Ein Arbeiter legt im Werk Peking letzte Hand an eine Mercedes-C-Klasse an Foto: Daimler

Fast 30 000 Autos hat Daimler im vergangenen Jahr allein in China verkauft – mehr als in jedem anderen Land. Nun wird der Konzern wohl auch einen Großaktionär aus China erhalten.

Stuttgart - Offiziell erklärt der Stuttgarter Daimler-Konzern zwar immer wieder tapfer, er sei mit seinen Aktionären zufrieden. So auch jetzt wieder: „Wir haben eine gesunde Balance zwischen deutschen, europäischen, asiatischen und nord-amerikanischen Investoren“, erklärte ein Sprecher zu der Nachricht, wonach der chinesische Kooperationspartner Baic plant, zu einem der größten Aktionäre des Autoherstellers zu werden. Doch die Erleichterung ist mit Händen zu greifen: „Baic ist unser wichtigster Partner in China, und uns verbindet eine enge Kooperation.“ Daimler wolle weiter attraktiv für potenzielle langfristige Investoren sein. „Dabei sind uns auch Investoren aus China willkommen.“

Tatsächlich gibt es für die Stuttgarter Schlimmeres als das Interesse eines Unternehmens, mit dessen Tochtergesellschaft Baic Motor man schon seit fast zehn Jahren ein Gemeinschaftsunternehmen betreibt. Dieses hat inzwischen weit mehr als 500 000 Autos für den chinesischen Markt gebaut und vor allem in den vergangenen Monaten deutlich an Tempo zugelegt. Dank neuer Modelle wie der C-Klasse, die es für China in einer eigenen Langversion gibt, und des Kompakt-Geländewagens GLA hat der Konzern seine Marktanteile deutlich gesteigert und viel Boden gegenüber den Rivalen BMW und Audi gutgemacht, die weit früher auf China gesetzt hatten und sich damit einen Vorsprung erarbeiteten. „China wird für Daimler zum zweiten Heimatmarkt“, sagt der Autoexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach.

Bereits vor gut zwei Jahren hatte sich der Stuttgarter Konzern an der Baic-Tochter Baic Motor beteiligt und damit zugleich als Vorzeige-Investor deren Börsengang gefördert. Nun plant Baic im Gegenzug eine Beteiligung an Daimler. Deren Höhe wird zwar nicht benannt – chinesische Medien zitieren Baic-Chef Xu Heyi Medien allerdings mit der Aussage, man wolle einer der größten Anteilseigner des Konzerns werden. Bisher ist der größte Aktionär der Staatsfonds von Kuwait, der 6,8 Prozent der Anteile hält, gefolgt von den Kooperationspartnern Renault und Nissan, die über 3,1 Prozent verfügen.

Daimler fehlt ein starker Ankeraktionär

Mehr als 90 Prozent gehören somit zum „free float“ und können an der Börse gehandelt werden. Ein finanzstarker Investor, der es auf den Konzern abgesehen hat, könnte somit jedoch zumindest theoretisch ausreichend Aktien zusammenkaufen, um Daimler zu übernehmen. Vor allem in Zeiten niedriger Börsenkurse keimen daher immer wieder Spekulationen auf, wer es auf Daimler abgesehen haben könnte. Für Konzerne wie Google oder Apple wären nicht einmal die heutigen Aktienkurse eine Hürde.

Deshalb hat das Management ein starkes Interesse an einem starken Ankeraktionär – und dürfte auch neidisch auf die Wettbewerber BMW und Audi sein, bei denen jeweils stabile Mehrheitsverhältnisse herrschen. BMW befindet sich in der Hand der Familien Quandt und Klatten, Audi gehört fast vollständig zum VW-Konzern, der seinerseits mehrheitlich von der Porsche SE beherrscht wird, hinter der wiederum die Familienstämme Piech und Porsche stehen.

Der Versuch mit Abu Dhabi ging schief

Doch nicht immer hatte der Konzern ein glückliches Händchen bei der Suche nach langfristig orientierten Investoren. Als 2009 der Staatsfonds des arabischen Emirats Abu Dhabi einstieg, wurde er von Konzernchef Dieter Zetsche geradezu überschwänglich begrüßt. Es handle sich um einen Großaktionär, der „mit uns gemeinsam strategische Projekte auf den Weg bringt“. Gemeinsam wollten Daimler und die Araber ihre Abhängigkeit vom Öl reduzieren und in Zukunftstechnologien investieren; Daimler sagt den Arabern gar zu, eine Ausbildungseinrichtung für junge Menschen zu schaffen, die „eine Position in der Automobilindustrie anstreben“.

Bald aber machten Nachrichten die Runde, Abu Dhabi habe einen Großteil der Aktien verliehen. Dann wurde der Ausstieg aus der gemeinsamen Beteiligung am amerikanischen E-Auto-Hersteller Tesla verkündet; schließlich stieg das Emirat sang- und klanglos aus. Nicht ohne einen satten Gewinn mitzunehmen, denn der Staatsfonds war mitten in der Finanzkrise eingestiegen, als der Aktienkurs bei 20 Euro lag. Zum Vergleich: Heute notiert das Papier trotz der Börsenkrise in China bei rund 73 Euro. Immerhin – auch Daimler steigt gelegentlich aus einem langfristigen Engagement aus. Von den Aktien an Tesla, ebenfalls ein strategischer Partner, trennte sich das Unternehmen ebenfalls – nicht ohne einen satten Gewinn mitzunehmen.

Bei Baic könnte es nun anders werden – schließlich sind die beiden Unternehmen seit langem durch eine gemeinsame Autoproduktion miteinander verbunden. Die Kapitalverflechtung sichert Baic zusätzlichen Einfluss auf die Stuttgarter – über die Mitspracherechte hinaus, die die Chinesen ohnehin durch ihre 51-Prozent-Beteiligung am gemeinsamen Autobauer BBAC haben. Autoexperte Bratzel hält es sogar für möglich, dass Baic einmal in den Aufsichtsrat der Stuttgarter einzieht. Den Stuttgartern könne diese enge Verflechtung nur nützen. Denn vor überraschenden Entscheidungen der Politik sei man in China nie gefeit. Je besser man dort vernetzt sei, desto geringer sei das Risiko solcher Überraschungen.