„Ich sehe ständig Fenster und Türen, die jederzeit zu knacken wären“: Der Holztechniker Marco Sailer will die Welt ein bisschen sicherer machen Foto: Michael Steinert

Mit interaktiver Grafik - Immer mehr Bürger machen ihre eigenen vier Wände sicherer, um sich vor Einbrechern zu schützen. Davon profitieren die Handwerker und die Sicherheitstechnik-Branche.

Stuttgart - Um die Wohnungstür zu knacken, braucht Marco Sailer fünf Sekunden und einen Draht. Dann steht der gelernte Holztechniker im Flur der Müllers.

Seinen richtigen Namen will das Paar aus Filderstadt nicht in der Zeitung lesen. Schließlich haben sie Sailer angerufen, weil sie sich eher vor zu viel Interesse von Fremden fürchten als vor zu wenig. Denn Sailer ist zwar besser als die meisten Einbrecher, hat sich aber trotzdem für einen anderen Job entschieden: Der 24-Jährige ist bei der Schreinerei Alber in Filderstadt zuständig für den Einbruchschutz. Heute demonstriert er den Müllers, wie leicht man bei ihnen einbrechen kann und was man dagegen tun kann. Die Vorgespräche für solche Termine führt in der Regel die Polizei.

Die Zahl der Einbrüche ist in Deutschland zwischen 2006 und 2014 um 43 Prozent gestiegen. Nur rund 16 Prozent der Fälle werden aufgeklärt. Immer mehr Bürger lassen daher ihre Türen und Fenster mit speziellen Schlössern und Beschlägen sichern. „Das ist ein boomender Markt“, sagt ein Sprecher der Handwerkskammer in Stuttgart. Nicht nur für die Handwerker. Auch die Hersteller von Sicherheitstechnik profitieren davon, dass die Menschen sich zunehmend vor Einbrechern zu schützen versuchen.

Auch Bosch ist im Einbruchschutz aktiv

Nach Angaben des Bundesverbands Sicherheitstechnik BHE hat der Markt der elektronischen Sicherheitstechnik im vergangenen Jahr einen Rekordwert eingefahren: Der Umsatz stieg im Vergleich zum Vorjahr um 3,7 Prozent auf 3,2 Milliarden Euro. Dazu zählen etwa Einbruchmeldetechnik, Videoüberwachung oder Systeme, die regeln, wer wann wo Zutritt hat.

Auch der Stuttgarter Technologiekonzern Bosch ist mit seiner Tochter Bosch Sicherheitssysteme in dem Markt aktiv. Bislang verkauft das Unternehmen jedoch vor allem Sicherheitstechnik für Industriegebäude oder öffentliche Anlagen. Im Geschäftsjahr 2014 erwirtschafteten rund 12 400 Mitarbeiter einen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro.

Weil Bosch darin einen wachsenden Markt sieht, will der Konzern das Engagement künftig aber stärker auf den Privatkundenbereich ausweiten. Die Erfahrung in der Vernetzung von Industriegebäuden nutze Bosch verstärkt auch für das Smart Home, sagt eine Unternehmenssprecherin.

Die entsprechenden Aktivitäten werden vom nächsten Jahr an in der neuen Robert Bosch Smart Home GmbH gebündelt.

Polizei bietet Beratungsgespräche an

Smart Home ist der englische Begriff für intelligentes Wohnen. Das bedeutet, dass unterschiedliche Geräte im Haus über das Internet vernetzt sind und so miteinander kommunizieren können.

Bosch bringe in den nächsten Jahren schrittweise neue Produkte auf den Markt – wie zum Beispiel vernetzte Hausgeräte und Lösungen, um etwa die Heizung energiesparend zu regeln und Einbrüche zu melden, so die Sprecherin. „Diese kann der Nutzer einfach per Smartphone oder Tablet bedienen.“

Marco Sailer von der Schreinerei Alber erklärt den Müllers inzwischen, mit welchem Schloss sie vermeiden können, dass Fremde innerhalb von fünf Sekunden bei ihnen im Flur stehen. „Dieses Schloss ist die S-Klasse unter den Schlössern“, sagt er und deutet auf eine Schließanlage in seinem Koffer. „Und das hier ist der Maybach.“ Wie im echte Leben gilt: „Die S-Klasse reicht völlig“, sagt er – und fügt an: „Ich habe zu Hause trotzdem den Maybach.“

Damit das Bedürfnis der Menschen nach Sicherheit nicht in Geschäftemacherei ausartet, bietet die Polizei Beratungsgespräche an. Dort empfehlen die Berater produktneutral, welche Sicherheitsmaßnahmen nötig und sinnvoll sind – und was übertrieben ist. Allein in Stuttgart hat die Polizei 2014 insgesamt 1318 solcher Gespräche geführt. Die Berater rechnen damit, dass es 2015 sogar noch mehr werden. Auch die Müllers haben so ein Gespräch gehabt. Die Polizei gibt eine Liste raus, auf der steht, welche Fensterbauer, Schreinereien und Sicherheitsfirmen für den Einbau der sogenannten einbruchhemmenden Maßnahmen qualifiziert sind.

„Etwa 80 Prozent unserer Aufträge kommen über diese Liste“, sagt Sailer. Wer auf die Liste will, muss eine Grundschulung für rund 400 Euro machen und sich regelmäßig nachqualifizieren lassen. Die Schreinerei Alber steht seit 2006 auf der sogenannten Errichterliste. Nur Meisterbetriebe kommen dafür infrage und Personen mit einem einwandfreien polizeilichen Führungszeugnis.

Der Staat fördert Investitionen in den Einbruchschutz

Insgesamt macht das Thema Einbruchschutz bei dem Betrieb zwischen zehn und 15 Prozent des Umsatzes aus. Seit 2006 hat sich der Umsatz in diesem Bereich etwa verdreifacht, sagt Günther Alber, Geschäftsführer der Schreinerei. Pro Fenster, das nachgerüstet wird, müssten Kunden zwischen 350 und 600 Euro rechnen. Bei Eingangstüren liegt der Preis zwischen 1000 und 1300 Euro, sagt der Schreinermeister.

Bis 2017 fördert die staatliche Förderbank KfW Investitionen in die Einbruchsicherheit bei den Bürgern. Der Bund gibt dafür einen Zuschuss von zehn Prozent der Investitionssumme – und zahlt maximal 1500 Euro.

„Durch diese Fördermaßnahme wird sich das Wachstum im Markt für Einbruchmeldetechnik vermutlich auf vier bis fünf Prozent erhöhen“, sagt Urban Brauer, Geschäftsführer des BHE Bundesverbands Sicherheitstechnik.

„Wir befinden uns in Deutschland, was die sicherheitstechnische Ausstattung von Immobilien angeht, auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau“, sagt Brauer. „Insofern bleibt auch mittelfristig ein beachtliches Potenzial zur Nachrüstung.“ Die Herausforderung liegt seiner Meinung nach darin, Bürger für die Absicherung ihrer Immobilie noch stärker zu sensibilisieren. „Und zwar auch ohne Förderprogramm.“

Marktführer im Bereich Sicherheitstechnik ist Abus mit Sitz in Wetter (Ruhr). Auch dort rechnet man damit, dass die KfW-Förderungen für einen weiteren Impuls sorgen „und damit den Absatz von Sicherheitstechnik zusätzlich ankurbeln“, sagt Michael Bräuer, Bereichsleiter Marketing bei Abus.

Marco Sailer will die Welt zwar sicherer machen. Er sagt aber auch: „Die absolute Sicherheit kann niemand gewährleisten.“