Foto: Wilhelma

Für Fachleute der Wilhelma ist plötzlicher Tod eines Eisbären nichts Ungewöhnliches.

Stuttgart - Der Schock aller Eisbärenfans sitzt weiter tief. Knut ist tot. Aus Stuttgarter Sicht gibt es einen kleinen Trost. Nach allem, was man aus Schweden mitbekommt, geht es Wilbär im Bärenpark Orsa gut. Vor zwei Jahren war er von der Wilhelma nach Schweden ausgewandert. Jetzt hat er sich verliebt.

Irgendeiner hält immer eine Kamera drauf. Und so lässt sich der Tod von Knut in einschlägigen Internetportalen nachträglich live verfolgen. Erst dreht sich der vierjährige Eisbär orientierungslos im Kreis, dann fällt er nach hinten ins Wasser. Verzweifelt versucht er im Todeskampf seinen Kopf oben zu halten. Vergeblich. Nach kurzer Zeit steigen nur noch Luftblasen auf, sein Körper schwimmt leblos im Wasser. Das jähe Ende eines Publikumslieblings.

"Wilbär geht es prächtig"

Aufgewühlte Menschen legen auch am Montag noch Kerzen und Abschiedsbriefe vor seinem Gehege nieder. Über 2500 haben sich bis zum Abend ins Gedenkbuch eingetragen, das der Berliner Zoo auf seiner Internetseite eingerichtet hat. "Auf der anderen Seite des Regenbogens siehst du endlich deinen Ziehpapa Thomas Dörflein", schreibt etwa Marion E. Konkrete Ergebnisse der Obduktion des Kadavers werden frühestens heute erwartet. Dann soll Klarheit darüber herrschen, woran Knut so plötzlich gestorben ist.

Angesichts dieser traurigen Nachricht stellt sich aus Stuttgarter Sicht natürlich die Frage, wie es um Wilbär derzeit steht. "Wilbär geht es prächtig, aber er kämpft gerade mächtig mit den Hormonen", sagt Pernilla Thalin, Pressesprecherin des Bärenparks Orsa Grönklitt. Wilbär war vor zwei Jahren von der Wilhelma in Stuttgart nach Orsa 300 Kilometer nördlich von Stockholm versetzt worden. "Nichts deutet auf gesundheitliche Probleme hin", sagt Isabel Koch, Kuratorin der Wilhelma, die regelmäßig Kontakt zum schwedischen Bärenpark pflegt. In dem riesigen Freigehege mit eigens aus Schneekanonen aufgeschüttetem Schneeberg darf er nach Herzenslust herumtollen und in einem Weiher Fische fangen. Und in Sachen Liebe hat sich womöglich auch etwas getan. Seine fünfjährige Partnerin Ewa, die aus dem Zoo in Rotterdam gekommen war, ist vielleicht schwanger. "Sie ist im Winter in ihre Höhle gekrochen, und das tun Eisbärinnen eigentlich nur für einen Zweck", sagt Thalin.

1989 stirbt vierjähriger Eisbär in der Wilhelma

Sie warnt aber vor übertriebenen Erwartungen. Denn die europaweit 176 in Gefangenschaft lebende Eisbären bringen nur 25 Jungen pro Jahr zur Welt, von denen wiederum nur zehn bis zum Erwachsenenalter überleben. Auch in Freiheit ist die Aufzucht nicht immer von Erfolg gekrönt. Grund dafür ist, so Isabel Koch, dass die Eisbärenmütter wahnsinnig viel Engergie in den Nachwuchs investierten. "Wenn die merken, es lohnt sich nicht, dann töten sie ein Junges lieber."

Den Fall Knut haben die Tierschützer erneut zum Anlass genommen, das Halten von Eisbären in Zoos generell kritisieren. Knut, der sich das Gehege zuletzt mit drei Eisbärendamen geteilt habe, sei über Monate hinweg gemobbt worden, heißt es in einer Stellungnahme der Tierschutzorganisation Peta. Immer wieder habe er von den aggressiven Eisbärinnen Prügel bezogen und sei isoliert worden. "Wir fordern erneut einen sofortigen Zuchtstopp für Eisbären in deutschen Zoos", so Peta. Zoochef Bernhard Blaszkiewitz habe die Tiereinrichtungen Berlins zu Dreckställen verkommen lassen. Blaszkiewitz weist die Kritik am Montag umgehend zurück. Es sei völlig klar, dass Knut nicht in einer Stresssituation gestorben sei. Die Gruppenhaltung mit drei Weibchen sei damit nicht in Verbindung zu bringen.

Kein neuer Wilbär in der Wilhelma in Sicht

Auch Isabel Koch von der Wilhelma geht nicht von einer falschen Haltung Knuts aus. "Eisbären sind halt grob, da gibt es auch mal ein paar Watschen", sagt sie. Bei permanentem Mobbing hätte man die Eisbären sicher getrennt. Sie erinnert sich an einen ähnlich tragischen Fall wie Knut, der sich in Stuttgart zugetragen hat. Der 1989 in Köln geborene Eisbärenjunge Viktor kam im Alter von zwei Jahren an den Neckar, mit vier Jahren sei er ohne ersichtlichen Grund gestorben. Die anschließende Obduktion ergab, dass der Eisbär an einem angeborenen Herzklappenfehler litt. "Das gibt's quer durch die Tierwelt mal", sagt Koch. Schließlich komme ein Wildtier ja nicht zum Pfleger und sage, wo es wehtue.

Während in Orsa zumindest vage Hoffnung auf einen neues Eisbärenbaby keimt, ist in der Wilhelma ein neuer Wilbär derzeit nicht in Sicht. Corinna und Anton haben zwar den Frühling eingeläutet und paaren sich zur Zeit. Ob daraus ein kleines weißes Wollknäuel wird, steht aber noch lange nicht fest.