Prominenter Zeuge: der Investmentbanker Dirk Notheis Foto: dpa

Vor dem EnBW-Ausschuss im Stuttgarter Landtag hat sich Investmentbanker Dirk Notheis verteidigt.

Stuttgart - Es ist der zweite Akt bei der Aufklärung des umstrittenen EnBW-Deals. Freitagmorgen, 10 Uhr, im Stuttgarter Landtag . Anfang März wurde der Zeuge Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus aufgerufen und musste erklären, wie und warum er für das Land im Dezember 2010 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Anteile an der Energie Baden-Württemberg vom französischen Riesen Electricité de France (EdF) zurückgekauft hatte und dafür den satten Preis von fast fünf Milliarden Euro hinblätterte. Nun muss sein Freund und Berater Dirk Notheis, Deutschlandchef der Investmentbank Morgan Stanley, in den Zeugenstand. „Sie sind zur Wahrheit verpflichtet“, erinnert der Ausschussvorsitzende Ulrich Müller (CDU) den prominenten Zeugen zu Beginn. Doch dieses Ziel strebt Notheis ohnehin an. „Ich werde hier und heute einige falsche Behauptungen korrigieren, die seit einigen Wochen in der Öffentlichkeit kursieren“, beginnt er seine gut 30-minütige Erklärung.

Versuchte Belehrung

Der Auftritt ist eine Mischung aus Erklärung und Rechtfertigung. Und zumindest zu Beginn hört es sich an wie die Belehrung eines weltweit umherfliegenden Top-Bankers für ein paar Landtagsabgeordnete in der Provinz. Man habe in den vergangenen Jahren weltweit über 20 Transaktionen dieser Art vorgenommen. „Wir kennen den Markt der Energieversorgung sehr gut“, und man arbeite seit Jahren auch eng mit der EnBW zusammen. Die Botschaft: Es lag nahe, dass Mappus den Auftrag für das Geheimgeschäft an Morgan Stanley gab.

Was folgt, sind eine Reihe von Positionierungen. Die Behauptung, wonach die Bank bei dem spektakulären Deal zugleich den Käufer (das Land) und den Verkäufer (die EdF) beraten habe, sei „unwahr“ und ein „schwerwiegender, nicht hinzunehmender Vorwurf“. Und damit das auch jeder versteht, legt Notheis eine eidesstattliche Versicherung des EdF-Generalsekretärs vor, wonach Morgan Stanley nicht für die französische Seite tätig gewesen sei. „Wir waren Berater des Landes Baden-Württemberg, nicht der EdF“, betont Notheis. Er benutzt die Vokabel „unwahr“ aber auch, um dem Vorwurf entgegenzutreten, sein Haus habe den Kaufpreis nicht wirklich ernsthaft geprüft. Man habe, wie in solchen Fällen üblich, eine Werthaltigkeitsprüfung (Due Dilligence) vorgenommen, zudem hätten Experten der Bank den ausgearbeiteten Vertrag und den Kaufpreis intensiv geprüft.

Notheis verteidigt sich

Wenn die Bank schlampig gearbeitet hätte, hätte „die Reputation unseres Hauses“ auf dem Spiel gestanden. Der letztendlich bezahlte Preis von 41,50 Euro pro Aktie sei deshalb „angemessen und fair“ gewesen, das gesamte Prüfverfahren bis zur Vertragsunterschrift „war hochprofessionell“. Wer etwas anderes behaupte, liege „schlichtweg falsch“. Das gelte auch für die Tatsache, dass das Geheimgeschäft mit dem Codewort „Olympia“ binnen weniger Tage über die Bühne gehen musste und deshalb schlecht gewesen sei.

Zweifelnde Abgeordnete

Notheis’ Strategie ist klar: Er will sich den spektakulären Deal und den Ruf seiner Bank nicht madig machen lassen. Doch die Abgeordneten des Untersuchungsausschusses haben Zweifel und haken nach. Volker Schebesta (CDU) will wissen, wer letztendlich der Antreiber für das Geschäft gewesen ist: Wollte die EdF verkaufen oder Mappus kaufen? „Die Initiative ist vom Land ausgegangen“, so Notheis. Denn EdF-Chef Henri Proglio habe bei einem Treffen am 10. November in Paris gegenüber Mappus „eindeutig klargemacht“, dass er entweder die Mehrheit bei der EnBW wolle oder aber den 46-Prozent-Anteil an der EnBW verkaufen werde. Daraufhin habe Mappus entschieden, die Sache aktiv anzugehen.

Doch je länger das Verhör von Notheis dauert, desto nervöser wird der eloquente Finanzfachmann. Immer wieder gießt er sich Mineralwasser nach, sagt Sätze wie „Daran kann ich mich nicht mehr erinnern“ oder „Das weiß ich nicht“. Manchmal klingt es glaubwürdig, oft auch nicht. So weiß Notheis nicht mehr, mit wem er in der entscheidenden Nacht vom 5. auf den 6. Dezember 2010 in Paris telefoniert habe, als der Deal plötzlich am seidenen Faden hing, weil es Zweifel aufseiten des EdF-Aufsichtsrats gab. „Ich schließe aber aus, dass ich mit dem französischen Präsidenten telefoniert habe.“ Dabei hatte Mappus in seiner Zeugenvernehmung noch betont, das Problem sei in jener Nacht von „höchster Stelle“ in Paris gelöst worden. An einer Stelle wird Notheis hingegen wieder konkret. Mappus habe in den Verhandlungen mit der EdF mehrfach klargemacht, man müsse den Landtag vor dem Verkauf einbinden. Aber Paris, so Notheis, habe „das kategorisch abgelehnt“. Notheis schildert, wie er vorgeschlagen habe, zumindest die CDU-FDP-Regierung in Stuttgart und die Regierungsfraktionen zuvor damit zu befassen. Doch auch das habe Proglio abgelehnt.

Entscheidende E-Mail

Als die Anwälte der beratenden Stuttgarter Kanzlei Gleiss Lutz schließlich in einer E-Mail vom 30. November 2010 eindeutig erklärt hätten, man könne den Kauf ohne Zustimmung des Landtags abwickeln und das sogenannte Notbewilligungsrecht des Finanzministers nutzen, sei der Weg für das Geschäft frei gewesen. „Wir hatten keinerlei Veranlassung, am Urteil von hochrangigen Verfassungsrechtlern zu zweifeln.“ Dass der Staatsgerichtshof diesen Weg später als Verfassungsbruch einstufte, habe er nicht ahnen können. „Wir sind Finanzberater, nicht Rechtsberater des Landes gewesen“, sagt Notheis mehrfach und schiebt den Schwarzen Peter der Kanzlei zu. „Wenn Gleiss Lutz gesagt hätte, es ist kein gangbarer Weg, hätten wir diese Transaktion abgebrochen.“

Halbe Wahrheiten

Doch nicht nur die CDU, auch die anderen Landtagsfraktionen nehmen Notheis in die Zange. Ulrich Sckerl (Grüne) wirft ihm vor, nicht mit offenen Karten gespielt zu haben. Warum habe die Bank, die für das Geschäft ein Honorar von rund 17 Millionen Euro erhielt, dieser Tage zum wiederholten Mal nachträglich Akten zur Verfügung gestellt. „Wir haben nichts zu verbergen“, beteuert Notheis. Man habe die Akten „nach bestem Wissen und Gewissen“ zusammengestellt. Doch schon wenige Minuten später wird deutlich, dass dies nur die halbe Wahrheit ist. Die in englischer Sprache ausgefertigten Bewertungsunterlagen für den Abschluss des Aktiendeals waren zwar in Mappus’ Handakten, liegen dem Ausschuss bisher aber nicht vor. Selbst Ausschusschef Müller ist darüber verärgert: „Die Frage bleibt, warum so etwas nicht von vornherein dabei ist.“ Reaktion von Notheis: „Wir werden die Unterlagen zur Verfügung stellen.“

Befragung zieht sich über sieben Stunden

So gerät der 43-jährige Manager immer mehr unter Druck. Er muss sich rechtfertigen, warum er zu der Sitzung des Untersuchungsausschusses einen eigenen Protokollanten mitbringt, es aber von den damaligen Vertragsverhandlungen kaum Protokolle gebe. Hat er den Deal womöglich doch so durchgezogen, um seinem damals angeschlagenen Freund Mappus einen politischen Erfolg zu bescheren? Der Ex-Ministerpräsident hatte bei seiner Vernehmung noch betont, er habe sich zu dem Geschäft entschlossen, um die Übernahme der EnBW-Anteile durch einen ausländischen Investor zu verhindern. Nun aber sagt Notheis mit entwaffnender Offenheit: „Wir haben zum damaligen Zeitpunkt keinen unmittelbaren Wettbewerber gesehen.“ Im Klartext: Es gab keinen ausländischen Investor, der vor der Tür wartete. Mappus habe eben ausschließen wollen, „dass die EnBW-Anteile in dritte Hände geraten“, meint Notheis.

Private Verhältnisse

Überhaupt, welche Rolle spielte bei alledem eigentlich das private Verhältnis zwischen Mappus und Notheis? Man kenne sich seit „über 20 Jahren“ aus Zeiten der Jungen Union. Wie oft habe man im Jahr 2010 über das Thema EnBW gesprochen?, fragt Sckerl. „Ich führe darüber kein Buch“, sagt er gereizt. Als Sckerl dem Banker, den er als „Rundum-sorglos-Berater“ von Mappus nennt, nahelegt, es wäre vielleicht besser gewesen, aufgrund der Freundschaft das Mandat für das Land nicht anzunehmen, reagiert Notheis noch etwas genervter.

Den Anruf von Mappus am 25. November 2010, das Mandat zu übernehmen und die Kaufverhandlungen zu führen, habe er „als Vorstandsvorsitzender von Morgan Stanley“ übernommen. Soll heißen: nicht als Freund.

Gereizter Ton

So zieht sich die Befragung der Schlüsselfigur des EnBW-Deals nahezu über sieben Stunden hin. Notheis verteidigt sich, berät sich ab und zu mit seinem Anwalt, sucht die Offensive. Es fallen Sätze wie „Sie wollen hier etwas konstruieren, was es nicht gibt“ oder „Ich erkläre es Ihnen gerne noch einmal.“ Der Ton wird zunehmend gereizter. Als Jürgen Filius (Grüne) den Verdacht in den Raum stellt, womöglich habe René Proglio, der Frankreich-Chef von Morgan Stanley, seinem Bruder und EdF-Chef Henri Proglio vielleicht Daten des Landes Baden-Württemberg weitergegeben, wird Notheis wütend: „Ich weise diese Unterstellung zurück und verwahre mich dagegen.“ Der Proglio-Bruder sei ein Teil des Teams auf Landesseite gewesen, nicht mehr und nicht weniger.

Vergleiche zur Formel 1

Notheis macht klar, dass ein solches Geschäft stets „ein arbeitsteiliges Verfahren“ sei. Das laufe wie in der Formel 1. „Ohne ein Team würde ein Michael Schuhmacher auch nicht aus der Boxengasse kommen.“ Als Notheis gefragt wird, wie viele Mitarbeiter seiner Bank denn mitgearbeitet hätten, muss er jedoch erneut passen. „Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich überprüfe das und leite Ihnen die Zahl zu.“ Überhaupt, Notheis wird nach diesem Tag einiges nachliefern müssen. Gutachten, Daten, den internen Mail-Verkehr der Bank, wie ihn Andreas Glück (FDP) verlangt, und, und, und. „Mir drängt sich der Eindruck auf, dass Sie nicht wissen, was Sie überhaupt bewertet haben“, fasst Andreas Stoch (SPD) etwas giftig das Nichtwissen von Notheis zusammen. Sascha Binder (SPD) wird das Katz-und-Maus-Spiel schließlich zu bunt. Er stellt den Antrag, Notheis zu vereidigen, was aber am Freitag erst mal nicht geschieht. Die Folge wäre: Sollte sich herausstellen, dass Notheis die Unwahrheit gesagt habe, hätte er sich strafbar gemacht. Vor diesem Hintergrund fällt der folgende Auftritt von Willi Stächele im Zeugenstand unspektakulärer aus. Mappus, Notheis und Co. hatten den damaligen Finanzminister am Abend des 5. Dezember in die Regierungszentrale bestellt – ohne Angabe von Gründen. Stächele sollte das Notbewilligungsrecht in der Landesverfassung unterschreiben. Man habe ihm klargemacht, „wenn wir jetzt nicht handeln geht das den Bach runter“. Er habe dies als „Zwangsituation“ empfunden – und dann unterschrieben.