Nach Rio Reiser, der 1996 starb, soll ein Platz benannt werden. Foto: dpa

Eigentlich dürfen in Kreuzberg neue Straßen nur nach Frauen benannt werden. Demnächst könnte der Mariannenplatz trotzdem nach Rio Reiser heißen.

Berlin - Moses Mendelssohn war ein großer Berliner Philosoph. Es hätte also Grund genug gegeben, den Platz vor dem Jüdischen Museum nach ihm zu benennen. Der Mann hatte allerdings ein Problem: Er war keine Frau. Das an sich ist noch nicht ehrenrührig. Aber wenn es dann noch um eine Ehrung geht, und das ausgerechnet im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, dann wird es für Y-Chromosomträger schwierig.

Hier nämlich darf nach einem schon etwas älteren Beschluss des Kommunalparlaments so lange keine Straße nach einem Mann betitelt werden, bis jeder zweite Straßennamen auf eine Frau verweist. Das kann noch eine Weile dauern. Außerdem stammt die Regelung, das muss man kritisch anmerken, aus einer Zeit, in der man queerpolitisch noch sehr unsensibel dachte: Mann oder Frau! Und der Rest? Im Fall des Herrn Mendelssohn einigte man sich nach etlichen Jahren und schlechter Presse auf einen Kompromiss: Der Platz heißt inzwischen nach dem Philosophen samt Gattin – Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz. Aber in dem grün geführten Bezirk geht es in Gleichstellungsfragen auch undogmatisch – und zwar immer dann, wenn es ideologisch irgendwie anderweitig passt. So kam es zum Beispiel, dass die Straße vor dem Axel-Springer-Verlag vor Jahren nach dem eindeutig männlichen Studentenführer Rudi Dutschke benannt werden konnte, wogegen seinerzeit zwar der Springer-Verlag klagte, dies allerdings nicht mit frauenpolitischen Argumenten begründete.

Nun wird wieder eine Umbenennung diskutiert – und diesmal könnte sie auch noch einen Frauennamen betreffen: Der Mariannenplatz, Kulminationspunkt friedlicher Demos und wilder Krawalle, könnte demnächst nach Rio Reiser benannt werden. Der Sänger und Kopf der Band Ton, Steine, Scherben hat lange in Kreuzberg gelebt. „Der Mariannenplatz war blau, so viele Bullen waren da“ – auf diese Liedzeile aus Rios berühmtem „Rauch-Haus-Song“ verweist die Linkspartei in ihrem Antrag. Wenigstens beansprucht man für den König von Deutschland nur die eine Hälfte des Platzes. Die andere könnte weiter nach der Preußenprinzessin Marianne heißen. Dann kann wenigstens keiner sagen, man habe nicht auf Diversität geachtet.