Ute Züfle (re.) und ihre Mitarbeiterin haben Respekt vor den Toten. Foto: Waltraud Daniela Engel

Ute Züfle ist Bestatterin und kümmert sich um Verstorbene und deren Angehörige. Sie muss einerseits viel organisieren, andererseits Mitgefühl zeigen.

Möhringen - Der Arbeitsalltag von Ute Züfle beginnt an diesem Tag in der Tiefgarage des Diakonie-Klinikums. Es könnte aber genauso gut jedes andere Krankenhaus in Stuttgart sein. Gemeinsam haben die Klinken immer, dass die Verstorbenen in Kühlräumen im Keller liegen, durch lange, neonbeleuchtete Flure getrennt von den Patienten, für die Hoffnung auf Heilung besteht.

„Wir holen heute zwei Verstorbene ab“, sagt die Bestatterin. Selbst wenn es um den Tod geht, ist man in Deutschland bürokratisch. Zuerst werden die Papiere gesichtet, die Totenscheine abgeglichen, eine Gebühr bezahlt und dann erst erhält Ute Züfle den Schlüssel für den Kühlraum. So soll gesichert werden, dass niemand die Toten entwendet.

Jede Menge Formulare

Im Kühlraum riecht es nach Desinfektionsmittel und Kaffee. Der soll andere Gerüche neutralisieren. Auf einem Tischchen wieder ein Ordner mit Formularen. Jeder Bestatter muss darin eintragen, welchen Verstorbenen er mitnimmt. „So meine Liebe. Wir holen Sie ab, um Sie für Ihre zwei Männer hübsch zu machen“, sagt Züfle zu der Verstorbenen, die in weiße Laken gehüllt auf dem metallenen Schragen liegt. Vorsichtig, fast liebevoll, bettet die Bestatterin zusammen mit ihrer Mitarbeiterin die Tote auf die Trage. Die Dame war sehr krank, der Tod vielleicht eine Erlösung. Ihr Gesicht ist friedlich. „Es ist für Angehörige trotzdem unfassbar, wenn ein geliebter Mensch verstirbt“, sagt Züfle.

Der zweite Verstorbene war ein großer Mann – fast ein bisschen zu lang für die Trage. Einem alten Bestattertrick zufolge bittet Züfle ihn einfach um Hilfe: „Ach, helfen Sie ein bisschen mit“, sagt die 36-Jährige. Tatsächlich klappt es – die Trage ist doch lang genug.

Züfle hat als Krankenschwester auf der Intensivstation gearbeitet. Ständig mit Sterben und Tod konfrontiert, merkte sie, dass es sie nicht erfüllte. Nach einer Hospitanz bei einem Bestatter, bei dem sie auch ihre jetzige Geschäftspartnerin Chantal Häfner kennengelernt hat, beschloss sie, sich selbstständig zu machen. „Ich wollte es mit Leib und Seele.“ Mittlerweile haben die beiden neben dem Büro in Möhringen auch eine Zweigstelle an der Breitscheidstraße im Stuttgarter Westen.

Wer möchte, kann in seiner Kleidung bestattet werden

Dorthin bringt sie auch die Verstorbenen, um sie im Kühlraum des Bestattungsinstituts für ihre letzte Feier zu versorgen. Wer möchte, kann in seiner eigenen Kleidung bestattet werden, die Lieblingsdecke oder auch mal ein Kuscheltier dürfen auch mit in den Sarg. Dies vorab zu bestimmen, erleichtere den Angehörigen oft schwierige Entscheidungen. Die Verstorbene vom Morgen bekommt eigene Kleidung. Ein hübsches Twinset, dazu die Lieblingsjeans und farblich passende Schuhe.

„Ich sage jedem Angehörigen, dass man die Verstorbenen ruhig berühren kann“, sagt Züfle. Manche könnten erst dann erfassen, was geschehen sei. Sie selbst hat keine Berührungsängste. Jeder Verstorbene wird respektvoll behandelt. Ein einseitiger Plausch als letztes Gespräch. Gerade bei Bestattungen, wo es keine Angehörigen gibt, sind Züfle und ihre Kollegen die letzten, die den Verstorbenen sehen. „Wir erweisen ihnen die letzte Ehre“, sagt Züfle während sie der Verstorbenen auf dem Tisch die Haare föhnt. Ein bisschen Gesichtscreme, ein wenig Schminke und man könnte meinen, sie schläft.

Den Tod will Züfle nicht „wegschminken“, sagt sie. Aber der letzte Blick auf die Verstorbenen ist eine bleibende Erinnerung – deshalb helfe ein wenig Rouge. Kraft für ihre Arbeit bekommt die 36-Jährige nicht nur aus der Familie, sondern auch von den Verstorbenen und Hinterbliebenen selbst. „Man bekommt soviel vom Leben und der Liebe mit.“ Gerade in der Ausnahmesituation des Todes reagiert jeder anders – und keiner falsch. „Wir helfen im Trauerprozess mit allem, was im gesetzlichen Rahmen ist und dem Guten dient“, sagt die Bestatterin. Wer möchte, kann den Verstorbenen auch 36 Stunden zu Hause behalten. Oder die Urne – dank einer legalen Grauzone – auf den Kaminsims stellen. „Wer zum Beispiel einen Grabplatz in der Schweiz nachweisen kann, darf die Urne 50 Jahre zur Abschiednahme mit nach Hause nehmen“, erklärt Züfle.

Die verstorbene Dame wird ganz regulär bestattet. Die Lieblingsdecke nimmt sie mit in den Sarg. Etwas, dass sich Ute Züfle ebenfalls wünscht – auch wenn sie selbstverständlich hofft, noch lange nicht an der Reihe zu sein.