Beim Unwetter in Schwäbisch Gmünd vor einem Jahr starben zwei Menschen. Foto: dpa

Immer mehr Städte erarbeiten Konzepte, um sich gegen Sturzfluten zu schützen. Vorbildlich sind acht Kommunen entlang der Glems im Landkreis Ludwigsburg.

Stuttgart - Sturzfluten lassen sich nicht verhindern, aber man kann zumindest ihre Wucht vermindern – und tatsächlich haben sich seit der Katastrophe im hohenlohischen Braunsbach vor einem Jahr einige Kommunen auf den Weg gemacht, um Vorsorge zu treffen. Das Land fördert solche Konzepte mit einem Zuschuss von 70 Prozent, und Ralf Heineken, der Sprecher des Umweltministeriums, sagt: „Sechs Anträge sind bereits genehmigt, 15 werden gerade abgestimmt, weitere Anträge sind angekündigt.“ Bei 1100 Kommunen in Baden-Württemberg ist das nicht die Welt, aber immerhin ein Anfang.

Im Unterschied zu Hochwasser ist Starkregen, wie der Fachbegriff lautet, nur schlecht vorhersehbar. Und bei heftigen Gewittern bahnen sie sich womöglich selbst dort Bahn, wo gar kein Bach ist. Mit Dämmen oder Rückhaltebecken allein ist es nicht getan. Im August 2016 hat das Umweltministerium nun einen überarbeiteten Leitfaden für die Kommunen herausgegeben. Das Papier trägt den sperrigen Titel „Kommunales Starkregenrisikomanagement“. Drei Bausteine hat ein solches Konzept in der Regel. Erstens beauftragt die Gemeinde ein Ingenieurbüro, das Überflutungskarten bei Starkregen erstellt (für Hochwasser gibt es solche Karten schon frei zugänglich unter www.udo.lubw.baden-wuerttemberg.de).

Wenn klar ist, wo Wasser bei Sturzfluten durch den Ort rauschen könnte, folgt als zweiter Baustein die Risikoanalyse: Wo sind etwa Schulen oder Kindergärten bedroht, wo führt eine querstehende Wand zu einer Aufstauung des Wassers, bei welcher Tankstelle könnte Benzin auslaufen, wo werden Unterführungen zu einer Gefahr für den Menschen? Daraus wird dann in einem dritten Schritt ein Handlungskonzept erarbeitet. Wie kann man das Wasser teilweise aus dem Ort fernhalten oder umlenken? Welche Gebäude benötigen besonderen Schutz? Wie sollen die Einsätze von Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst koordiniert ablaufen?

Oft kann man mit wenig Geld viel erreichen

Wie ein solcher Prozess vorbildhaft aussieht, zeigen acht benachbarte Kommunen, von Stuttgart bis Markgröningen im Kreis Ludwigsburg entlang der Glems. Nach zwei verheerenden Regengüssen in den Jahren 2009 und 2010 mit Schäden in Millionenhöhe erarbeiteten sie ein gemeinsames Konzept, und vieles davon ist mittlerweile umgesetzt. So wurde an der Konrad-Kocher-Schule in Ditzingen, die an einem Hang liegt, das Gelände neu modelliert, damit das Wasser weggelenkt wird und schneller abfließen kann; vor den Gebäuden sorgen Steinmauern und höhere Bordsteine dafür, dass das Wasser nicht so schnell eindringen kann. Das alles habe 65 000 Euro gekostet, sagt der Planer im Ditzinger Rathaus, Anton Schühle: „Man braucht nicht immer ein Millionenbudget, um etwas zu erreichen.“ Allerdings müssten sich die Kommunen auf einen langen Weg einstellen – auch Ditzingen sei längst noch nicht am Ziel.

Man habe knapp 20 gefährdete Gebäude identifiziert: „Aber es dauert, bis Baumaßnahmen umgesetzt und Einsatzpläne erstellt sind“, sagt Schühle. Eine deutliche Verbesserung verspricht sich Ditzingen von einigen anderen Neuerungen: Das Regierungspräsidium wolle „Regenschreiber“ an kleinen Gewässern installieren, und die Kommunen haben vor, Pegel an der Glems einzurichten, um die Vorwarnzeit zu verlängern. Für den Bürger bietet der Deutsche Wetterdienst seit dem vergangenen Sommer einen neuen Service: Er gibt über seine App „WarnwetterUnwetterwarnungen nun „gemeindescharf“ heraus; zuvor konnte er dies nur kreisweit tun.

Laut dem Gemeindetag findet ein Umdenken statt

Stefan Braun, der Umweltreferent des baden-württembergischen Gemeindetags, sieht bei den Kommunen ein Umdenken. Die Katastrophen vor einem Jahr hätten ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass es fast jede Gemeinde fast aus dem Nichts treffen könne. In der neuen Ausgabe der Zeitschrift des Gemeindetages ist der Problematik ein Schwerpunkt gewidmet.

Grundsätzlich seien Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen am stärksten gefährdet, heißt es im Starkregen-Handbuch des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Der Leitfaden des Landes führt mehr als 300 Ereignisse seit 1980 in Baden-Württemberg auf; bei 36 davon fielen mehr als 60 Liter pro Quadratmeter Regen in kurzer Zeit – das ist mehr als oft im gesamten Monat. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz rät übrigens bei Starkregen, im Gebäude zu bleiben, den Strom in jenen Bereichen abzustellen, wo Wasser eindringen könnte und bei Problemen den Notruf der Feuerwehr zu wählen.