Mehr als 200 Menschen haben sich an der Suche nach Flecki beteiligt. Nun fahndet eine professionelle Tierrettung nach dem verschwundenen Mischlingshund. Wo genau, soll geheim bleiben.

Dornstadt - Susi ist unruhig. Die braunweiß gefleckte Hündin schnüffelt am grasigen Boden, zieht an der Leine, schaut etwas unglücklich zu ihrem Herrchen. „Susi ist eigentlich schon begehrt bei männlichen Hunden“, sagt Gerhard Wenger. Früh am Morgen ist der 67-jährige Rentner an diesem Donnerstag aus Nürtingen (Kreis Esslingen) aufgebrochen. Um 7.30 Uhr hat er sich ins Auto gesetzt, Hund und Leine eingepackt und ist auf der A8 in Richtung Ulm gefahren. Sein Ziel: der Parkplatz Kemmental kurz nach der Autobahnausfahrt Dornstadt. Seine Mission: Flecki finden.

Flecki ist inzwischen nicht mehr nur in Dornstadt ein Begriff. Ganz Deutschland nimmt durch die Medien teil an der Suche nach dem entlaufenen Hund. Lisa Metzler (24) und ihr Verlobter Sven Hossalla (36) hatten den schwarzen Mischling mit dem weißen Brustfleck aus einem Kroatien-Urlaub mitgebracht, aus einer privaten Auffangstation für herrenlose Tiere. Auf dem Rückweg zu ihrem Heimatort Longuich bei Trier wollte das Paar dem Tier eine Rast auf dem Parkplatz Kemmental gönnen. Dann knallte es. Flecki erschrak und lief weg, rannte voll Panik in das angrenzende Waldstück.

Zehn Tage harrten Metzler und Hossalla auf dem Parkplatz bei Dornstadt-Temmenhausen aus. Durchkämmten den Wald und warteten darauf, dass Flecki zu ihnen zurückkäme. An Tag elf haben sie ihre Zelte abgebrochen. Gerhard Wenger und Susi sind am Donnerstag die rund 70 Kilometer umsonst gefahren. Metzler und Hossalla sind umgezogen an einen Ort, der geheim gehalten wird – zu viele Menschen sind auf den Parkplatz Kemmental gefahren, haben Flecki mit ihrer Aufregung und ihrem Lärm von seinen Besitzern fern gehalten.

Mehr als 200 Leute waren auf der Suche nach Flecki

Anfangs haben Metzler und Hossalla die Hilfe noch gerne angenommen. Aus dem nahegelegenen Dorf Temmenhausen brachten Anwohner Lebensmittel, Stühle und einen Pavillon – sogar einen Wohnwagen stellte einer der Helfer zur Verfügung. Ein Paar aus Temmenhausen brachte den beiden jeden Morgen frischgebrühten Kaffee vorbei, ein Jäger kümmerte sich um die Aufstellung von Lebendfallen. Dann bekamen die Medien Wind von der Sache. Fleckis Vorbesitzerin trampte von Kroatien nach Dornstadt, um den Hund mit dem Duft ihrer getragenen T-Shirts anzulocken. Irgendwann wurde alles zu viel.

„Mehr als 200 Leute waren zeitweise auf der Suche nach Flecki, sind zum Teil laut schreiend durch den Wald gelaufen – einige hatten sogar ihre läufige Hündin mit dabei“, sagt Angela Kazmaier vom medizinischen Tierrettungsdienst UNA (Union für das Leben e. V.), der die Suche nach dem Hund seit dem vergangenen Dienstag professionell betreut. „Flecki ist ein scheuer und ängstlicher Hund. Er hat große Angst vor Menschen“, sagt Kazmaier. „Die Leute haben es sicher gut gemeint. Ihre Hilfsversuche waren aber einfach nur kontraproduktiv.“

In den ersten Tagen nach seinem Verschwinden hat Flecki noch einige Male versucht, zu seinen Besitzern zurückzukommen, sagt Angela Kazmaier: „Zwei, drei Mal hat er sich sogar bis ans Auto herangetraut. Durch den Trubel am Parkplatz wurde er dann aber jedes Mal wieder verschreckt. Gut gemeint ist eben nicht immer gut gemacht. Die selbsterklärten Helfer ließen sich mitunter einiges einfallen – wie zum Beispiel Maximilian Geiger von der Freiwilligen Feuerwehr Dornstadt. Weil er bei der nächtlichen Suche im Wald nicht viel erkennen konnte, holte der 22-jährige Feuerwehrmann die Wärmebildkamera seines Vereins. „Das war aber ergebnislos“, gibt Geiger zu. „Außer ein paar Füchsen und Rehen haben wir nichts gesehen.“

Die Hilfsbereitschaft in Temmenhausen sei insgesamt außerordentlich hoch gewesen, sagt der junge Mann. Auch er selbst habe großen Respekt vor der Hartnäckigkeit des wartenden Paares an der Autobahn.

Zuletzt gesichtet wurde Flecki am Donnerstagmorgen

Am Mittwochabend hat die UNA das Lager von Metzler und Hossalla schließlich verlegt, um Flecki eine ruhigere Anlaufstelle zu bieten. Denn still ist es wahrlich nicht, auf dem Parkplatz an der A8, und das auch ohne Helferscharen: Dröhnende Lastwagen fahren in schneller Abfolge ein, auf den Grünflächen rasten Familien und lärmende Schulklassen. Die vorbeirasenden Autos bilden eine rauschende Geräuschkulisse. Gegenüber türmt sich der Schutt: Schwere Maschinen wälzen Erdberge für das Bahnprojekt Stuttgart 21. Durch Sprengarbeiten kommt es hier immer wieder zu lauten Explosionen.

Zuletzt gesichtet wurde Flecki am frühen Donnerstagmorgen. Ein paar Kilometer entfernt vom Parkplatz Kemmental, da, wo auch Metzler und Hossalla ihr Lager neu aufgeschlagen haben. Nur noch eine ehrenamtliche Helferin des Tierrettungsdiensts ist mit einem Einsatzwagen bei ihnen, legt Fährten und Futterspuren und überwacht diese mit Kameras. Mit diesen erstellt sie ein Bewegungsprofil von Flecki. Wenn der Hund auftaucht, will sie ihn mit einem großen Überwurfnetz einfangen.

Beauftragt hat die Tierretter nach Angaben der UNA der private Fernsehsender Sat 1. Doch der Reporter vor Ort weiß davon nichts. Möglicherweise deshalb, weil Sat 1 nur den Sprit der UNA-Fahrzeuge bezahlt.

"Der Erfolg steht und fällt mit den Sichtungen"

Wie aber soll es nun weitergehen im Falle Flecki? „Der Erfolg steht und fällt mit den Sichtungen, die uns Anwohner mitteilen“, sagt UNA-Sprecherin Angela Kazmaier. Und das, obwohl die vielen Helfer ja nun nicht einmal mehr wissen, wo genau Metzler, Hossalla und – vielleicht – auch Flecki sich in etwa aufhalten.

Gerhard Wenger hat seine Suche für heute aufgegeben. „Kurz habe ich geglaubt, ich hätte Flecki in der Ferne entdeckt“, sagt er. In der Nähe von Temmenhausen habe er etwas Schwarzes in den Feldern gesehen. Doch wieder nichts. Nun kehrt er mit seiner Hündin nach Nürtingen zurück. Die Warterei geht also weiter. Mitunter kann solch eine Suchaktion Monate dauern.