Matthäus Holzhäuer war auch Bürgermeiter von Mägerkingen. Foto: privat

Günther Krehl hält die Erinnerungen an seinen Großvater in Ehren. Matthäus Holzhäuer sollte eigentlich den Hof der Eltern übernehmen, doch er weigerte sich und wurde zu einem gefragten Gedichteschreiber.

Vaihingen - Günther Krehl hat alles fein säuberlich auf dem Küchentisch ausgebreitet. Handgeschriebenes, Fotoalben und jede Menge Zeitungsartikel. Die Dokumente erzählen die Geschichte seines Großvaters. Schon seine Mutter habe große Stücke auf ihren Vater gehalten, sagt der 84-Jährige. Obwohl er ihn nie kennengelernt hat, weiß Krehl doch einiges über seinen Ahnen, eben weil seine Mutter eine ausgesprochene Sammelleidenschaft pflegte, wenn es um ihren Vater ging.

Zu sammeln gab es genug, hatte dieser doch ein bewegtes Leben. Matthäus Holzhäuer wuchs in Aurich, einem Ortsteil von Vaihingen an der Enz, auf. „Er war ein Musterschüler“, sagt Krehl, der ebenfalls ein gebürtiger Vaihinger ist, allerdings ist damit der Stuttgarter Stadtbezirk gemeint. Holzhäuers Vater freilich hatte ganz andere Pläne mit dem Filius. Er sollte die Landwirtschaft mit Hausmetzgerei übernehmen. „Da gab es immer wieder Streit“, sagt Krehl. Da kam der Stellungsbefehl gerade recht. Über Ludwigsburg landete Krehls Großvater schließlich beim Regiment des Kronprinzen in Berlin.

Als Landjäger legte er weite Wege zurück

Später kehrte er ins heimische Württemberg zurück und erhielt im Raum Kirchheim/Teck eine Anstellung als Landjäger. „Sein Dienstraum war sehr groß. Er musste fast alles zu Fuß zurückzulegen“, sagt Krehl. Doch auch wenn es körperlich anstrengend war, kam Holzhäuer eben auch viel herum. Und schnell sprach sich herum, dass der Landjäger sprachlich ebenfalls sehr gut auf den Beinen ist. Das Kürzel „H.“ war schnell bekannt. Häufig waren es Gedichte, die die Lokalblätter schmückten.

Vor allem, wenn es um die Geburtstage oder gar den Tod prominenter Persönlichkeiten ging, griff Krehls Großvater zur Feder. Beispielsweise am letzten Geburtstag von König Karl am 6. März 1891, einige Monate später ist der Monarch gestorben. „Festgruße vom Fuß der Teck“ ist das Gedicht überschrieben, das mit den Worten: „Sagt an, was soll das Glockenläuten/Was dieser Zug im Festgewand/Und was das Fahnenwehn bedeuten/Im ganzen Württembergerland?“. Auch als Königin Olga im Jahr 1892 starb, oder König Wilhelm II von Württemberg im Jahr 1913 seinen 65. Geburtstag feierte, hieß der Laudator Matthäus Holzhäuer.

Auch mit dem Dichter Ludwig Finckh hatte er Kontakt

Auch sonst verkehrte er in den besten Kreisen: „Er war überall eingeladen und als Festredner gefragt.“ Erhalten ist auch ein Gedicht zum 100. Geburtstag des Dichters Wilhelm Hauff anlässlich des Lichtensteinspiels im Jahr 1902, das Hauffs Werk „Lichtenstein“ auf die Bühne brachte. 15 Strophen sind es geworden. „Ein heil’ger Klang wie Engelslieder/Von dem Olymp im Schwabenland/Schallt heute von Felsenhöhen nieder/Im Harfenton aus Götterhand/Die Lüfte tragen feierlich rein/die Töne fort vom Lichtenstein.“ Auch mit dem Dichter Ludwig Finckh war Holzhäuer im Austausch. Der in Reutlingen geborene Schriftsteller und Arzt pflegte eine Freundschaft mit Hermann Hesse, gehörte aber auch zu den 88 Schriftstellern, die im Oktober 1933 Adolf Hitler ihre Treue schworen.

Drei Kinder brachte Holzhäuers Frau zur Welt, wobei der älteste, Paulus, gleich in den ersten Kriegstagen des Jahres 1914 fiel. Zu dieser Zeit hatte Matthäus Holzhäuer seine laufende Tätigkeit gegen eine sitzende eingetauscht. 1904 bis zu seinem Tod im Jahr 1927 war er Schultheiß von Mägerkingen (Trochtelfingen). Der Erste Weltkrieg blieb ihm erspart. „Er ist um jeden Krieg herumgekommen“, sagt Günther Krehl. Es gibt ein Bild, das zeigt Matthäus Holzhäuer in seinem Amtszimmer, das allerdings eher einer Waffenkammer ähnelt. An der Wand hängen Pistolen, Schilde und Co. „Er sammelte altertümliche Gegenstände“, sagt Krehl. Dazu zählte die Kriegskasse von Napoleon Bonaparte, die mit sieben Schlössern gesichert ist. Wie sie in Holzhäuers Besitz kam? „Er kam halt viel herum.“

Günther Krehl hat sich schon früh für den Nachlass seiner Mutter interessiert, auch wenn er einen ganz anderen Lebensweg wie sein Großvater eingeschlagen hat. Als Ringer feierte er große Erfolge, als selbstständiger Bäckermeister verdiente er sein Geld. Das Geschäft an der Katzenbachstraße hatte Krehl von seinem Vater übernommen. Das war 1954. 1990 endete die Bäcker-Ära. Wenn es nicht so aufwendig wäre, mit öffentlichen Verkehrsmitteln an die einstigen Wirkungsorte seines Großvaters zu kommen, wäre Krehl häufiger dort. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Krehl, als in Mägerkingen, eine neue Halle eröffnet wurde, dort eine Sportveranstaltung organisiert, mit Radball, Akrobatik und Co.: „Diese Sportarten hat man damals noch gar nicht gekannt“, sagt Krehl.

Mittlerweile sind die Zeitungsartikel etwas durcheinander geraten, die Alben liegen aufgeschlagen auf den Tisch. Dabei ist das nur ein kleiner Ausschnitt: „Meine Mutter hatte noch viel mehr Zeitungen“, sagt Krehl. Vieles davon ist im Müll gelandet, doch der Rest reicht aus, um ein bewegtes Leben nachzuzeichnen, von einem Mann, der seinen eigenen Weg ging.

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