Gurpreet und Kulvinder Singh betreiben in einem Hinterhof in der Augustenstraße den Indian Store, den ältesten und größten indischen Supermarkt im Ländle Foto: Leonie Rörich

Die indische Community kauft im Stuttgarter Westen ein. Ob Sari oder Mango: Hier findet sie, was sie zum Leben braucht. Auch Türken und immer mehr Deutsche gehören mittlerweile zur Kundschaft.

S-West - Wem nach indischer Küche ist, muss nicht unbedingt in eines der indischen Restaurants in Stuttgart. Wie wär’s mit Selbermachen? Die Zutaten für ein solches kulinarisches Experiment sind nicht immer einfach zu bekommen; mit einem Ausflug nach Stuttgart-West lässt sich dieses Problem jedoch einfach beheben. „Eingang ist im Innenhof“, steht auf dem Ladenschild des Indian Stores auf der Hausrückwand der Augustenstraße 63/1. Es ist Freitagvormittag, der Indian Store hat vor einer halben Stunde aufgemacht. Die Ladentüre steht offen, die LED-Lämpchen des Open-Schilds blinken. Es herrscht bereits reges Treiben, Ware wird von ein paar jungen Männern angeliefert, die sich auf einer der vielen indischen Sprachen unterhalten.

Im Kühlschrank in der hintersten Ladenecke wetteifern frische Kräuterbündel aus Koriander und Minze mit Limetten, Mangos, Chilis, Okraschoten, winzigen Auberginen, Ingwerknollen und Kokosnüssen um die interessanteste Form und Farbe. Reissäcke, die bis zu 20 Kilogramm wiegen, türmen sich auf Paletten. In den Regalen stehen neben jeder erdenklichen Art von Chai und Schwarztee Ingwerpaste, Mangochutney, Limettenpickle sowie klassische indische Süßspeisen in Konserven, darunter Gulab Jamun, in Zuckersirup eingelegte Teigbällchen. Selbst indische Schönheitsprodukte findet man im Sortiment.

Globalisierung im Kleinen

Den Indian Store, der laut Webseite der älteste und größte seiner Art in Baden-Württemberg ist, gibt es bereits seit 35 Jahren im Westen Stuttgarts. 1980 habe sein Vater den Laden zuerst in der Schwabstraße gehabt, dann sei er in die Rötestraße umgezogen bis er schließlich in die Augustenstraße kam, erzählt Aulakh Kulvinder Singh, der den Laden in der zweiten Generation seit 2006 führt. Und der Indian Store scheint gut zu laufen. Nicht nur seine Produktpalette, auch seine Kundschaft sei über die Jahre größer geworden.

Der Supermarkt zeigt im Kleinen, was die Globalisierung bewirkt hat. Begonnen habe sein Vater, sagt Kulvinder Singh als es in ganz Deutschland fast keinen indischen Laden gab und alles noch in Großbritannien eingekauft werden musste. Zuerst habe dieser ab und zu indische Filme in Stuttgarter Kinos gezeigt und dann gemerkt, dass es noch viele andere Inder neben ihm in Stuttgart gab. Für ein paar Stunden am Tag habe er einen kleinen Laden mit indischer Ware geöffnet, der dann langsam gewachsen sei. „Irgendwann gab es eine Spedition, dann auch Direktware aus Indien und England. In Baden-Württemberg sind wir die Einzigen, die Einzel- und Großhandel bedienen“, so Kulvinder Singh. Viele Waren gingen nach Frankfurt und München, aber auch die indischen Restaurants in Stuttgart seien Stammkunden. Bei den Privatkunden zählt Kulvinder Singh neben „den Landsleuten“ wie er die indische Kundschaft nennt, unter anderem Pakistanis, Afghanen, Iraker, Afrikaner und Sri Lanker auf. „Inzwischen haben wir auch immer mehr deutsche Kunden und Südinder, die für sechs Monate bis zu zwei Jahren bei Bosch oder Daimler arbeiten“, weist er auf die beiden Gruppen hin, die neu dazugekommen beziehungsweise gewachsen sind. „Ich freue mich immer auf den Samstag, da wird der Laden richtig voll. Dann kommen die Südinder aus anderen Stadtteilen wie Feuerbach und wir unterhalten uns alle“, erzählt Kulvinder Singh, der aus Nordindien kommt. Werbung habe er nie machen müssen, es spreche sich unter den Indern, die hier arbeiten oder studieren herum, manche lernten sich erst im Indian Store kennen.

Auch immer mehr Deutsche kaufen hier ein

An diesem Freitag kauft auch Knut Hertel im Indian Store ein. Neben frischen Kräutern hat sich ein Glas Ingwerpaste unter seine Einkäufe gemischt. Er ist gemeinsam mit seinem indischen Arbeitskollegen Subham De gekommen, der ihm ein Gutschein für den Laden geschenkt hat und selbst seinen Weg in die Augustenstraße während seiner Studienzeit gefunden hat. Er sei damals einfach seinen indischen Kommilitonen gefolgt, sagt er. „Wenn das Essen gut wird, komme ich gerne wieder“, scherzt derweil Knut Hertel.

Dass die Deutschen zunehmend zur Kundschaft gehören, hat auch Shajeevan Thavakkumar festgestellt. Seine Eltern betreiben seit etwa sechs Jahren das kleine sri-lankische Lebensmittelgeschäft „Kumar Feinkostladen“ in der Rötestraße. „Gerade in Stuttgart-West muss man die deutschen Kunden noch nicht einmal beraten“, sagt Shajeevan, der sich um die Buchhaltung kümmert und ab und zu im Laden aushilft, wenn er nicht gerade mit seinem Studium in Tübingen beschäftigt ist. Die Kundschaft komme von überall her: Asien, Afrika, Südamerika. „Bei uns erhalten sie einheimische Früchte, die sich für einen normalen Supermarkt nicht rentieren.“ Und in der Tat: Eine riesige stachelige Kugel lugt aus einem Pappkarton neben der Ladentheke hervor. „Das ist eine Jackfrucht. Sie muss aber noch reifen“, erklärt die Ladenbesitzerin Arunakuladevi Thavakkumar. Im Regal zeigt sie auf eine Dose, wo es die Jackfrucht, die im süd- und südostasiatischen Raum auf Bäumen wächst und mindestens fünf Kilogramm wiegt, auch eingelegt in kleinen Stücken gibt.

Türken kaufen für Hochzeiten ein

Es ist, als stünde man in einem Requisitenlager für einen Bollywood-Film: Nur eine Straße weiter entführt der Laden Pirruntha Silk House in eine Welt des Glitzers und der bunten Stoffe. „Am Anfang kamen nur Landsleute und Asiaten. Seit die Deutschen mehr Interesse an der indischen Kultur haben und Bollywood-Filme schauen, gehören sie auch zur Kundschaft“, erzählt Thuraiappah Sathiyamoorthy, der seit 1992 traditionellen indischen Schmuck und Kleidung in Stuttgart verkauft. Besonders für die religiösen Feste, die in Bad Cannstatt im Hindu-Tempel gefeiert würden, gäbe es Bedarf. Türken kauften für ihre Hochzeiten bei ihm ein. Sathiyamoorthy zeigt im Schaufenster auf einen mit Strasssteinen bestickten langen Rock mit dazu passendem Oberteil. Samanthi Jesuthasan, ursprünglich aus Sri Lanka, ist heute extra aus Schwäbisch Gmünd angereist. „Ich kaufe hier für Feste ein. Wichtig ist, dass der Schmuck zum Kleid passt“, sagt sie.

Eine Woche später zurück im Kumar Feinkostladen, ist die Jackfrucht inzwischen reif. Heute ist auch Herr Thavakkumar da. Auf Anweisung seiner Frau schneidet er eine dicke Scheibe ab und legt das Fruchtfleisch frei, indem er die Samen, so groß wie Bohnen, mit den Fingern herauspult. Hat man diese extrem süße Frucht einmal gekostet, ist man nicht mehr verwundert, dass Kunden ihren Weg bis vom Bodensee, wie Shajeevan berichtet, in das kleine Geschäft nicht unweit der S-Bahn-Haltestelle Schwabstraße finden.