschlandchef der Investmentbank Morgan Stanley, wird wegen Beihilfe zur Untreue ermittelt.