EnBW-Chef Frank Mastiaux fordert den Mitarbeitern einiges ab, gibt ihnen aber auch eine neue Perspektive jenseits vom Betrieb von Kernmeilern- und Großkraftwerken. Foto: Leif Piechowski

Die EnBW wagt den Spagat. Der ehemals stark kernkraftlastige Konzern will zum Öko-Vorreiter werden. Ob der Spurwechsel gelingt, ist aber alles andere als sicher. Konzern-Chef Frank Mastiaux, erklärt wie er es dennoch schaffen will und wie wichtig dafür motivierte Mitarbeiter sind.

Die EnBW wagt den Spagat. Der ehemals stark kernkraftlastige Konzern will zum Öko-Vorreiter werden. Ob der Spurwechsel gelingt, ist aber alles andere als sicher. Konzern-Chef Frank Mastiaux, erklärt wie er es dennoch schaffen will und wie wichtig dafür motivierte Mitarbeiter sind.
Stuttgart - Herr Mastiaux, die Energiewende hat den Strom teurer und die Versorgung unsicherer gemacht. Ist Deutschland noch auf dem richtigen Weg?
Das ist eine müßige Frage, denn die Energiewende ist in vollem Gang. Der Zug hat den Bahnhof längst verlassen. Wir haben heute in Deutschland Kraftwerke mit einer Leistung von circa 180 Gigawatt. Davon sind allein rund 80 Gigawatt Erneuerbare-Energien-Anlagen, vor allem Windräder oder Solaranlagen. Das kann man nicht zurückdrehen, sondern das muss man nun sinnvoll weiterentwickeln. Jetzt muss also das richtige Anschlussstück für die Weiterfahrt des Zuges kommen. Das besteht im richtigen Zusammenspiel des weiteren Ausbaus der Erneuerbaren, einem zeitgerechten Netzausbau und einem geeigneten wirtschaftlichen Rahmen für den rentablen Betrieb konventioneller Kraftwerke.
Hat sich der wochenlange Streit um den Koalitionsvertrag aus Ihrer Sicht gelohnt?
Dass über Wochen speziell über Energiefragen so hart gerungen wurde, wird dem Thema mehr als gerecht. In vielen Bereichen hat man auch die richtige Richtung eingeschlagen. Nehmen Sie die Tatsache, dass Klimaschutz über höhere Preise für CO2-Zertifikate wieder mehr Gewicht erhalten soll oder die verlängerte Förderung von Offshore-Windkraft, die sich noch auf einer steilen Lernkurve bewegt. Aber an einigen Stellen ist man klar zu kurz gesprungen.
Welche Kritikpunkte haben Sie?
Man hätte manche Dinge konsequenter, klarer und verbindlicher regeln sollen. Inkonsequent ist die verzögerte Einführung der verbindlichen Direktvermarktung der Windkraft, die man zweifelsfrei sofort hätte einführen können. Unklar sind die Regeln für die Weiterentwicklung der Windkraft an Land, hier sind die Spielregeln interpretationsfähig, sofern es schwächere Windstandorte, etwa in Baden-Württemberg, angeht. Viele Investoren wissen nun nicht, wie es weitergeht. Zu unverbindlich ist man für eine zeitnahe Lösung für den wirtschaftlichen Betrieb konventioneller Kraftwerke geblieben. Dies ist für die Betreiber ein sehr ernsthaftes Problem. Konventionelle Kraftwerke sind in den kommenden Jahren ein integraler Bestandteil der Energiewende, vor allem weil sie Versorgungssicherheit bieten. Auch wenn dies viele nicht hören wollen.
Die Zeche zahlt der Verbraucher, auf den die Mehrkosten für die unrentablen Kraftwerke dann umgelegt werden.
Versorgungssicherheit ist ein wertvolles Gut, das Wind- und Solaranlagen nicht durchgängig gewährleisten können, konventionelle Kraftwerke aber schon. Dies muss der Markt honorieren. Außerdem muss man auf den Zeitrahmen schauen, über den man spricht. Der Boom an erneuerbaren Energien hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Strompreise im Großhandel seit Jahresbeginn um rund ein Drittel zurückgegangen sind. Gleichzeitig werden Wind- und Solarstrom durch technischen Fortschritt immer günstiger. In einigen Jahren werden wir vielleicht über die Förderung von erneuerbaren Energien bei Neuanlagen nicht mehr reden müssen, weil sie aus eigener Kraft wirtschaftlich sein werden. Es gibt also mittelfristig mehrere Faktoren, die den Kunden entlasten. Für die überwiegende Mehrheit der EnBW-Kunden bleiben übrigens die Preise bis auf weiteres konstant.
Vor welche Herausforderungen stellt die Energiewende die EnBW?
Wir haben es mit einem fundamentalen Wandel unseres Geschäftsmodells zu tun. Beispielsweise gehen wir planerisch davon aus, dass die Erträge aus unserem traditionellen Geschäft mit konventionellen Kraftwerken bis 2020 um rund 80 Prozent zurückgehen. Diesen Ergebnisrückgang müssen wir in anderen, neuen Geschäftsfeldern ersetzen. Deshalb werden wir unser Geschäft strategisch vor allem auf den Ausbau dezentraler Erneuerbarer, auf das Netzgeschäft und vor allem auf das vertriebliche Kundengeschäft konzentrieren. Dies ist ein tiefgreifender Umbau unseres Unternehmens.
Die EnBW will also weg vom Betrieb großer Kraftwerke. Trägt das Geschäftsmodell?
Wir müssen im Vertriebsbereich die Lieferung von Energie mit weiteren Angeboten, die dem Kunden Zusatznutzen bringen, koppeln. Die Anwendungen im energienahen Bereich werden in den nächsten Jahren stark zunehmen, seien es die E-Mobilität, intelligente Hausgeräte-, Heizungs- oder Lichtsteuerung oder die Verknüpfung von Energie mit Kommunikation. Die EnBW wird in diesen Bereichen in Zukunft stärker als Dienstleister auftreten, der den Menschen Komplettlösungen bietet, die neue technische Lösungen praktisch und bequem verknüpfen. So wie der Telefonanbieter von einst, der heute das Internet und das Fernsehen gleich mitliefert. Die EnBW wird hierfür die Entwicklung neuer und innovativer Produkte und Dienstleistungen deutlich intensivieren und beschleunigen.
Werden die Hauptaktionäre der EnBW, das Land und die kommunale Zweckgesellschaft OEW, angesichts all dieser Aufgaben noch einmal Geld nachschießen müssen?
Wir haben bei unseren Planungen keine weitere Kapitalunterstützung seitens unserer Anteilseigner vorausgesetzt. Die Finanzierung erfolgt durch Erlöse aus dem laufenden Geschäft und dem Verkauf von Beteiligungen.