Carolin (12), Tatjana (17) und Jonathan Hess (15) verbringen einen großen Teil ihrer Freizeit beim Training auf dem Eis. Foto: Cedric Rehman

Vier Geschwister trainieren auf der Waldau für Wettkämpfe im Eiskunstlauf. Auch mitten im Sommer dreht sich bei ihnen alles um den Sport auf frostigem Untergrund.

Degerloch - Das Kratzen der Kufen auf dem Eis ist nur zu hören, wenn die Musik mal ausgeschaltet ist. Das ist sie aber in der Eishalle auf der Waldau immer nur für einen Moment. Dann tönen wieder die Melodien des Musicals „Phantom der Oper“ oder aktuelle Hits aus den Charts aus den Boxen. Sie verschlucken alle Geräusche, und die Eiskunstläufer scheinen über die weiße Fläche zu schweben.

Einer von ihnen ist der 15-jährige Jonathan Hess. Er habe Chancen, an der Jugendolympiade im norwegischen Lillehammer im Februar 2016 teilzunehmen, sagt seine Mutter – nicht ohne Stolz. Sie steht auf der Tribüne in der Eiswelt auf der Waldau. In der Tasche hat sie eine Decke. „Auf der Tribüne ist es nicht ganz so kalt, je weiter entfernt die Eisfläche ist, desto angenehmer sind natürlich die Temperaturen“, sagt Petra Hess. Angenehm bedeutet, dass sie vielleicht nicht ihre Decke umlegen muss. Denn auch einige Meter über der Eisfläche ist zu spüren, dass am Boden Gefrierschranktemperatur herrscht.

Auch der jüngste Sohn übt schon ein bisschen

Jonathan Hess scheint fast über das Eis zu fliegen. Plötzlich hält er mitten in der Bewegung inne und beginnt, sich wie ein Kreisel zu drehen. Dabei geht er in die Knie und krümmt den Rücken, so dass er aussieht wie ein Käfer, der sich auf dem Eis in irrem Tempo um sich selbst dreht.

Petra Hess hat aber nicht nur ihren 15-jährigen Sohn im Blick. Auf der Eisfläche drehen auch ihre 17-jährige Tochter Tatjana und deren zwölfjährige Schwester Carolin ihre Runden. Alle drei Kinder haben sich bereits bei Meisterschaften auf der Landes- und Bundesebene gemessen und auch Siege gefeiert. Der achtjährige Lennart, der jüngste Sohn der Familie, hat auch schon mit dem Eiskunstlauf beim tus begonnen. Er trainiert aber noch nicht für Wettkämpfe wie seine älteren Geschwister.

Haben die Hess-Kinder ein Eiskunstlauf-Gen geerbt? Tatjana, die Älteste der vier Geschwister, führt die Begeisterung für den Eiskunstlauf auf die typische Dynamik zwischen Geschwistern zurück. „Ich habe angefangen, und mein Bruder wollte dann auch.“

Sprungübungen statt Schwimmbad

Später sei es die Schwester Carolin gewesen, die gebrüllt habe, weil sie noch zu klein war, um wie ihr Bruder und ihre Schwester über das Eis zu gleiten. Letztlich hatte auch der jüngste Bruder das Gefühl, dass er erleben will, was den Geschwistern so viel Spaß macht.

Den Spaß gibt es aber nicht umsonst. Die Geschwister trainieren viel, und das heißt, sich einer strengen Disziplin zu unterwerfen. Zum Beispiel: ohne Murren die Schlittschuhe zu schnüren und unter dem strengen Blick der Trainerin Christel Hacker Schritte und Sprünge zu üben, während Freunde und Klassenkameraden vielleicht gerade auf ihrem Handtuch im Schwimmbad liegen. Mitten im Sommer dreht sich bei den vier Geschwistern alles um den Sport auf frostigem Untergrund.

Tatjana Hess findet es nicht seltsam, für einen Wintersport zu trainieren, während andere schwitzen. „Das ist eine tolle Abkühlung in der Halle, und draußen kann ich mich dann wieder aufwärmen.“ Ihre Schwester Carolin hat noch etwas Kurzärmeliges an. Aber sie hat sich auch noch nicht für das Training umgezogen.

Auf der Eisfläche tragen die jungen Sportler Funktionskleidung. Die hält warm, aber nicht zu warm. Denn der Sport auf dem Eis ist anstrengend. Die Eiskunstläufer springen mitten im Lauf oder drehen ihre Pirouetten. Das beansprucht jeden Muskel. Eine Trainingseinheit ist deshalb nicht länger als 50 Minuten. Die vier Geschwister opfern für ihren Sport nicht nur Zeit, die sie auf einem Badetuch oder im Schwimmbecken verbringen können. Wer Eiskunstlauf professionell betreibt, muss fit bleiben. Neben Konditionstraining geht es dabei auch um die Ernährung. „Eis im Sommer geht nicht“, erklärt die Mutter Petra Hess.

Sie achtet darauf, dass die Kinder bei allem Ehrgeiz nicht die Bodenhaftung verlieren. „Früher gab es eine klare Regel: Erst Schulaufgaben, dann Sport“, sagt die Mutter. Dennoch: Die Begeisterung für den Eiskunstlauf gönnt Petra Hess ihren Kindern. Dass dieses Hobby zur Leidenschaft für den Sport auf Kufen wird, kam nicht überraschend für sie. Petra Hess hat immer gern Eiskunstlauf im Fernsehen gesehen. Das hat ihre Tochter Tatjana fasziniert.

Heute hat Petra Hess es mit vier Kindern zu tun, die ihre Freizeit zu einem guten Teil auf dem Eis verbringen. In der Familie gebe es aber eine Regel, sagt sie. „In den ersten Wochen der Sommerferien ist für unsere Familie eiskunstlauffreie Zeit“, sagt sie. Dann gibt es kein Training, und die Mutter will nichts hören von Schlittschuhen und Pirouetten.

Ihre Kinder holen in dieser Zeit Atem, bevor es im Spätsommer wieder losgeht mit der Vorbereitung auf anstehende Wettkämpfe. Und mit dem Dahingleiten auf dem Eis, das so mühelos wirkt.