Der damalige Ministerpräsident Stefan Mappus hatte im Herbst 2010 den fünf Milliarden Euro teuren Deal heimlich vorbereitet und in der Nacht auf 6. Dezember 2010 mit Hilfe des überraschten Finanzministers Willi Stächele endgültig vollzogen. Foto: dpa

Überraschende Entwicklungen vor Beginn des Untersuchungsausschusses zum EnBW-Deal.

Stuttgart - Die Telefonistin am Empfang der Kölner Kanzlei Bartenbach, Haesemann & Partner scheint ahnungslos. „EnBW-Deal, um was geht’s da? Haben Sie eine Aktennummer?“, sagt die Dame am Mittwoch, um sogleich nachzuschieben: „Den Vorgang kenne ich nicht.“ Ob es eine ernst gemeinte oder nur vorgetäuschte Unwissenheit ist? Fakt ist: Die Aufklärung des EnBW-Deals bleibt spannend. Die renommierte Anwaltskanzlei prüft derzeit für die grün-rote Landesregierung die rechtlichen Hintergründe zum Wiedereinstieg des Landes bei der Energie Baden-Württemberg und soll die Erkenntnisse in einem Regierungsbericht bündeln.

Zur Erinnerung: Der damalige Ministerpräsident Stefan Mappus hatte im Herbst 2010 den fünf Milliarden Euro teuren Deal heimlich vorbereitet und dann in der Nacht vom 5. auf 6. Dezember 2010 mit Hilfe des überraschten Finanzministers Willi Stächele endgültig vollzogen. Dass das Geschäft ohne Beteiligung des Landtags vonstatten ging, hat der Staatsgerichtshof bekanntlich inzwischen als Verstoß gegen die Verfassung verurteilt. Ab 3. Februar wird nun ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss des Landtags versuchen, das umstrittene Geheimgeschäft zu durchleuchten.

Bank bricht mit ihrer Linie

Auf welcher Basis dies geschehen soll, war bisher freilich unklar. Vertreter der grün-roten Landesregierung hatten wiederholt Vorwürfe gegen die damaligen Verhandlungspartner rund um Mappus erhoben. Zum einen gebe es praktisch kaum Akten, womöglich seien Unterlagen sogar vernichtet worden, lautete der Verdacht. Zum anderen habe Mappus bei dem Deal einfache kaufmännische Gesetze nicht beachtet und den Wert der EnBW nicht ordentlich prüfen lassen. Diese Kritik galt vor allem der Investmentbank Morgan Stanley und ihrem Deutschland-Chef Dirk Notheis. Er ist ein Freund von Mappus und hatte das EnBW-Geschäft vorbereitet und abgewickelt.

Bisher war es die Marschroute bei Morgan Stanley am Stammsitz in New York und anderswo auf der Welt, sich niemals über Kunden zu äußern. Nun aber, wenige Tage vor Beginn des Untersuchungsausschusses, bricht die Bank mit dieser Linie. Man habe für den Kunden Neckarpri – also jene Gesellschaft, die den Wiedereinstieg des Landes bei der EnBW bündelte – „eine Fairness Opinion im Hinblick auf den Kaufpreis der EnBW-Anteile erstellt“, sagte eine Sprecherin der Bank in Frankfurt/Main am Mittwoch auf Anfrage unserer Zeitung. Diese Fairness Opinion – also eine Bewertung, ob der Kaufpreis angemessen ist oder nicht – „basierte auf einer umfassenden und intensiven Analyse der zum damaligen Zeitpunkt sowohl zu EnBW als auch zu vergleichbaren Unternehmen im Energiesektor verfügbaren Informationen“.

Dokumente über 10.000 Seiten

Diese „Due Dilligence“, so der Fachbegriff für solche Prüfungen, sei „in Übereinstimmung mit geltender Marktpraxis bei vergleichbaren Erwerben börsennotierter Gesellschaften“ erfolgt. Für die Analyse, ob der Wiedereinstieg des Landes beim drittgrößten deutschen Energiekonzern Sinn macht, seien „Dokumente im Umfang von über 10.000 Seiten herangezogen“ worden. Fazit der Sprecherin: „Wir stehen zu unserer geleisteten Arbeit und zu unserer Fairness Opinion. Sie entspricht den hohen Maßstäben von Professionalität und Integrität, für die unser Unternehmen weltweit bekannt ist.“

Mit der Stellungnahme von Morgan Stanley gerät die Landesregierung nun unter Erklärungszwang, steht doch der Verdacht im Raum, es habe entgegen der Behauptungen von Grün-Rot sehr wohl eine Prüfung des Kaufpreises gegeben, und auch entsprechende Akten seien vorhanden.

Verfügbare Unterlagen lagen lange vor

Hinzu kommt: Nach Recherchen unserer Zeitung haben ausgewählte Vertreter der Landesregierung seit gut drei Monaten Zugang zu einem streng vertraulichen Datenraum, in dem Morgan Stanley alle damals verfügbaren Unterlagen und Analysen zur Prüfung der EnBW zusammengestellt hat. Offenbar dauerte es aber bis kurz vor Weihnachten, ehe sich erstmals ein Regierungsbeauftragter mit dem Password in den Datenraum einwählte und sich über die vorhandenen Akten informierte.

Die Sprecherin von Morgan Stanley wollte dazu keine Aussage machen. Ein Sprecher von Ministerpräsident Kretschmann sagte unserer Zeitung, derzeit würden die Akten von der Kanzlei in Köln „noch gesichtet“. Man sei zuversichtlich, den Regierungsbericht mit einer rechtlichen Bewertung „wie zugesagt“ bis zum 26. Januar dem Untersuchungsausschuss vorlegen zu können.

Mappus wollte unbedingt aussagen

Auf der Basis dieses Gutachtens will das Gremium dann Anfang Februar entscheiden, welche Zeugen geladen werden. Einer steht bereits fest: Ex-Regierungschef Mappus. Er hatte zuletzt wiederholt darauf gedrängt, im Untersuchungsausschuss aussagen zu dürfen. Staatsministerin Silke Krebs (Grüne) hatte dieses Ansinnen wiederholt zurückgewiesen. Mappus habe sich „selbst ein Bein gestellt“, verwies sie auf Verschwiegenheitsverpflichtungen, die sich alle damaligen Verhandlungspartner auferlegt hätten. Allenfalls könne er in nichtöffentlicher Sitzung aussagen, so Krebs.

Das wiederum wollte sich Mappus nicht bieten lassen. Man könne ihn nicht über Wochen hinweg öffentlich diffamieren, seine entlastenden Aussagen dann aber hinter verschlossene Türen verbannen, schlug er verbal zurück. Nun hat eine juristische Prüfung offenbar Klarheit geschaffen. „Die Verschwiegenheitspflicht von Herrn Mappus für den Untersuchungsausschuss kann aufgehoben werden“, sagte ein Regierungssprecher am Mittwoch. Man wolle „für ein geregeltes Verfahren sorgen“ .