Die Aufklärung des EnBW-Deals wird noch Monate dauern. Ex-Regierungschef Stefan Mappus soll im Oktober erneut vom Untersuchungsausschuss vernommen werden. Foto: dpa

Aufarbeitung löst immer mehr politische Turbulenzen aus – Skepsis bei Grün-Rot über Klage gegen EdF.

Stuttgart - Er ist nicht (mehr) da und doch scheint Stefan Mappus allgegenwärtig zu sein. Der ehemalige Ministerpräsident treibt die Landes-CDU um. Seitdem der Rechnungshof diese Woche das Vorgehen des früheren Regierungschefs und seines Beraters, Morgan-Stanley-Chef Dirk Notheis, gerügt hat, gleicht die Partei einem Pulverfass, das jeden Moment explodieren kann. Das macht sich auch am Donnerstag bemerkbar, als der Landtag wieder mal versucht, die Hintergründe des Milliardengeschäfts vom Dezember 2010 aufzuarbeiten. „Ja, die Umgehung des Landtags war damals ein Fehler, da gibt es nichts zu beschönigen“, räumt der CDU-Landtagsabgeordnete Paul Nemeth ein, dass Mappus’ Geheimgeschäft seinerzeit völlig daneben war. Nemeth betont aber auch: „So falsch die Abwicklung des Geschäfts war, so richtig war der Kauf.“ Aber Nemeths Drohung an die Regierungsparteien von Grünen und SPD wirkt wie das laute Pfeifen im Wald bei Dunkelheit: „Sie versuchen, der CDU mit diesem Projekt einen Mühlstein anzuhängen. Das wird Ihnen nicht gelingen.“

Wenn’s nur so einfach wäre. Jahrelang sonnte sich die Südwest-CDU als Regierungspartei. Nun, eineinhalb Jahre nach der verlorenen Landtagswahl, wirkt das Thema EnBW wie der Tiefschlag für einen, der gerade versucht, sich aufzurappeln. Die Südwest-CDU bestehe doch „nicht nur aus dem ehemaligen Ministerpräsidenten“, sondern aus vielen Tausend Mitgliedern, meint Nemeth fast trotzig. Aber auch die Tatsache, dass Mappus damals nicht mal die eigene Landtagsfraktion im Voraus einweihte, sondern die Abgeordneten erst informierte, als die Tinte unter dem Vertrag mit dem französischen Staatskonzern EdF schon trocken war, ändert wenig an der Stimmungslage.

„Sie sind unglaubwürdig, solange Sie sich nicht von Ihrem eigenen Handeln distanzieren“

Grüne und SPD nutzen die Debatte denn auch, um die alte Koalition vorzuführen. „Sie sind Mappus“, schleudert SPD-Landtagsfraktionschef Claus Schmiedel der CDU verbal entgegen. Stets habe sie Mappus verteidigt, habe den Wiedereinstieg des Landes beim Energiekonzern begrüßt. „Sie sind unglaubwürdig, solange Sie sich nicht von Ihrem eigenen Handeln distanzieren“, meint der SPD-Vormann.

In diese Wunde stechen auch andere. Zum Beispiel die grüne Staatsministerin Silke Krebs. Die CDU habe sich monatelang uneinsichtig gezeigt, dass das damalige, knapp fünf Milliarden Euro teure Geschäft schlecht vorbereitet und noch schlechter abgewickelt worden sei. „Wenn es Ihnen der Staatsgerichtshof noch nicht klargemacht hat, dann vielleicht der Rechnungshof“, meint Krebs. Zur Erinnerung: Der Staatsgerichtshof hatte die Nichtbeteiligung des Landtags am Deal als Verfassungsbruch gewertet, der Rechnungshof hat nun weitere gravierende Mängel aus dem Geschäft aufgelistet und Mappus schwer belastet. „Sagen Sie einfach: Wir haben einen Fehler gemacht“, lautet deshalb die Aufforderung der Grünen-Landtagsabgeordneten Andrea Lindlohr an die Adresse der CDU.

Doch sie tut sich schwer damit, für etwas geradezustehen, was sie nicht zu verantworten hat. Zwar gibt es zunehmend Stimmen in der Partei, die von Mappus eine Entschuldigung fordern, auf dass das Kapitel abgeschlossen wird. Es gibt aber auch Abgeordnete, die zur Mäßigung aufrufen: „Er ist abgewählt worden, er hat keinen neuen Job. Was soll er denn noch tun?“ Zumal, auch das wird betont: Mappus und Notheis hätten sich auf den Rat der Stuttgarter Kanzlei Gleiss Lutz verlassen, die seinerzeit grünes Licht gab, das Geschäft ohne Landtagsbeteiligung abzuwickeln. „Warum wird nicht endlich mal die Rolle dieser Kanzlei energisch hinterfragt?“, sagt ein wütender CDU-Abgeordneter in einer Kaffeepause.

„Der Finanzminister ist bis heute den Beweis schuldig geblieben, dass der Kaufpreis zu hoch war“

Und so versucht die CDU den Spieß umzudrehen – zum Beispiel bei der Klage, die Grün-Rot vor der Internationalen Handelskammer in Paris eingereicht hat und mit der erreicht werden soll, dass die EdF zwei Milliarden Euro von einem vermeintlich überhöhten Kaufpreis zurückzahlen soll. „Der Finanzminister ist bis heute den Beweis schuldig geblieben, dass der Kaufpreis zu hoch war“, sagt der CDU-Landtagsabgeordnete Claus Paal. Aber warum liegt kein Beweis vor? Und warum hält Grün-Rot die Klage unter Verschluss, obwohl sie nach neuen Erkenntnissen offenbar gar nicht vertraulich behandelt werden müsste? Vielleicht liegt es an den eher mageren Erfolgsaussichten. Nach Informationen unserer Zeitung gibt es inzwischen auch regierungsintern skeptische Stimmen. „Wir wissen nicht, ob wir Erfolg haben werden. Aber wenn sich abzeichnet, dass wir nichts erreichen, ziehen wir die Klage notfalls zurück“, sagt ein führender Vertreter von Grün-Rot.

Ein solcher Punkt könnte erreicht sein, wenn demnächst diverse Gutachten vorliegen, mit denen die damalige Entstehung des Kaufpreises untersucht wird. Und es ist nicht auszuschließen, dass die Experten zum Ergebnis kommen, dass der Preis von 41,50 Euro pro Aktie sehr wohl realistisch war.

Andreas Glück (FDP) hält der Landesregierung am Donnerstag denn auch vor, „der EnBW zu schaden“. Erst habe man Konzernchef Hans-Peter Villis quasi aus dem Amt gemobbt, um dann die von ihm erbetene Kapitalerhöhung zu genehmigen. Nun habe Grün-Rot die wenig aussichtsreiche Klage gegen die EdF angestrengt: „Der Finanzminister zockt um Milliarden und um Arbeitsplätze“, kritisiert Glück. Bei der EnBW jedenfalls wächst die Sorge um das Image und die Zukunft der 20.000 Arbeitsplätze. Der im September scheidende Konzernboss Hans-Peter Villis sagt über das Verhältnis zu Grün-Rot: „Wenn Sie einen Eigentümer haben, der Sie eigentlich gar nicht will, ist das ein Problem.“

Allein, die Probleme dürften so schnell nicht weniger werden. Am Donnerstag entschied der Untersuchungsausschuss in nichtöffentlicher Sitzung, die Zeugenbefragung auch nach den Sommerferien fortzusetzen. Am 28. September sollen aktuelle Regierungsmitglieder wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) vernommen werden, am 12. Oktober will man noch mal die Beteiligten des Geheimdeals – Mappus, Notheis und den Gleiss-Lutz-Anwalt Martin Schockenhoff – hören. Womit klar ist: Das Kapitel Mappus ist für die CDU noch nicht beendet. Ob sie will oder nicht.