Nicole Groß hat als Standesbeamtin ihre Berufung gefunden. Für rund 200 Brautpaare im Jahr gestaltet sie die Trauung zu einem ganz besonderen Tag. Foto: Waltraud Daniela Engel

Ein Tag im Leben von Standesbeamtin Nicole Groß bietet viel Abwechslung. Die 36-Jährige hat mit diesem Beruf ihre Berufung gefunden.

Vaihingen - Voll beladen tritt Nicole Groß ihren Dienst am Samstagvormittag an. Die schwarzen hochhackigen Schuhe sowie eine Flasche mit selbst gemachter Ingwer-Minze-Limonade unter die Arme geklemmt und den Schlüsselbund für das Vaihinger Rathaus in der Hand, holt sie noch ein paar Akten aus dem Büro, bevor die Standesbeamtin im Laufschritt Richtung Alte Kelter aufbricht.

„Ich kann einfach niemanden in Flip-Flops trauen“, sagt Groß und lacht. Aber für die letzten Vorbereitungen für die zwei Eheschließungen an diesem Tag sind die bequemen Schuhe bei fast 40 Grad Außentemperatur genau richtig. Für halb zwei hat sich die Sängerin der ersten Hochzeit zum Einsingen angekündigt – schließlich soll nachher jeder Ton sitzen. Vor der Trauung möchte Groß noch die Holztore an der Kelter öffnen, die Blumen arrangieren und die Kerzen anzünden. Und die pinkfarbene Stretchlimousine, in der die erste Braut sitzt, muss auch noch auf den Parkplatz dirigiert werden.

Der Beruf ist für die Beamtin eine Berufung

„An sich ist eine Eheschließung ein Verwaltungsakt“, sagt Groß. Rein rechtlich schließen die Eheleute einen Vertrag ab, der mit der Unterschrift besiegelt wird. Trotzdem, so die 36-Jährige, sei eine Trauung immer mit jeder Menge Emotionen verbunden. „Deshalb ist der Beruf für mich mehr eine Berufung“, sagt Groß. Während der Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten hospitierte die 36-Jährige auch im Standesamt in Steinenbronn und entschied sich sofort dafür, Standesbeamtin zu werden. Eine zusätzliche Ausbildung auf der Akademie für Personenstandswesen in Bad Salzschlirf in der Nähe von Fulda folgte. 2003 wurde sie als Standesbeamtin nach Vaihingen bestellt und traut seither etwa 200 Paare pro Jahr.

Viele Brautpaare wissen nicht, dass zu dem Verwaltungsakt „Eheschließung“ auch ein enormes Wissen im Bereich des Personenstandsrechts gehört. So ist zum Beispiel eine Hochzeit in Las Vegas, mit anschließender Blitzscheidung, nicht automatisch in Deutschland anerkannt, sondern muss erst ein gerichtliches Verfahren zur Bestätigung durchlaufen. Sonst gilt man immer noch als verheiratet. „Gerade dass man mit so verschiedenen internationalen Gesetzen zu tun hat, ist spannend“, sagt Groß. In ihrer Freizeit lese sie deshalb auch gerne mal einen Gesetzestext.

Beim Ja-Wort fließen Schweißtropfen und Freudentränen

Dem ersten nervösen Brautpaar des Tages ist das Personenstandsrecht aber merklich egal. Da sich Braut und Bräutigam nicht vorab sehen wollen, verweist Nicole Groß die Brautleute bestimmt in separate Nebenräume: eine Abstellkammer und einen Lagerraum. Dort wird es zum ersten Mal offiziell. „Hat sich seit ihrer Anmeldung zur Ehe etwas geändert“, fragt Groß die junge Braut. Jetzt sei der letzte Moment, um zum Beispiel den gewählten Ehenamen zu ändern. Nein, keine Änderung. Der Bräutigam beruhigt derweil seine Nerven mit einem Glas Sekt. Whisky wäre ihm lieber gewesen – aber betrunken darf die Standesbeamtin ihn nicht verheiraten.

Fünf Minuten später betritt der Bräutigam den Saal, kurz darauf folgt die Braut am Arm ihres Vaters. Am Zittern des Blumenstraußes sieht man die Aufregung. „Viele sagen, die Hochzeit soll der schönste Tag im Leben sein“, sagt Groß zu Beginn und fährt fort „Das wünsche ich Ihnen beiden nicht.“ Im Gegenteil: Es mögen noch viel schönere Tage kommen, so die Standesbeamtin. Von der Rede bekommen weder Braut noch Bräutigam viel mit. Beim Ja-Wort fließen nicht nur Schweißtropfen, sondern auch ein paar Freudentränen die Wangen hinunter. Nach knapp 20 Minuten ist alles vorbei. Noch zwei Unterschriften, und Nicole Groß verabschiedet die frisch gebackenen Eheleute mit den Worten: „Ich hoffe, wir sehen uns hier nicht wieder.“ Rund 1300 Paare hat Nicole Groß seit dem Jahr 2003 in Vaihingen schon getraut. Ein paar davon als Wiederholungstäter. „Ich glaube, dass es für jeden den richtigen Partner gibt“, sagt die 36-Jährige. Manche brauchen eben zwei oder drei Anläufe, um ihn zu finden. Sie selbst habe ihn bisher noch nicht gefunden. Der einzige Mann in ihrem Leben ist momentan ihr 14-jähriger Sohn. „Er ist das Beste, was mir je passiert ist“, sagt sie.

Wie eine glückliche Ehe verlaufen soll, dafür hat auch die routinierte Standesbeamtin kein Patentrezept. Sicher ist: der Tag der Hochzeit ist nicht entscheidend. „Es kann in Strömen regnen, die Torte umfallen und Streit mit der Schwiegermutter geben und trotzdem 30 Jahre halten“, sagt Groß. Als Standesbeamtin kann sie nur ihr Möglichstes tun, um den Tag besonders zu gestalten. Deshalb achtet sie nach der Trauung darauf, dass alle Fotografen schnell noch ein paar Bilder machen, die Blumenkinder fleißig Blüten streuen, und die Trauzeugen die Blumen wieder wegkehren. Schließlich wartet schon das nächste nervöse Paar darauf, den Bund fürs Leben zu schließen.