Bunte Schultüten, aufgeregte Kinder: die Erstklässler bei der Einschulung Foto: Lichtgut/Jan Reich

Der Reigen der Einschulungstermine ist am Mittwoch in Uhlbach eröffnet worden. Für 4491 ABC-Schützen beginnt in diesem Jahr das Schülerleben. In Uhlbach wartet nun auf die Zweitklässler eine besondere Aufgabe.

Stuttgart - Leuchtend gelbe Pfirsiche sind fächerförmig angerichtet, in der Mitte blauviolette Zwetschgen, die Platten randvoll mit Hefezopf und Brezeln. Seit 8 Uhr haben die Mütter der Zweitklässler das Büfett vorbereitet, so ist es alte Sitte droben in Uhlbach, wenn die Erstklässler kommen.

Der erste Einschulungstermin dieses Jahres in Stuttgart mobilisiert in Uhlbach nicht nur Erwachsene. „Mein erster Sohn ist jetzt in der zweiten Klasse und war ganz aufgeregt, dass er heute ein Patenkind bekommt und dafür Verantwortung übernehmen darf“, sagt Christa Sonnleitner.

Vollere Klassen

Das Patenmodell ist einem besonderen Konzept geschuldet: Die Uhlbacher Grundschule ist eine von sieben Stuttgarter Schulen, die Erst- und Zweitklässler gemeinsam in einer Klasse unterrichten. „Wir haben durchweg gute Erfahrungen damit gemacht“, sagt Daniela Stavrakidis, deren Ältester inzwischen die zehnte Klasse besucht. „Die Kinder achten aufeinander und lernen voneinander.“

Einschulungsfeiern sind in dieser Woche an allen 72 öffentlichen Grundschulen Stuttgarts geplant. 180 erste Klassen wird es geben in diesem Schuljahr, und sie sind voller denn je. Während zum Schuljahr 2012/13 noch mit durchschnittlich 21 Kindern eine Klasse gebildet wurde, sind es in diesem Herbst schon 24,5 Kinder.

Ursache dafür ist der Lehrermangel, der insbesondere die Grundschulen und Sonderpädagogischen Bildungszentren (Sonderschulen) trifft. 14 Pädagogenstellen konnte das Staatliche Schulamt in diesem Herbst nicht besetzen, die Unterrichtsversorgung sei „auf Kante genäht“, hatte Schulamtsleiterin Ulrike Brittinger erst kürzlich vor der Presse eingeräumt. Die Krankheitsreserve sitzt längst nicht mehr auf der Ersatzbank, sondern ist schon voll im Einsatz. Für eine erkrankte Klassenlehrerin hat es in Uhlbach deshalb keinen Ersatz gegeben am Mittwoch, dort übernahm die Rektorin kurzerhand selbst.

Familien dicht gedrängt

Unterdessen fotografieren die Mütter ihr hübsch angerichtetes Büfett, die 33 Erstklässler sind noch beim Einschulungsgottesdienst in der Andreaskirche. Der Besucherzulauf an diesem Morgen bringt die kleine, 1490 im gotischen Stil erbaute evangelische Kirche fast zum Platzen. Dicht gedrängt stehen und sitzen Eltern, Großeltern und Paten in einem unerwartet heiteren Kirchenraum: Die Figur des gekreuzigten Jesus ist umgeben von Weinreben und Passionsblumen. Vermutlich haben die umliegenden Weinberge oder die Wirkung ihres Ertrags den einstigen Baumeister Heinrich Dolmetsch beeinflusst.

Kaum ist das Läuten der Kirchenglocken verklungen, strömen die Familien in den Schulhof, laben sich am Büfett und suchen nach einem Platz in der Aula. Auch sie ist räumlich an ihre Grenzen gekommen. „Wir haben nicht mehr Platz“, sagt Rektorin Eve-Marie Hörtig, „für jedes Schulkind gab es deshalb nur zwei Sitzplätze zusätzlich.“ Die Gäste auf den Stehplätzen nutzen die erhabene Position für Handyfotos.

Keine Feier ohne die örtlichen Reben

Nicht alle der Sechsjährigen mit den großen Schultüten sind aus Uhlbach. Einige Familien aus Rotenberg haben durchgesetzt, dass ihre Kinder in Uhlbach statt in Untertürkheim eingeschult werden. Der Schulweg ist bei ihnen kein Thema: „Die laufen in einer Gruppe hinunter, zehn Kindern zwischen sechs und zehn Jahren, und den Fahrplan für den Rückweg organisieren die Mütter“, sagt Vater Peter Meintzinger, „die Kernzeitbetreuung macht’s möglich.“

Den größten Lacher ernten an diesem Tag die 45 älteren Grundschüler mit ihrem Willkommenslied: „Wir lernen Rechnen, Schreiben, Lesen, unsere Eltern sitzen gern im Besen . . .“. Da scheint was dran zu sein, denn der ausgeschenkte Sekt aus dem Hause Currle findet seine Liebhaber. Zur Familienfeier am heimischen Esstisch ist’s ja nicht weit.