Herrenbergs Altstadt ist so malerisch wie menschenleer. Foto: factum/Granville

Der Oberbürgermeister scheitert mit einem Konzept gegen das Siechtum der Altstadt. Ob mehr als zwei Jahre Vorbereitungszeit vergebens waren, soll sich im Herbst zeigen.

Herrenberg - Die Notwendigkeit ist ebenso unbestritten wie unübersehbar. Am Eingang zu Herrenbergs Altstadt vereint sich ein Kneipen-Triumvirat. An den Tischen im Freien plaudern ein paar Griechen. Gegenüber bestellt ein Rentner einen Schnaps. Weil kaum etwas zu tun ist, spielt der Wirt drinnen mit seinen Gästen Dart. Rechts den Berg hinab harren eine Edeka- und eine Deichmann-Filiale der Kundschaft. Geradeaus, die malerische Gasse entlang, lässt es sich trefflich schlendern. Gesäumt ist sie von inhabergeführten Läden, in denen es vieles gibt, was es sonst nirgendwo gibt, und manches, was es überall gibt. Wie im obligatorischen Handyladen.

Nur schlendert hier kaum jemand, jedenfalls nicht an Werktagen. Der Oberbürgermeister eilt heran, auf dem Weg vom Rathaus zur Gemeinderatssitzung drunten in der Alten Turnhalle. Thomas Sprißler ist sein Amt schon mit dem Willen angetreten, die Altstadtgassen zu beleben. In den vergangenen zweieinhalb Jahren hat er an einem Konzept tüfteln lassen. Mitglieder des Gewerbevereins und Rathausbedienstete haben es skizziert. Eine Marketinggesellschaft aus Aalen hat es verfeinert.

Der Gemeinderat lässt das Konzept durchfallen

In einer Stunde wird Sprißler ahnen, dass die Zeit der Vorbereitung verloren ist. Eine Dreiviertelstunde der Diskussion später wird er wissen: der Gemeinderat lässt das Konzept durchfallen. Ungeachtet der Vorbereitungszeit, das ist einer der Hauptkritikpunkte, sei nicht ausreichend mit den Einzelhändlern gesprochen worden. Sie fühlten sich von der Stadt vernachlässigt. Den Gewerbeverein als Interessenvertretung zu beteiligen, reiche nicht aus. Daran änderte weder eine eilig nachgeschobene Seite zur Erklärung des Vorhabens etwas, noch eine herzhafte Verteidigungsrede Sprißlers. „Wer nicht aufs Spielfeld geht, hat schon verloren“, mahnte er.

Selbstredend hat die Stadt Herrenberg das Problem nicht allein. Konzernfilialen verdrängen inhabergeführte Läden. Der Internethandel verdrängt Konzernfilialen. So ist es sinngemäß in den Gemeinderatsunterlagen niedergeschrieben. Selbst im historischen Bohnenviertel, im Herzen von Stuttgart gelegen, klagen die Einzelhändler und Gastronomen, dass die Fußgängerströme an ihnen vorbeigehen. Laut dem Milaneo-Management drängen sich im Konsumtempel hinter dem Stuttgarter Hauptbahnhof Tag für Tag sogar Kunden aus Göppingen oder Heilbronn. 20 000 Menschen täglich strömen in das Einkaufszentrum Mercaden am Böblinger Bahnhof. Dessen Management erfreut die Erkenntnis, dass die Kundschaft aus dem gesamten Landkreis anreist – selbstredend leidet darunter der Umsatz des Einzelhandels andernorts.

Die Altstadt sollte im Miteinander belebt werden

In Herrenberg sollte – wie stets – auch die Altstadt im Miteinander belebt werden, dies mit der Hilfe eines professionellen Managements. Ein Verein sollte gegründet werden, hauptamtlich geführt von einem Mitarbeiter jener Marketinggesellschaft. Der Verein sollte zunächst versuchsweise für ein Jahr arbeiten – ausgestattet mit einem Etat von 110 000 Euro. 50 000 davon sollte die Stadt tragen, 10 000 wollte der Gewerbeverein zahlen. Den Rest erhofften sich die Vordenker von Banken und größeren Unternehmen, die 2500 Euro Mitgliedsbeitrag zahlen müssten. Darüber hinaus könnte jeder beitreten, dem das Wohl der Altstadt wichtig ist, gleich ob als Geschäfts- oder Privatperson, für einen Jahresbeitrag in Höhe von 200 Euro. In der großen Gemeinschaft, das war die Hoffnung, würden die rettenden Aktionen erdacht und vollbracht werden.

Allerdings sind die Einwände vielfältig. Den Sozialdemokraten ist das Konzept zu einseitig auf den Handel ausgerichtet. Die Christdemokraten mahnten, dass bereits zwei ähnliche Vereine gescheitert waren. Der Frauenliste war der Preis für den hauptamtlichen Vereinsmanager zu hoch. Dies war allerdings eine Einzelmeinung. Die erfreuliche Botschaft aus der Sicht des Stadtoberhaupts: „Wir wären schon bereit, Geld in die Hand zu nehmen.“ So sagten es wortgleich Sarah Holczer für die Sozial- und Markus Speer für die Christdemokraten. Wofür, darüber soll im Herbst erneut beraten werden. Womit das Spielfeld einstweilen so leer bleibt wie die Altstadtgassen.