Lena Beck (li.) und Stefanie Schwalenberg haben ein Stoffgeschäft eröffnet. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der inhabergeführte Einzelhandel stirbt aus? Einige Damen aus dem Stuttgarter Westen beweisen das Gegenteil. Zu Besuch im Hummelhonig, bei Pe Tea und bei William.

Stuttgart - Zu hohe Mieten, sinkende Kaufkraft und Konkurrenz aus dem Internet – wer heute allein ein Geschäft eröffnet, muss verrückt sein. Kleine Lädchen, die von Inhabern selbst geführt werden, verschwinden aus den Fußgängerzonen.

Die Leidenschaft zum eigenen Produkt lässt manche Hürde überwinden

Die Geschichte so anzufangen, findet Karin Mauch „trostlos“, sagt sie ehrlich. Denn: „Ich hatte keine Angst davor, meinen Laden zu eröffnen.“ Ihre Leidenschaft war aber auch größer als die Angst: „Ich liebe Accessoires. Und ich wollte sie selbst verkaufen.“ Vor einem Jahr hat sie am Rosenbergplatz 1 ihr Geschäft „William“ eröffnet. Bei Mauch gibt es alles, was man nicht dringend braucht, aber gerne haben will: schöne Seifen, ein handgemachtes Schachbrett, Lederwaren, Taschen oder Handschuhe. „Alles, was man sich selbst oder seinen Lieben schenkt“, umschreibt die Mutter dreier Kinder ihr Angebot.

Nur: Es müssen Produkte sein, die sonst keiner hat. „Die Leute müssen einen Grund haben, zu mir zu kommen“, sagt Mauch. Der Kassenschlager waren im letzten Winter knallbunte Handschuhe – in gelb oder rot – für Männer. „Die fanden das wirklich flott.“ Wenn etwas nicht läuft, nehme sie es einfach aus dem Sortiment. „Ich bin ja zum Glück kein Gemüseladen und muss nicht jeden Tag Salat verkaufen.“

Ein Laden allein, reicht nicht mehr – Einzelhändler brauchen ein ganzes Konzept

Petra Pfeiffer verkauft kein Gemüse, aber dafür Tee. Und auch wenn der Bio ist, lockt der allein kaum jemand in ihr vor kurzem eröffnetes Geschäft „Pe Tea“ an der Johannesstraße 63. Ihre Idee: „Mir gefällt Kunst und es war immer mein Traum, ein Teeladen zu haben.“ Mit Vernissagen und Lesungen unterstützt sie Künstler und Autoren aus Stuttgart. In einem Teil ihres Ladens hat sie eine „Do-it-youself“-Ecke eingerichtet. „Die Sachen kommen von wechselnden, kleinen Herstellern.“ Sie hofft, dass sich ihr Laden mit den drei Bausteinen Tee, Handarbeit und Kunst abhebt.

Ein Glücksfall war für sie die Immobilie. Die ehemalige Apotheke liegt an der Ecke Rosenberg-/ Johannesstraße; dort kommen viele Passanten vorbei, die sich draußen an die paar Tischchen setzen und von Pfeiffers selbstgemachtem Eistee probieren. Die Lage macht etwas aus. Davon ist sie überzeugt: „So ein Geschäft funktioniert nur im Westen.“

Alle Altersschichten, Künstler, Hipster und gutverdienende Familien mit alternativem Konsumanspruch sind ein Grund, warum sich inhabergeführte Läden ausgerechnet dort ansiedeln. Oder wie es die „Schätze des Westens“ – eine Vereinigung von Künstlern, Designern und Kleinkunsthandwerkern es nennen: „Wenn der Westen ein Haus wäre, wäre es bunt, quirlig, lebendig, offen, einladend.“

Der Westen gilt in Stuttgart als besonderer Ort für Selbstständige und Kreative

Die Vielzahl von kleinen Ateliers, Geschäften und Werkstätten bereichern sich gegenseitig. Eine dieser Schätze ist der „Hummelhonig“. Der Name täuscht etwas, die vier Inhaberinnen verkaufen keineswegs Honig, sondern Stoffe und Schnittmuster. Im Gegensatz zu Karin Mauch und Petra Pfeiffer haben sie ihr Projekt „eigener Laden“ so begonnen, wie viele das heute tun. Sie hatten eine Idee und haben erst einmal einen Online-Shop aufgebaut. Irgendwann wurde der immer größer und komplexer“, erzählt Lena Beck. „Wir hatten kein Lager und kein Büro“, ergänzt ihre Kollegin Stefanie Schwalenberg.

Im April haben sie an der Gutbrodstraße 40 eröffnet. Bisher laufe es recht gut, sagt Schwalenberg. Man habe viele Stammkunden. Handarbeit, besonders Nähen, ist ein Megatrend derzeit, doch zu viert von so einem Laden leben, geht das? „Noch nicht ganz“, gesteht Schwalenberg. Aber sie wollten ihren Traum leben und ihr Hobby zum Beruf machen. Nähen tun sie alle gerne. „Wobei ich wohl der Nerd unter uns bin. Ich nähe wirklich am meisten“, sagt Beck. Die Turnbeutel, Babyhosen oder Kinderkleider gibt es auch im Laden zu kaufen.

Von der Kita-Gründung zum eigenen Laden

Die vier Gründerinnen stammen alle einst aus dem Westen, den Laden dort zu eröffnen, war naheliegend. „Und im Bezirk bewegt sich viel, das steckt auch immer wieder andere an“, sagt Schwalenberg.

Außerdem kennen sie sich dort auch mit eigenständigen Projekten gut aus. Vor ein paar Jahren haben sie gemeinsam eine Kindertagesstätte gegründet, die Stadtpiraten im Stuttgarter Westen. „Die läuft jetzt, dann war uns langweilig“, sagt Beck.