Umweltminister Franz Untersteller vor dem Untersuchungsausschuss Foto: dpa

Turbulenzen rund um den so genannten EnBW-Deal nehmen zu - Druck auf Dirk Notheis wächst.

Stuttgart - Mal zehn Stunden, mal zwölf Stunden, mal acht, dann wieder neun Stunden . . . Die Aufarbeitung des umstrittenen und fünf Milliarden Euro schweren EnBW-Deals des früheren Ministerpräsidenten Mappus entwickelt sich für den Untersuchungsausschuss des Landtags immer mehr zur Marathonaufgabe. Seit März versucht das Kontrollgremium, etwas Licht in das Geheimgeschäft vom Dezember 2010 zu bringen. Nicht anders am Freitag. Erneut ist ein halbes Dutzend Zeugen geladen.

Aber die Aufmerksamkeit verlagert sich erst einmal vor den Sitzungssaal. Denn die Regierungskoalition von Grünen und SPD erhöht den Druck auf die damals Beteiligten, allen voran auf Dirk Notheis, den engen Freund von Mappus und Deutschland-Chef der Investmentbank Morgan Stanley. Der Investmentbanker zog seinerzeit bei dem EnBW-Deal die Fäden, und die jüngst aufgetauchten E-Mails zwischen ihm und Mappus haben bei Freund und Feind des Duos den Verdacht genährt, der Regierungschef habe alles getan, was Notheis wollte. Und so greifen die jetzt Regierenden am Freitag zu einem ungewöhnlichen und zugleich scharfen Instrument: Sie schalten die BaFin ein, die deutsche Bankenaufsicht.

Man habe den Verdacht, schreiben die Regierungsparteien an die BaFin, dass Notheis „nicht mehr die erforderliche Zuverlässigkeit zur Führung eines Finanzinstitutes besitzt“. Denn, so die Begründung, Notheis habe das Vertrauen zu seinem Freund Mappus womöglich „zum Schaden des Landes missbraucht“, als er damals dem französischen Staatskonzern EdF die EnBW-Anteile abkaufte. Der Vorwurf, den Grüne und SPD seit Monaten erheben: Mappus habe einen zu hohen Preis für den EnBW-Wiedereinstieg bezahlt, nur um politischen Erfolg zu haben.

Kaufpreis nach allen Regeln der Kunst ermittelt?

Fakt ist: Morgan Stanley hatte zuletzt den gesamten und für Notheis wenig schmeichelhaften internen E-Mail-Verkehr vom Dezember 2010 offen gelegt. Kurz vor Vertragsabschluss im Dezember 2010 hatte der erfahrene Banker in einer Mail unter anderem Mappus gebeten, er möge jetzt keine konkurrierenden Banken einschalten. Und: Notheis machte damals gegenüber seinem französischen Kollegen Rene Proglio in einer E-Mail klar, der Kaufpreis für die EnBW-Anteile sei „mehr als üppig“. Für Grüne und SPD ist das ein Beleg, dass Mappus damals zu viel bezahlt hat. Zudem, so heißt es in dem Brief an die Bafin, lege es den Verdacht nahe, dass Notheis „seine Pflichten zur sorgfältigen und wahrheitsgemäßen Beratung verletzt“ habe.

Allein, der Zeuge Kai Tschöke bestreitet das am Freitag vehement. Er ist bei Morgan Stanley für solche Transaktionen zuständig. Ja, räumt er ein, es sei damals „sehr ambitioniert“ gewesen, den Deal unter größter Geheimhaltung und innerhalb weniger Tage „zu bewältigen“. Aber man habe den Kaufpreis „nach allen Regeln der Kunst ermittelt“, beteuert er in einem über sechsstündigen Verhör. Experten der Bank, die nichts mit dem Fall zu tun hatten, hätten die Arbeit der Kollegen in einer 45-minütigen Telefonkonferenz schließlich überprüft und eine „fairness opinion“ erteilt. Im Klartext: Der Preis von 41,50 Euro pro Aktie, der zwischen Land und EdF ausgehandelt worden war, sei in Ordnung. So kam es dann auch.

Doch je länger die Vernehmung geht, desto unsicherer wird Tschöke bei der Frage, ob Morgan Stanley den Deal hätte überhaupt machen dürfen. Denn der „code of conduct“ – also der Verhaltenskodex der Bank – besagt, dass die Bank keinen Auftrag annehmen darf, sollte es familiäre Berührungspunkte zwischen Käufer und Verkäufer geben. Aber genau das war hier der Fall. Denn Morgan Stanley in Frankreich wird von Rene´ Proglio geleitet, dessen Zwillingsbruder Henri Proglio wiederum ist EdF-Chef. Proglio könne als „sehr erfahrener Bankmitarbeiter“ aber berufliche und persönliche Interessen unterscheiden und habe beim EnBW-Deal eine entscheidende Rolle gespielt, weil er wegen seines engen Drahts zu seinem Bruder „extrem wichtig und extrem hilfreich“ war, sagt Tschöke. Immer wenn die Verhandlungen gestockt hätten, habe er geholfen, die Probleme zu beheben. Wie aber passt das zu der Zeugenaussage von Notheis, Rene Proglio habe kaum eine Rolle gespielt?

Uli Sckerl (Grüne) und Andreas Stoch (SPD) fühlen sich denn auch bestätigt, dass das Geschäft durchgezogen wurde – ohne Rücksicht auf Verluste. „Wenn Sie Ihren Kodex angewendet hätten, hätte Rene´ Proglio niemals tätig sein dürfen“, meinen beide. Andreas Glück (FDP) mag es kaum glauben, „dass 45 Minuten reichen“, um den Milliardendeal zu prüfen. Das sei „nicht unüblich“, meint Tschöke. Und als Volker Schebesta (CDU) fragt, was denn passiert wäre, wenn in der abschließenden Besprechung plötzlich jemand Zweifel an dem Deal bekommen hätte, antwortet Tschöke: „Es stand jeder Seite frei, den Notausschalter zu drücken.“

Auch Untersteller war damals überrascht

Allein, niemand drückte. Das Geschäft – zu diesem Preis und ohne Beteiligung des Landtags – wurde durchgezogen. Das Drama nahm seinen Lauf. Und überraschte alle. Auch Franz Untersteller, einst umweltpolitischer Sprecher der Grünen, heute Landesumweltminister. Er berichtet am Freitag vor dem Untersuchungsausschuss, wie er sich am 25. November 2010 zusammen mit Winfried Kretschmann mit führenden EdF-Managern in Stuttgart zu Informationsgesprächen traf. Die Franzosen hätten „nicht mal ansatzweise“ Anhaltspunkte geliefert, ihren Anteil an der EnBW verkaufen zu wollen. Kurz darauf, am 6. Dezember, verkaufte die EdF an das Land. Untersteller rief wenig später seine Gesprächspartner an. Ja, hätten sie gesagt, man sei auch überrascht worden von diesem Schritt, es habe „auch Diskussionen“ auf Führungsebene gegeben. Aber, so zitiert Untersteller einen der damaligen EdF-Manager, „bei einem Preis von 41,50 hören die Diskussionen sehr schnell auf“. Ob es wirklich so war? Keiner weiß es. Die Franzosen lehnen eine Aussage bekanntlich ab.