Innenminister Reinhold Gall (zweiter von links) beim symbolischen Startschuss für die neue Prognose-Software Foto: dpa

Seit rund zwei Jahren macht die grün-rote Landesregierung gegen Einbrecher mobil – und kann erste Erfolge vorweisen. Wie groß der Anteil der Politik am Rückgang der Einbruchszahlen ist, ist allerdings eine Glaubensfrage.

Stuttgart - Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) weiß noch genau, wann ihm das Problem mit den Einbrüchen zum ersten Mal so richtig deutlich wurde. Das war kurz nach seinem Amtsantritt im Jahr 2011, als er sich vornahm, der Polizei im Land eine neue Struktur zu verpassen. „Da haben wir uns die Kriminalitätsentwicklung angeschaut“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Und danach war für ihn klar, dass die Verfolgung von Wohnungsbeinbrüchen professioneller werden muss.

Seit 2008 war die Zahl der Wohnungseinbrüche bundesweit stetig gestiegen, die Aufklärungsquote war schlecht. Ein Lagebild für Baden-Württemberg ergab: Da müssen viele organisierte Banden am Werk sein.

Als die neue Polizeistruktur im Jahr 2013 stand, gingen die Ordnungshüter koordinierter und professioneller gegen Wohnungseinbrüche vor. Ob es dafür die Reform gebraucht hätte oder ob die Reform die Jagd auf Einbrecher eher behindert oder verzögerte – darüber streiten Regierung und Opposition. Aus Sicht eines erfahrenen Polizeibeamten ist das allerdings ein Streit im luftleeren Raum. „Das Einbruchsthema hat überhaupt nichts mit irgendeiner Polizeireform zu tun“, sagt er. „Natürlich kann man an kleinen Stellen ein Rädchen drehen, aber das kann man auch ohne Reform.“

Skepsis gegenüber der Prognose-Software

Laut dem Beamten braucht die Polizei auch nicht unbedingt die Politik, um neue Schwerpunkte zu setzen. „Wir nehmen sehr wohl wahr, welche Delikte ansteigen und welche sinken. Kein Polizeipräsident will sich nachsagen lassen, er habe geschlafen.“ Welchen Anteil also die Politik tatsächlich an der Entwicklung hat, lässt sich schwer sagen. Klar ist nur: Für eine verstärkte Jagd auf Einbrecher braucht die Polizei die Unterstützung aus dem Ministerium – und auch Geld. „Wir haben auch in Technik investiert, um die Sicherung und Auswertung von Spuren zu verbessern“, sagt Gall.

Ende Oktober dieses Jahres präsentierte der Innenminister der Öffentlichkeit die neueste technische Errungenschaft im Kampf gegen Einbrecher: eine Prognose-Software, die der Polizei sagen soll, in welchen Vierteln in den nächsten Tagen die Wahrscheinlichkeit für weitere Einbrüche hoch ist. Die Software macht sich die Tatsache zunutze, dass professionelle Einbrecher aller Erfahrung nach in der Gegend, in der sie erfolgreich waren, innerhalb kurzer Zeit noch einmal zuschlagen.

Die Software wird zunächst einmal sechs Monate lang im Karlsruher Umland sowie im Stuttgarter Stadtgebiet getestet, wobei bei der Präsentation im Innenministerium eine gewisse Skepsis auch bei einzelnen Polizei-Hierarchen zu spüren war. Auf die klassische Ermittlungsarbeit lassen Beamte halt ungern etwas kommen – und sie haben dafür ja auch durchaus Argumente.

44 Prozent der Tatverdächtigen sind Ausländer

Das gezieltere Vorgehen und der höhere Fahndungsdruck hat die Zahl der Einbrüche im Land in diesem Jahr erstmals wieder sinken lassen. Für die Monate Januar bis September kann Gall ein Minus von 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr (insgesamt 13 500 Einbrüche) vermelden. „Alles deutet darauf hin, dass die Maßnahmen greifen“, sagt er.

Interessanterweise ist der Rückgang in der Landeshauptstadt doppelt so hoch wie im Landesschnitt, nämlich rund 30 Prozent. Und er könnte dort sogar noch höher ausfallen, was das ganze Jahr betrifft. Im Oktober habe das entsprechende Fachdezernat in Stuttgart einen „noch viel größeren Rückgang“ verzeichnet, heißt es. Und das alles, bevor man in Stuttgart angefangen hat, mit der neuen Prognose-Software zu arbeiten.

Gut möglich, dass solche statistischen Erfolge in einzelnen Städten auch zulasten anderer Regionen gehen. Die Einbrecher nehmen sich einfach eine andere Gegend verstärkt vor, die Polizei spricht in dem Zusammenhang von einem „Verdrängen“ der Delikte. In manch anderen Landesteilen jedenfalls hört man nichts von einem Rückgang. Dass insgesamt wegen polizeilicher Maßnahmen weniger Einbrecher in Deutschland unterwegs wären, glaube er nicht, sagt ein Polizeibeamter. Die offenen Grenzen – insbesondere die Richtung Südosteuropa – werden weiterhin dafür sorgen, dass Einbrüche ein großes Thema bleiben. Rund 44 Prozent der im Südwesten ermittelten Tatverdächtigen im Jahr 2013 waren Ausländer. Laut einem internen Vermerk stieg zuletzt vor allem der Anteil von Rumänen, Georgiern und Serben stark an.

Zuschüsse für sichere Fenster und Türen

Die Politik nimmt angesichts dessen auch die Bürger verstärkt in die Pflicht. Um Einbrechern das Leben schwerzumachen, müssen auch Fenster und Türen besser gesichert werden. Über die KfW-Förderbank bietet der Bund seit kurzem entsprechende Zuschüsse für Aufrüstungsmaßnahmen an. Pro Jahr stehen dafür zehn Millionen Euro zur Verfügung. Innenminister Gall ermuntert zudem auch seit längerem die Kommunen, sich stärker zu engagieren. „Die Opposition lädt das Thema gerne allein beim Innenminister und der Polizei ab“, sagt er, „aber für die Sicherheit tragen viele Verantwortung.“

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