Qlocktwo – Zeitanzeige in Buchstaben Foto:  

Marco Biegert und Andreas Funk haben schon als Schüler gerne getüftelt – und sind inzwischen erfolgreiche Unternehmer. Eine schwäbische Geschichte.

Schwäbisch Gmünd - Wer mit Marco Biegert und Andreas Funk durch das idyllische Schwäbisch Gmünd flaniert, kommt unweigerlich am örtlichen Bahnhof vorbei. Denn just am Bürogebäude vis à vis der Zugstation hängt an einer großen weißen Wand die „größte Wortuhr der Welt“, wie die beiden Erfinder dieser Art von Chronometer stolz betonen und den Blick nach oben schweifen lassen. 5,20 Meter auf 5,20 Meter groß ist der nützliche Mauerschmuck, fünfeinhalb Tonnen schwer; die Frontplatte besteht aus 16 Millimeter dickem, rostfarbenem Stahl. Die 110 eigens ganz präzise ausgeschnittenen, wie auf einer Matrix quadratisch angeordneten Buchstaben, die die Zeit anzeigen, sind mit besonders kräftigen LED-Strahlern hinterleuchtet, wobei sich die Schrift, elektronisch gesteuert, im Fünf-Minuten-Rhythmus ändert.

„Es ist fünf nach elf“

Der Installationsort unweit des Ufers der Rems ist in gewisser Weise geschichtsträchtig. Denn in Sichtweite befindet sich sich das gelb getünchte, altehrwürdige Gebäude der Uhrenfabrik Bifora. In den besten Phasen waren dort mehr als 1000 Mitarbeiter beschäftigt, ehe in den 70er Jahren der Niedergang samt Konkurs folgte. 1984 wurde die Produktion dann eingestellt.

Seit 2011 haucht nun ein kleines Team der Marke Bifora neues Leben ein. Es ist die Zeit, in der Biegert und Funk sich vollends auf das Terrain der Uhrenherstellung wagen – und sich damit einer Branche verschreiben, die, siehe Bifora, die Blütezeit hinter sich zu haben scheint. Die zwei Brüder im Geiste schreckt dies jedoch nicht – zumal sie beseelt sind weniger von monetären Erwägungen als allein von tüftlerischem Drang, der nach langer Hirnarbeit eine ganz neue Art von Uhr hervorgebracht hat, wer so will: eine Weltneuheit.

„Es ist fünf vor zehn“

Die Zeitangabe erfolgt nicht mittels Zeiger und Zifferblatt, auch nicht in Zahlen – sondern genau so wie gesprochen wird. Drei unterschiedlich große Modelle gibt es inzwischen von der Qlocktwo, wie die Kreativen ihre Wortuhr nennen, die Formate deutlich kleiner als am Gmünder Bahnhof, an jede Wohnzimmerwand passend, und auch eine Armbanduhr zählt zur Kollektion. Allesamt mit Desginpreisen hochdekoriert. Die Sprache der Uhr ist variabel, auch auf arabisch, japanisch, chinesisch oder schwäbisch tickt sie – und verkauft sich so in aller Herren Länder. Ja, selbst im Store des berühmten Museums of modern Art in New York wird sie feilgeboten.

Die Geschichte, die die Uhrenentwickler Marco Biegert, Jahrgang 1973, und Andreas Funk, Jahrgang 1969, zu erzählen haben, ist unspektakulär und faszinierend zugleich. Beide Männer stammen aus dem Gmünder Stadtteil Hussenhofen, einem Dorf. An die 2500 Seelen leben dort, für die Jugend ist wenig geboten, zumal in den 1970er und 80er Jahren. Und die Jungs finden sich irgendwie, eine Fügung, wie sich rasch herausstellt, da nicht nur die Chemie stimmt, sondern auch die Interessen ziemlich deckungsgleich sind: Statt mit dem Rad durch die Natur zu fahren, bespielen sie noch zu Schülerzeiten viel lieber ihren Commodore 64. Sie lieben das gemeinsame Nachdenken und Philosophieren, lieben Kunst und Technik und Programmieren, sie entwickeln einen Beamer, der sich allerdings als zu lichtschwach erweist, kreieren eine Art Drohne, mit dem Nachteil nur, dass sie nicht recht fliegen will. Aber entmutigen lassen sich die beiden nicht, sondern sind getrieben davon, „Lösungen zu finden für Probleme, die wir uns gestellt haben“, betont Marco Biegert.

Biegert versucht sich nach dem Abitur ohne Ausbildung und Studium als Grafik- und Webdesigner. Und nachdem Andreas Funk sein Lehramtsstudium zu Ende gebracht hat, machen sie in der Werbeagentur gemeinsame Sache. „Ein Jahr haben wir uns zusammen gegeben“, sagen sie. Daraus ist, trotz mancher Durststrecken, ein zweites Jahr geworden und ein drittes und so weiter. Unter anderem bringen sie 3-D-Postkarten heraus. Erste Erfolge stellen sich ein, irgendwann beschäftigen sie an die 20 Mitarbeiter.

Aus heutiger Sicht erzählt sich die Erfolgsgeschichte von leichter Hand. Die beiden sitzen vor dem Gmünder Torhaus am Stadtgarten, wo sie eine Qlocktwo-Galerie samt einer Espressobar betreiben. Dort, wo früher der Einlass in die Reichsstadt kontrolliert wurde, haben sie ein kleines Schaufenster jenes Unternehmens eingerichtet, das die Werbeagentur längst abgelöst hat. Denn als hätte es für die Firmenchefs sonst nichts zu tun gegeben: Immer wieder beschäftigen sie sich neben ihrem Brotberuf mit Fragen nach der Zeit, deren Wesen, der Zeitmessung, dem Takt, dem sich die Menschheit unterwirft – und dabei blitzt der drängende Gedanke auf, eine Uhr zu entwickeln, die die Zeit anzeigt, wie man sie eben mit Worten formuliert.

„Es ist halb acht“

Ein Prototyp, gebastelt noch mit einem Rahmen von Ikea, hängt bald an der Wand im Büro. Das reduzierte Design, die Buchstabenkonstellation, die es braucht, um die unterschiedlichsten Zeiten auch anzeigen zu können, die Technik, die Programmierung – alles selbst entwickelt. Kunden der Agentur sind fasziniert. Das ermutigt Biegert und Funk, das Produkt 2009 auf der Messe Blickfang in Stuttgart vorzustellen, zehn Wortuhren Marke Eigenbau nehmen sie mit – und haben gute Resonanz. „Unser Stand war von Menschentrauben umlagert“, erinnert sich Marco Biegert. „Viele wollten unbedingt eine Uhr haben.“ Es war der Moment, als den beiden Freunden und Partnern erstmals dämmerte, dass aus der Spinnerei mehr werden könnte.

Doch der Weg zur Serienproduktion ist weit: konsequent und bis heute arbeiten sie mit örtlichen Handwerkern zusammen, mit Schreinern beispielsweise, die das hölzerne Innengerüst fräsen, oder einer Kunsthandwerkerin, die im Zweifelsfall das Gehäuse mit Blattgold verkleidet. Von der Verpackung bis zum Vertrieb müssen die Dinge auf die Reihe gebracht werden, das ist mit harter Arbeit verbunden.

Ganz allmählich verlagert sich der Schwerpunkt weg vom Werbegeschäft hin zu den Uhren, die sich immer besser verkaufen. Mehr und mehr Uhren- und Einrichtungsgeschäfte nehmen die Qlocktwo ins Sortiment auf – und seit Donnerstag gibt es auch in der Stuttgarter Eberhardstraße eine zusätzliche eigene Verkaufsdependance. Umsätze oder Stückzahlen nennen die Gründer und Geschäftsführer der B & F Manufacture GmbH & Co. KG zwar nicht. Aber im deutlich fünfstelligen Bereich dürfte sich der Absatz pro Jahr allemal bewegen, wie Andeutungen zu entnehmen ist. Als eigentliche Schmiede fungiert eine kleine Fabrik im Gmünder Stadtteil Straßdorf, 40 Mitarbeiter zählen zum Stamm. Ein eigener Siebdrucker gehört dazu, der die Schrift auf jedem Korpus einzeln anbringt. Auch bei solchen Details schlägt der Perfektionismus von Biegert und Funk durch. In Straßdorf werden die Uhrenteile zusammenmontiert, wird verpackt, verschickt. Etliche Kartons stehen im Raum, für den Versand in die USA und nach Australien. Im Trump-Land läuft die große Qlocktwo besonders gut: think big.

„Es ist zwanzig nach fünf“

Für die Gmünder Unternehmer gilt das Gegenteil. Sie sind bodenständig, stemmen alles aus eigener Kraft, ohne Investoren. „Eins nach dem anderen“, sagt Andreas Funk. „Wir wachsen langsam und gesund.“ Das passt zur fast schon meditativen Wortuhr, bei der die Schrift sich nur alle fünf Minuten ändert, ebenso wie ein ideelles Firmenziel von Biegert und Funk: „Schön wäre es, wenn die Wortuhr als Klassiker in die Geschichte eingehen würde.“