Rechnungshof-Präsident Munding vor dem Untersuchungsausschuss Foto: dapd

Wohin führt dieser EnBW-Deal noch? Die Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen ausgeweitet.

Stuttgart - Untersuchungsausschüsse können eine ungeahnte Dynamik bekommen. Das war schon im Fall des milliardenschweren Betrugsskandals Flowtex so, als es darum ging, betrügerische Machenschaften mit Bohrgeräten aufzuklären und am Ende Wirtschaftsminister Walter Döring und seine Justiz-Kollegin Corinna Werwigk-Hertneck (beide FDP) stürzten. Und auch jetzt, da ein Untersuchungsausschuss den EnBW-Deal des ehemaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) aufklären soll, passieren Dinge, die niemand geahnt hätte.

Es ist Freitagvormittag, kurz vor 11 Uhr: Zwei Mitarbeiter der Investmentbank Morgan Stanley, deren Chef Dirk Notheis damals im Dezember 2010 die linke und die rechte Hand von Mappus bei der Einfädelung und Abwicklung des knapp fünf Milliarden Euro teuren Aktiengeschäfts mit der EdF war, berichten gerade vor den Abgeordneten des Ausschusses. Ihre Kernbotschaft ist vielsagend nichtssagend: Der Deal, bei dem das Land der EdF rund 45 Prozent der EnBW-Anteile abkaufte, lief ordnungsgemäß. Selbst die Tatsache, dass das Honorar für die Bank sich am Preis orientierte – einerseits wuchs es also mit dem Kaufpreis, andererseits wäre für das Land ein niedriger Kaufpreis besser gewesen –, verteidigen die Herren „als marktübliche Praxis“.

Plötzlich kommt Unruhe auf

Dann aber kommt plötzlich Unruhe im Saal auf. Via SMS verbreitet sich die Nachricht, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart das nächste Register zieht. Mitte der Woche hatte man Ermittlungsverfahren gegen Mappus und Notheis gestartet. Nun werden solche Ermittlungsverfahren auch gegen den damaligen Finanzminister Willi Stächele (60) und den seinerzeitigen Staatsminister und Mappus-Berater Helmut Rau (62) eröffnet. Aber noch dürfen die Staatsanwälte nicht loslegen, da beide Landtagsabgeordneten eine parlamentarische Immunität genießen und Landtagspräsident Guido Wolf (CDU) sie für die Ermittlungen davon befreien muss. Allein, das ist nur noch Formsache. Gut eine Stunde später ist es so weit.

Nun also wird gegen vier prominente CDU-Mitglieder wegen des Verdachts der Untreue ermittelt. Die Sitzung des Ausschusses wird unterbrochen, es gibt erste Reaktionen. „Mit den Ermittlungen gegen Willi Stächele öffnet sich für den Untersuchungsausschuss ein neues Kapitel“, sagt Uli Sckerl (Grüne). Es müsse geklärt werden, „ob Stächele damals seine Amtspflichten verletzt hat“. Zur Erinnerung: Stächele war in der Nacht vom 5. auf 6. Dezember 2010 ohne Angabe von Gründen in die Regierungszentrale einbestellt worden. Vor Ort machten Mappus und Notheis dem Finanzminister klar, man brauche seine Unterschrift unter das Notbewilligungsrecht der Landesverfassung. Ansonsten sei der Rückkauf der EnBW-Aktien von der EdF im Wert von 4,7 Milliarden Euro nicht machbar. Stächele ließ sich informieren – und unterschrieb. Für Sckerl ist das grenzwertig: „Das war hart am Rande einer Nötigung.“ Stächele habe „nur die Wahl zwischen Unterschreiben oder Zurücktreten gehabt“.

Die Unterschrift jedenfalls war ein folgenschwerer Fehler, wie sich später herausstellte. Denn der Staatsgerichtshof verurteilte die Nacht-und-Nebel-Aktion und die damit verbundene Umgehung des Landtags als Verfassungsbruch. Stächele, inzwischen Landtagspräsident, trat deshalb 2011 zurück. Andreas Stoch (SPD) sieht den damaligen Finanzminister in Mithaftung. Zwar habe Stächele in seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss vor wenigen Wochen behauptet, er sei damals von Mappus’ Aktion überrascht gewesen. Dennoch habe Stächele an jenem Dezemberabend unterschrieben: „Wenn ich Ja sage, aber objektiv nicht überzeugt bin, begebe ich mich in die Gefahr der Untreue“, so Stoch.

Doch die CDU stärkt den beiden Ex-Ministern den Rücken. „Ein Anfangsverdacht ist kein Schuldspruch“, sagt Landtagsfraktionschef Peter Hauk am Freitagmittag. Grüne und SPD sollten sich vor einer Vorverurteilung von Stächele und Rau, der den EnBW-Deal in der Gesellschaft Neckarpri mit einfädelte und abwickelte, besser hüten.

Wirtschaftsminister Schmid nimmt Mappus in Schutz

Angesichts der aktuellen Entwicklungen gerät die Sitzung des Untersuchungsausschusses fast zur Nebensache. Selbst die Tatsache, dass Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) am Morgen den umstrittenen Rückkauf der EnBW-Aktien durch das Land Baden-Württemberg überraschenderweise im Kern als nicht verkehrt bezeichnet, aber schlecht gemacht bezeichnet interessiert an diesem Freitag kaum jemanden.

Dafür richten sich alle Augen auf Max Munding. Sein Rechnungshof hatte zuletzt den EnBW-Deal untersucht, Mappus ein katastrophales Zeugnis ausgestellt und damit den Weg für die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft geebnet. Nun soll Munding seine Expertise erklären. Aber erst mal kommt’s zum Eklat. Munding und sein Vizepräsident Günter Kunz lehnen es ab, während ihrer vierstündigen Zeugenvernehmung gefilmt zu werden. An seiner Botschaft ändert das nichts. Zum einen bezeichnet der CDU-Mann den Vorwurf als „absurd“, er habe die Aufklärung des EnBW-Deals verhindern wollen. Zum anderen erneuert er seinen Vorwurf, Mappus und Notheis hätten vor dem Deal eine sorgfältige rechtliche und wirtschaftliche Prüfung des Geschäfts versäumt. Es sei „schwer nachvollziehbar“, wie damals der Kaufpreis ermittelt wurde, sagt Munding. Mappus soll 39,90 Euro pro Aktie geboten, die EdF aber 40 Euro pro Aktie verlangt haben. Letzteres trat ein, was dem Land eine Mehrbelastung von zwölf Millionen Euro bescherte. Hat Mappus zu schlecht verhandelt? Selbst bei einem Scheitern des Geschäfts hätte das Land rund 170 Millionen Euro an die EdF bezahlen müssen, sagt Kunz und nennt das eine „sehr ungewöhnliche Vereinbarung“. Und dass Stächele erst wenige Stunden vor der Vertragsunterschrift mit der EdF von Mappus eingeweiht wurde, sei eine von vielen Merkwürdigkeiten. Mundings Urteil: „Es gab eine Reihe von Verfahrensmängeln.“