Kinder und Eltern protestieren gemeinsam gegen den Abriss ihres Baumhauses im Wald bei Heslach durch das städtische Forstamt Foto: Lichtgut Christian Hass

Spielplätze in Stuttgart sind rar. Eine Gruppe Kinder hat Eigeninitiative gezeigt und im Wald bei Heslach ein Baumhaus gebaut. Das haben Forstarbeiter jetzt abgerissen. Bei den Kindern gab es Tränen. Ihre Eltern sind fassungslos und werfen dem Forstamt Willkür vor.

Stuttgart - Zum Wald an der Müllerstraße in Heslach führt eine steile Böschung hoch. Auf der Ebene oben liegen ein kaputte Leiter und ein Haufen Bruchholz. Das ist alles, was von dem Baumhaus übrig geblieben ist, das sich die Kinder aus dem angrenzenden Wohngebiet gebaut haben. „Ein Jahr lang haben wir gebraucht, bis unser Lager fertig war. Und jetzt ist es einfach weg“, sagt Konrad Weber. Der Zehnjährige, sein gleichaltriger Freund Simon und andere Kinder aus der Nachbarschaft haben jede freie Minute in den Bau gesteckt und können nicht verstehen, dass Forstarbeiter des städtischen Garten-, Friedhofs- und Forstamts ihr Werk in einer Nacht-und-Nebel-Aktion kaputt gemacht haben.

Auch die Eltern der Kinder reagieren auf die Aktion der Forstarbeiter mit Entsetzen. „Beim Bauen des Verschlags konnten sich die Kinder ausprobieren, ihre Fantasie spielen lassen und ihre Motorik entwickeln“, sagt Konrads Vater Andreas Weber. Der 58-jährige Sozialpädagoge wirft den Forstarbeitern „blinde Zerstörungswut“ vor. Carolin Bizzer und Thomas Heine, deren Kinder an dem Lager auch mitgearbeitet haben, bestätigen, dass die Arbeiter „brachial mit der Kettensäge“ vorgegangen seien.

Illegale Bauten im Wald werden abgeräumt

Hagen Dilling kann die Enttäuschung der Kinder und die Verärgerung ihrer Eltern verstehen. Anlass zur Kritik am Vorgehen seiner Mitarbeiter sieht der Leiter der Forstabteilung beim Garten-, Friedhofs- und Forstamt allerdings nicht. „Der Revierleiter hat festgestellt, dass Nägel in die Bäume geschlagen worden sind. Ohne Genehmigung ist das Sachbeschädigung“, sagt er. Denn die Nägel würden die Bäume kaputt machen, und beim Verkauf würde das Holz an Wert verlieren.

Als wichtigeren Grund für den Abriss nennt er aber die Verkehrssicherungspflicht seiner Behörde. „Das Lager stand am Abhang und war einen Meter hoch. Der Revierleiter hat das als gefährlich eingeschätzt“, nimmt Dilling seine Leute in Schutz und weist darauf hin, dass die Stadt haftbar gemacht werden könnte, wenn ein Kind dort verunglückt wäre. Dilling: „Wenn wir von solchen Gefahrenquellen wissen, sind wir verpflichtet, sie zu beseitigen.“

Etwa drei- bis viermal pro Jahr räumen seine Mitarbeiter illegale Bauten im Wald ab. Meist handelt es sich dabei um sogenannte Downhill-Strecken, bei denen Radfahrer Sprungschanzen und andere Hindernisse auf abschüssigen Waldstrecken eingebaut haben. „Erst im vergangenen Jahr ist ein Radler auf so einer Strecke schwer gestürzt“, erinnert sich der Forstamtsleiter. Dass die Stadt nicht für die Folgen des Unfalls verantwortlich gemacht werden konnte, habe nur daran gelegen, dass seine Behörde nichts von den illegalen Umbauten gewusst habe.

Eltern können Argumente des Forstamts nicht nachvollziehen

Erlaubt sind Bauten auf öffentlichen Waldgrundstücken dann, wenn sie nur eine kurze Zeit Bestand haben und von den Erbauern selbst oder dem nächsten Sturm wieder eingerissen werden. In den Waldkindergärten ist das bekannt: „Wir dürfen nur Mobiles bauen, zum Beispiel Holz und Äste aufeinander schichten“, sagt Tanja Böhmer vom Waldkindergarten Obere Neckarvororte. Wollen Wandervereine Wegweiser an Bäume nageln, müssen sie beim Forstamt eine Genehmigung einholen.

„Mit den Nägeln, das war vielleicht nicht so gut“, räumt Konrad ein. Doch standen er und seine Freunde vor dem Problem, wie man die Stämme befestigen kann. „Wir haben es mit Schnüren versucht. Aber das hat nicht geklappt“, sagt er.

Die Eltern wollen die Argumente des Forstamtleiters nicht gelten lassen: „Wir alle haben gewusst, dass unsere Kinder in dem Baumhaus an der Böschung spielen. Niemand hatte Angst, das dort etwas passiert. Im Gegenteil: Wir wussten, wo sie sind“, sagt Carolin Bizzer. Die Mutter ist überzeugt, dass sich die Kinder nirgendwo besser austoben können als im Wald. Und Thomas Heine bestätigt: „Das ist doch viel anregender als ein Spielplatz mit seinen vorgegebenen Möglichkeiten.“

Für fadenscheinig hält Andreas Weber das Argument der Sachbeschädigung durch Nägel, wenn man sieht „was die Waldarbeiter beschädigen, sobald sie mit schweren Fahrzeugen durch den Wald fahren“. Außerdem kritisiert er, dass das Baumhaus morgens um 7 Uhr abgerissen worden ist, ohne dass jemandem Bescheid gesagt worden sei – mit der Begründung, dass der Bauherr angeblich nicht ausfindig zu machen gewesen sei.