Bei der Ziegenwanderung gibt es wenig zu meckern Foto: Claudia List

Wenn Tiere dabei sind, macht Kindern das Wandern doppelt Spaß. Bei einem Spaziergang mit Ziegen lernen sie viel Interessantes über die als zickig verschrienen Vierbeiner.

Überlingen - Fritzle und David sind mit dem Taxi angereist. Das Auto ist allerdings keine Limousine, sondern ein mit Stroh ausgelegter, in die Jahre gekommener Lieferwagen. „Mein rostiges Ziegentaxi“, nennt es Jörg Jacobi. Der Mittvierziger mit der Schiebermütze auf dem Kopf steht neben dem leeren Wagen. Alle Vierbeiner sind ausgestiegen, die Kinder um ihn herum versammelt, die Tour kann beginnen.

Über 50 Ziegen gehören zu Jacobis Herde in Überlingen. Mit ihnen beweidet der Landwirtschaftsmeister steile Hänge am Bodensee – ein Projekt, das dazu beiträgt, Korridore für Insekten frei zu halten und das von der Heinz Sielmann Stiftung unterstützt wird. Außerdem bietet der als Bodensee-Guide und Erlebnispädagoge ausgebildete Jacobi mehrstündige und sogar mehrtägige Wanderungen mit den Ziegen an. In Überlingen sind seine Kindernachmittage „Wie Heidi und Peter“ fester Bestandteil des Ferienprogramms für junge Urlauber.

Sie versammeln sich nun um Jacobi, der sie in den nächsten Stunden an seiner Begeisterung für die Ziegen teilhaben lässt. Sie hören, dass Zäune oft kein Hindernis sind und man die Tiere immer wieder suchen und einfangen muss. Dass es keineswegs blöde Ziegen, sondern ausgesprochen wache und raffinierte Wesen sind. Dass sie an heißen Sommertagen nicht über die Haut schwitzen, sondern sich mit heraushängender Zunge über die Atmung abkühlen und Temperatur sogar über ihre Hörner abgeben können. Außerdem kommen sie fast immer als Zwillinge zur Welt. Deshalb tragen Jacobis Ziegen häufig miteinander verbundene Namen wie Max und Moritz, Zimt und Zucker, David und Goliath.

Braune Böhnchen markieren den Weg

Dann wagen die Kinder mit dem Striegel in der Hand die ersten Annäherungsversuche. „Ihr könnt die Tiere überall bürsten – nur nicht am Kopf“, erklärt Jacobi. Die Schwarzwaldziege Goliath lässt es sich geduldig gefallen, die Kinder werden mutiger und rücken näher. Dann bringt Jacobi den Sattel, der aus Holz und Decken konstruiert ist und an dem Gepäck festgebunden wird. Heute steht zwar nur ein kurzer Spaziergang in Überlingen auf dem Programm, aber bei mehrtägigen Wanderungen dienen die Ziegen nicht nur als interessante Begleiter, sondern auch als Packtiere, die je nach Training bis zu 20 Kilogramm tragen können.

Der Spaziergang kann beginnen. Den Kindern, die Goliath gerne an einem Strick geführt hätten, erklärt Jacobi, dass Ziegen die einzigen Packtiere sind, die man nicht führen muss. Sie laufen frei, allerdings müssen alle drei Regeln beachten. Erstens: Die Ziege niemals an den Hörnern fassen, denn das ist eine Aufforderung zum Kampf, so Jacobi. Zweitens: Immer mit gutem Beispiel voran gehen. „Wenn die Ziegen anfangen, Rosen in den Gärten anzuknabbern, müssen wir eine dichte Herde bilden, die schnell daran vorbei geht. Nur so werden sie uns folgen.“ Und drittens: „Wir können uns nicht verlaufen, denn die braunen Böhnchen markieren den Weg. Sie sind allerdings nicht aus Schokolade“, sagt Jacobi und grinst dabei in die Runde.

Nach den ersten Minuten, in denen die Ziegen um die Wandergruppe herumwuseln, legt sich die Aufregung. Bei den Kindern ebenso wie bei den Tieren. Letztere knabbern hier und da und besonders gerne an allem, was Dornen hat. Die Gruppe spaziert unter einem tropfenden Blätterdach hindurch über einen schmalen Waldweg, der sich mit einem Mal öffnet und zu einer Wiese voller Obstbäume führt. Das Gras ist regennass und die kleinen Äste am Boden knacken, wenn die zwei- und vierbeinigen Wanderer darauf treten. Die Ziegen zerren an Blättern und rupfen an Kräutern, zu denen Jacobi auch viel zu erzählen weiß.

Streuobst lockt die Ziegen

Die Kinder spazieren munter mit und halten mit den Ziegen Schritt. Während sich die einen häufig umdrehen und schauen, ob vielleicht von hinten ein Vierbeiner stürmisch naht, gehen die anderen gelassen weiter und lassen sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Immer wieder sammeln die Kinder Blätter und Äpfel, um die Tiere zu füttern, doch die interessiert das wenig. Sie stürmen voran, bis die nächste Streuobstwiese lockt.

Die Zeit mit den unternehmungslustigen Tieren vergeht im Nu und am Ende sind alle wieder gemeinsam dort angekommen, wo sie gestartet sind. Für heute ist die Wanderung zu Ende. Vielleicht wird ja beim nächsten Mal eine mehrtägige Tour draus, bei der die Kinder sicher noch etwas Neues über die Ziegen lernen. Und sich obendrein abends an einer meckernden Wärmflasche erfreuen können.

Info

INFO:

Ziegentrekking: Jörg Jacobi macht mit seinen Ziegen kurze Touren, aber auch mehrtägige Wanderungen, die er nach Wunsch für eine Gruppe zusammenstellt. Außerdem veranstaltet er etliche öffentliche Touren, zu denen man sich anmelden kann. „Wie Heidi und Peter“ hießen die Kindernachmittage, die Jörg Jacobi während der Sommermonate regelmäßig in Überlingen anbietet. Information über alle Touren unter Telefon 0 75 51 / 9 49 38 88, www.ziegentrekking.de