Aljona Sawtschenko und Bruno Massot: Auf dem Weg zum Erfolg warten viele Widrigkeiten Foto: Baumann

Das spannende am Sport ist, dass Ergebnisse nur unzureichend planbar sind. Das neue Eislauf-Paar Aljona Sawtschenko und Bruno Massot will zu Olympia-Gold laufen – dafür müssen sich die beiden nicht nur aufeinander einlassen, sondern sie haben gegen allerlei Widerstände zu kämpfen.

Stuttgart - Fünf Weltmeister-Titel, drei Europameister-Ehren, zwei olympische Bronzemedaillen, acht nationale Meisterschaften und als Sahnehäubchen 14 Grand-Prix-Erfolge hat Aljona Sawtschenko in ihrer Vita gesammelt. Er war 2012 französischer Paarlauf-Meister, damit endet die Liste der Meriten. Und deshalb sagt Bruno Massot: „Ich bin dankbar, dass ich die Chance bekommen habe, mit ihr zu laufen. Ich hätte keine bessere Partnerin finden können.“

Es ist auf den ersten Blick ein ungleiches Paar, das bei den Deutschen Eiskunstlauf-Meisterschaften auf der Stuttgarter Waldau außer Konkurrenz sein Kurzprogramm präsentiert. Sie, 30, in der Ukraine geboren, für Deutschland von 2004 an mit Robin Szolkowy das Aushängeschild im Paarlauf, gelegentlich kratzbürstig, dominant, von einem sowjetisch geprägten Ehrgeiz getrieben. Er, 25, Franzose aus Caen, einer von vielen im gallischen Verband, offenherzig, ambitioniert und noch mit sportlichen Träumen gesegnet. Aljona Sawtschenko weiß, dass sie ihren neuen Partner an der Hand nehmen muss, besonders neben der Eisfläche. „Er will seine Aufgabe besonders gut machen und setzt sich deshalb selbst unter Druck“, sagt die kleine blonde Frau ungewohnt milde, „er will im Vergleich mit Robin nicht schlecht abschneiden, und das hat er noch oft im Hinterkopf.“

Es ist das eine Ziel, das die erfahrene Diva mit dem Burschen aus der Normandie zu einer Schicksalsgemeinschaft verschweißt – der Olympiasieg bei den Winterspielen 2018. Aljona Sawtschenko fehlt diese höchste sportliche Erleuchtung noch, aber ihr Partner Szolkowy wollte die lange Pilgerreise nach Südkorea nicht mehr mitgehen. Bruno Massot sieht in dieser Konstellation seine einzige Chance, einmal ganz oben auf dem Olymp zu thronen. „Es ist eine Herausforderung für uns beide, eine Chance“, sagen sie unabhängig voneinander. Und dafür wollen sie, dafür müssen sie kämpfen, sich auf unbekanntes Terrain wagen.

Zuerst mussten sie sich aufeinander einlassen, sich als Paarlauf-Partner finden, ihr Leben in einer neuen Umgebung ordnen. Massot ist vor zwei Monaten von Caen nach Oberstdorf gezogen; und er weiß längst, dass der Zusatz „Dorf“ im Namen der Gemeinde vollkommen zutrifft. „Es ist übersichtlich und in der Eishalle sind mehr Ausländer als Deutsche“, sagt er verschmitzt, und Deutsch werde er auch lernen, was ihm „fast schwieriger erscheint als Olympia-Gold zu gewinnen“. Aljona Sawtschenko hat ihre Zelte in Chemnitz nach der Trennung von Trainer Ingo Steuer abgebrochen und findet Gefallen an der veränderten Situation mit Trainer Alex König. „Das Leben ist Veränderung, es ist gut, was Neues zu beginnen“, bekräftigt sie. Wie etwa ihr Nebenjob neben dem Paarlauf: Am 5. Januar rückt sie in die Sportkompanie der Bundeswehr in Sonthofen ein.

Die gegenseitige Findungsphase auf dem Eis ist erfolgreich beendet, das in der Eiswelt Waldau gebotene Kurzprogramm war nicht grandios, das konnte es in dieser kurzen Zeit gar nicht sein, doch es bietet eine solide Grundlage. Nun beginnt der Feinschliff, die Suche nach dem eigenen Stil, vor allem die Suche nach einer Kür – es wird die Schicksalsmelodie des Eislauf-Paares Aljona Sawtschenko und Bruno Massot. Denn die beiden Partner können planen und trainieren, wie sie wollen; sie sind vorerst abhängig vom Plazet des französischen Verbandes. Der macht dem Paar, das für Deutschland starten will, das Leben zusätzlich schwer.

Die Franzosen sagen strikt „non“ zu Massots Freigabe, was bedeutet, dass das Paar weder in Wettkämpfen noch bei Shows laufen darf. Mindestens bis März 2015, der französische Verband pocht gar auf eine längere Auszeit – nun hat die Deutsche Eislauf-Union (DEU) den Weltverband ISU angerufen. „Die Saison hat heute in Stuttgart begonnen und endete nach dem Kurzprogramm wieder“, sagt Bruno Massot. Galgenhumor, anders lässt sich das Gezerre um seine Person nicht ertragen. Es ist nicht nur ein mentales Hemmnis, auch ein wirtschaftliches. „Wir können kein Geld verdienen, weil wir bei Shows nicht laufen dürfen“, stöhnt die Deutsche, „wir leben vom Ersparten.“

Beide wissen, dass Klagen ihre Lage nicht verbessert – also machen sie das Beste draus. „Wir haben viel Zeit zum Trainieren“, sagt der 25-Jährige und lächelt. Der Weg auf den Olymp war eben noch nie ein Spaziergang – Aljona Sawtschenko und Bruno Massot können ihn nur gemeinsam bewältigen. Und beide wissen: Es ist ihre einzige Chance. Gelingt der Aufstieg nicht, ist sie wahrscheinlich zu alt für einen neuen Anlauf und er ist womöglich als Versager abgestempelt.