„Man muss auch mal nachgeben. Aber Beide!“, sagen Rosa und Walter Nachlinger mit Blick auf ihre lange Ehe. Foto: Georg Linsenmann

Rosa und Walter Nachlinger feiern das Fest der eisernen Hochzeit. Nach 65 Jahren Ehe sind sie stolz auf das, was sie im Leben geleistet haben.

Botnang - Glücksfall. Dieses Wort fällt oft, wenn Rosa und Walter Nachlinger in ihrer Wohnung über ihre 65 Jahre Ehe sprechen: aus Anlass der offiziellen Gratulationscours mit Glückwünschen und Urkunden von Oberbürgermeister Fritz Kuhn und Ministerpräsident Winfried Kretschmann, von Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer übermittelt. Gleichwohl überkommen Walter Nachlinger gemischte Gefühle, als er das Wort zum ersten Mal gebraucht. Denn was sich im Nachhinein als glückliche Fügung des Geschicks erwies, das war zunächst ein sowohl historische also auch private Katastrophe: die Vertreibung aus vormals deutschen Ostgebieten infolge des Zweiten Weltkrieges. Er aus dem Böhmerwald, sie aus Südmähren.

Dass sie beide dann aus dem „überfüllten“ Bayern nach Württemberg abgeschoben wurden, das war der nächste Glücksfall. Denn nur so konnten sie sich kennenlernen: beim Tanz in der Wärmestube des Auffanglagers Ludwigsburg. Ein Ereignis, von dem der Jubelbräutigam mit anhaltender Begeisterung erzählt: „Sie war eine tolle Tänzerin. Es war nicht leicht, sie zu kriegen, denn die Kerle sind bei ihr Schlange gestanden.“ Er hat es geschafft: „Der erste Tanz, das war Liebe auf den ersten Blick.“ Rosa Nachlinger nickt, schmunzelt und leuchtet still in sich hinein. Das Tanzen war ihnen dann eine lebenslange Freude. Sie hat den Walzer bevorzugt, er den Tango, wofür er eine sehr männliche Begründung hat: „Da ist man enger beieinander.“

„Wir sind stolz auf das, was wir aufgebaut haben“

Eng beieinander blieben sie auch so, auch beruflich. Denn Walter Nachlinger reüssierte bei der Firma Zaiser in Zuffenhausen als Aufzugsmonteur, war viel auf Montage und wurde „von den Kunden ermuntert“, sich selbstständig zu machen. So gründete er im Jahre 1973 eine Firma für Aufzug- und Fahrtreppenservice, in der seine Frau Telefondienste übernahm. Bis vor einem Jahr hat Walter Nachlinger in der Firma mitgearbeitet, die nun seinem Sohn gehört: „Ja, wir sind stolz auf das, was wir aufgebaut haben. Da haben sehr viele aus der Familie mitgeholfen“, betont das Jubelpaar unisono.

Wie aber kann eine Ehe nicht nur so lange halten, sondern auch Beiden Erfüllung sein? „Man muss auch mal nachgeben. Aber Beide!“, sagt die 83-jährige Rosa, was ihr 86-jähriger Ehemann, das geborene Erzähltalent, bestätigt. Wichtig aber auch: Jeder brauche seinen eigenen Bereich. Er hatte und hat „sein Leuze“, zudem das Pilzesammeln. Sie pflegte die Geselligkeit beim Kegeln, bis vor einem Jahr. Dass beide noch rüstig sind, sieht Rosa Nachlinger so begründet: „Man muss sich betätigen. Sonst rostet man.“

Ein Motto, mit dem sie sich auch aus karger Zeit herausgearbeitet haben. Das schöne Hochzeitskleid etwa, das auf dem alten Hochzeitsfoto in Schwarz-Weiß noch immer elegant wirkt, hatte sich die Braut von einer Arbeitskollegin geliehen. Nun freuen sie sich auf das Fest am morgigen Samstag, mit rund 40 Verwandten. Darunter natürlich die beiden Kinder, vier Enkel, drei Urenkel. Und mit den „zwei Schwestern aus Amerika“, die dort ihr Glück gefunden haben, wie Walter Nachlinger betont. So ist das Fest zur eisernen Hochzeit auch ein wenig dies: eine Ansammlung von Glücksfällen.