Batteriespeicher mit einer Kapazität bis zu 240 Kilowattstunden setzt die EnBW testweise an ihren Ladestationen auf dem Fasanenhof ein. Foto: Lichtgut/Piechowski

Wenn in Stuttgart nur noch Elektroautos unterwegs wären, würde die Spitzenlast um mehr als 200 Prozent steigen. Das hat die Hochschule für Technik errechnet. Doch es bleibt genug Zeit zu reagieren.

Stuttgart - Es ist ein interessantes Gedankenexperiment: Was würde passieren, wenn auf Stuttgarts Straßen plötzlich nur noch Elektroautos fahren würden? Dieser Frage sind Bastian Schröter, Professor an der Stuttgarter Hochschule für Technik, und seine Mitarbeiterin Sally Köhler in einer Kurzstudie nachgegangen. Das Ergebnis ist beruhigend und beunruhigend zugleich. Zum einen würde der gesamte Stromverbrauch in Stuttgart nur moderat um 15 Prozent beziehungsweise 621 Gigawattstunden steigen, obwohl täglich viele Tausend Elektroautos ihre Batterie aufladen. Zum anderen aber lägen die Lastspitzen morgens zwischen acht und neun Uhr und abends zwischen 18 und 20 Uhr – und das sind sowieso die Peaks im Stuttgarter Stromnetz: „Da könnte es zu Engpässen und im schlimmsten Fall zu einem Zusammenbruch des Netzes im Kessel kommen“, sagt Bastian Schröter.

200 000 Autos müssten geladen werden

Natürlich ist das nur eine theoretische Feststellung, denn die Umstellung auf 100 Prozent Elektroautos ereignet sich ja nicht über Nacht. Es bleiben also Jahrzehnte, um sich auf diesen Fall vorzubereiten. Doch die genannten Zielgrößen vermitteln einen Eindruck davon, worauf die Energieversorger hinarbeiten müssen. Derzeit, so der Professor der Fakultät Bauingenieurwesen, Bauphysik und Wirtschaft, gebe es in Stuttgart Lastspitzen um die 400 Megawatt – je nach Szenario könnten diese künftig zwischen 1000 und sogar 1800 Megawatt liegen. „Im Vergleich zu allen anderen technischen Neuerungen der vergangenen Jahrzehnte wirkt sich die Elektromobilität also enorm auf die Stromnetze aus“, so Schröter. Zugrunde gelegt hat die Hochschule für Technik eine realistische Zahl von bis zu 200 000 Fahrzeugen, die nach den Eckdaten der Stuttgarter Verkehrsströme an einem gewöhnlichen Werktag in der Stadt stehen – und geladen werden.

Um die Lastspitzen abzufedern, gibt es laut Bastian Schröter nach derzeitigem Stand drei Möglichkeiten. Erstens könnte man zusätzliche Gasturbinen installieren, die kurzfristig zugeschaltet werden. Zweitens ist hoffentlich die Batterietechnik irgendwann so weit, dass große stationäre Speicher entstehen, die man bei Bedarf anzapft. Drittens könne man teilweise heute schon über intelligente IT-Systeme die Ladevorgänge in einer Stadt steuern, damit nicht alle Fahrzeuge gleichzeitig ans Netz gehen. Was die günstigste Lösung wäre, kann die Hochschule für Technik nicht sagen: „Das wäre eine eigene Studie wert“, sagt auch Sally Köhler.

Mit genau dieser Fragestellung beschäftigen sich auch Energieversorger und die Netzbetreiber. In der Landeshauptstadt hat die Stuttgart Netze Betrieb GmbH im März ihre Anschlussbedingungen geändert und will seitdem verbindlich wissen, wenn Ladestationen installiert oder erweitert werden, die eine Leistung von mindestens 4,6 Kilovoltampere haben. Durch die Meldepflicht sollen Rückwirkungen auf das Netz beurteilt werden können.

EnBW testet Batteriecontainer

Die Energie Baden-Württemberg (EnBW), die Ladestationen in Stuttgart betreibt, untersucht zusammen mit der Uni Stuttgart in Netz-Laboren im Land die künftigen Anforderungen an die Infrastruktur. Am Standort Stöckach testet die EnBW mit ihrer eigenen Flotte von 27 E-Golfs, wie sich Spitzenlasten auswirken. In der EnBW-City, dem Bürostandort auf dem Fasanenhof, hat das Unternehmen aktuell einen Pufferspeicher installiert. Mit ihm, sagt der stellvertretende Konzernsprecher Sebastian Marx, könne man mehrere E-Autos schnell laden, ohne das Netz verstärken zu müssen. Der Batteriecontainer des Nürtinger Unternehmens ADS, der zu Schwachlastzeiten gefüllt wird, könne eingesetzt werden, wenn Kosten und Aufwand für den Netzausbau höher seien als dieser Power-Booster. EnBW will ihn an einem weiteren Standort im Stadtgebiet testweise einsetzen.

Das Unternehmen ADS empfiehlt das Modul mit einer Kapazität bis zu 240 Kilowattstunden auch für Wohnquartiere, wenn viele Haushalte ihren Solarstrom gemeinsam speichern wollen. Ganz so schnell wie politisch gewünscht wird es mit der E-Mobilität allerdings nicht gehen. Kanzlerin Angela Merkel räumte bei einem CDU-Kongress Mitte Mai ein, das postulierte Ziel von einer Million E-Autos bis 2020 sei nicht zu erreichen.