Die grün-rote Landesregierung kann aufatmen. Sollte sie die Klage gegen den französischen Energieriesen EdF in Paris verlieren, bleibt die Energie Baden-Württemberg (EnBW) dennoch im Land. Die gut gefüllte Kasse der OEW macht’s möglich. Foto: dpa

Sollte das Land seine Klage in Paris verlieren, müssen die 20.000 Mitarbeiter der EnBW einen Verkauf des Unternehmens an einen ausländischen Investor nicht länger fürchten.

Stuttgart/Ulm - Heinz Seiffert ist ein alter Fuchs. Einst war er Bundestagsabgeordneter für die CDU, prägte dabei zwar selten die Schlagzeilen, war dafür aber im Hintergrund umso aktiver. Als Landrat im Alb-Donau-Kreis, vor allem aber als Chef der Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW) – dem zweiten Hauptaktionär der EnBW neben der Landesregierung – agiert er ähnlich: Still im Umgang, effektiv in der Sache. So wie in den vergangenen Wochen. Während mancher Landespolitiker sich in die Sommerpause verabschiedete, machte sich Seiffert seine Sorgen und Gedanken um die Zukunft des drittgrößten deutschen Energiekonzerns. Die Klage der grün-roten Landesregierung gegen den französischen Staatskonzern EdF vor dem Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer in Paris trieb ihn um. Bekanntlich wollen Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) von den Franzosen satte 834 Millionen Euro wiederhaben. Geld, das der ehemalige Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) bei seinem umstrittenen EnBW-Deal Ende 2010 zu viel an die Franzosen für deren EnBW-Anteile bezahlt habe.

Rückkauf an Franzosen damit vom Tisch

Nicht nur die Franzosen lehnen das seit Monaten ab, auch Seiffert hatte wiederholt vor dieser Klage und ihren möglichen Konsequenzen für die EnBW gewarnt. Der Kaufpreis von 41,50 Euro, den Mappus pro Aktie bezahlt habe, sei „völlig angemessen“ gewesen, hatte Seiffert betont. Was den OEW-Verbandschef aber vor allem unruhig schlafen ließ: Grün-Rot hatte bekanntlich seine Klage gegen die EdF mit einem brisanten Zusatzantrag geschmückt. Sollte die EdF nicht zahlen wollen, sei das Land auch zur Rückabwicklung des Deals bereit. Im Klartext: Dann werde man den 45-prozentigen Anteil an der EnBW eben an die Franzosen zurückgeben.

Das hatte sowohl bei der EnBW, in der Energiebranche, aber vor allem auch bei der OEW für große Verunsicherung und Verwirrung gesorgt – weil dann völlig unklar ist, wer sich die Anteile auf dem Weltmarkt schnappt und damit die Energiepolitik im Land mitbestimmt. Und so reifte in den vergangenen Tagen bei Seiffert und seinen Kollegen aus den anderen Landkreisen in Oberschwaben, für die die EnBW seit Jahrzehnten eine Goldgrube ist, die Idee, einem möglichen Einstieg von Energieriesen wie dem russischen Gazprom einen Riegel vorzuschieben.

Oberschwaben haben im Fall der Fälle das Sagen

Nach Informationen unserer Zeitung verhandelten deshalb seit Tagen die Anwälte von Grün-Rot und der EnBW miteinander, am Montag unterzeichneten Seiffert und Schmid eine wegweisende Vereinbarung. Die zentrale Botschaft: Sollte das Land die Klage in Paris verlieren, hat die OEW ein Vorkaufsrecht auf die beiden Aktienpakete des Landes aus dem öffentlichen Übernahmeangebot und der Kapitalerhöhung von zusammen etwa sechs Prozent im Wert von rund 550 Millionen Euro. Die OEW, die bisher auch 45 Prozent an der EnBW hält, hätte dann die Mehrheit und damit das Sagen – wer immer auch die anderen Teile erhält.

In einer gemeinsamen Erklärung betonten Schmid und Seiffert am Montagnachmittag, die Rückabwicklung des EnBW-Deals sei von der Landesregierung „nicht gewollt“. Mit der Vereinbarung werde aber „sichergestellt, dass die Eigentümerstruktur der EnBW in jedem Fall stabil bleibt“. Der Wirtschaftsminister beteuerte zugleich, man stehe „unabhängig vom Ausgang des Schiedsverfahrens ohne Wenn und Aber zur EnBW und zum Mitaktionär OEW“. Verbandschef Seiffert zeigte sich jedenfalls zufrieden mit dem Ergebnis seiner tagelangen Geheimdiplomatie: „Wir haben gemeinsam ein Zeichen gesetzt.“