Hungernd und durstend, von Räubern überfallen: Man staunt, wie Menschen einst unterwegs waren. Früher waren Reisen oft ein gefährliches Abenteuer.

Mit der Tierwelt auf Java kann sich Johann Jakob Merklein 1647 nicht so richtig anfreunden: „Bey meiner Zeit eine grosse Schlange ins Castel Batavia gebracht worden, die eine ganze indianische Frau; eine andere, die 36. Schuh lang war, ein ziemlich grosses, wildes Schwein gantz eingeschluckt haben.“ Mehr als 200 Jahre später staunt Kollege James Theodore Bent im Oman über eine ganz andere Spezies: „In Hadramaut hatten wir uns gewundert, daß Kamele Fische fressen; hier in Dhofar wunderten wir uns, daß Kamele mit großem Vergnügen Knochen fraßen; wenn sie welche am Wegesrand sahen, konnte nichts und niemand sie davon abbringen, sich darüber herzumachen.“

Aber was war das schon gegen die Kreatur, mit der sich Ernst-Hesse Wartegg 1879 in Dodge City herumschlagen muss: „Ein Schwarm von Fliegen, deren es in den Prärien in unglaublichen Massen gibt, bemächtigte sich sofort unserer Nasen und Hände, als wären sie mit Zucker bestreut gewesen. Das Souper war vollständig ungenießbar, und selbst die gebratenen Fliegenleiber, die wir mit hinunterschlucken mußten, konnten das Futter nicht würzen.“ Ja, früher. Früher war die Fremde noch unbekannt und das Reisen ein hinreißendes Abenteuer. Jeder Schritt steckte voller Überraschungen, oft wusste man nicht, ob man am Ende zurückkehren würde.

Aufregend, amüsant, erhellend - und höchst riskant

Entsprechend farbig, schrill und begeistert fielen die Berichte der Reisenden auch aus. Die Geografin Ulrike Keller hat auf ihrer Website www.reiseliteratur-weltweit.de über 1000 davon gesammelt: Auszüge aus Büchern von Diplomaten, Forschern, Kaufleuten, Piraten, Missionaren, Straflagerinsassen und Matrosen, von Herodot um 600 v. Chr. bis in die Gegenwart. Das ist aufregend, amüsant, erhellend - und höchst riskant für Leserin und Leser: Die Gefahr, sich festzulesen und erst Stunden später etwa mit Richard Kandt 1901 aus einem Dschungelgewitter im Kongo wieder aufzutauchen, ist enorm: „Das hier war kein Donner, wie ich ihn kannte, das rollte nicht und polterte nicht, nein, das war als führen tausend Riesenschwerter zischend durch die Luft, als klirrten tausend Riesenschilder wütend gegeneinander, und dann wieder krachte es, als berste die Erde an hundert Stellen und wolle alle Kreatur verschlingen“.

Was für eigenartige Wesen doch diese Welt bewohnen! Carl Friedrich Behrens kann nur den Kopf schütteln, als er 1722 die Osterinsel entdeckt: „Wir gaben diesem Südländer oder fremden Gast ein Glas Wein zu trinken, er nahm es und stürzte es in seine Augen, worüber wir uns verwunderten.“ Johann Peter Reichart, holländischer Ma-trose, muss sich 1735 in Kanton mit den Feinheiten chinesischer Körperpflege auseinandersetzen.

„Dann haben sie einen kleinen Besen, in Form eines runden Stöberbesens, den sie, nachdem sie die Ohren gesäubert haben, hineinstecken, so daß er fast auf der anderen Seite hinausgehen sollte, und drehen ihn so geschwinde mit beiden Händen herum, daß man ein entsetzliches Geräusch und hupfende Bewegung spürt.“ Während Emmanuel Heath, nachdem er 1692 das Erdbeben von Port Royal überlebt hat, sich über die Einwohner von Jamaica nur noch gruseln kann: „Sie sind so gottlos, ich fürchte, es stehen ihnen noch schlimmere Dinge bevor, Gott wird sie bald vernichten.“

"Das Brot ist denkbar ausgezeichnet"

Man trifft hier mit Luigi Barsini per Automobil 1907 in Ulan Bator ein, bestaunt mit den Augen Lady Mary Anne Broomes die blühende Wüste in Westaustralien und begegnet neben Wladimir Arsenjew in der Wildnis Ostsibiriens einem Tiger. Und furchtlos kostet man natürlich von fremden Tischen. Michel de Montaigne hat da endlich einmal nichts zu meckern: „Es vergehen wenig Mahlzeiten, ohne daß man einem Zuckerwerk oder Büchsen mit Eingemachtem anbietet. Das Brot ist denkbar ausgezeichnet. Die Weine sind gut.“

Drei Sterne für Augsburgs Küche, im Jahre 1580. John Palliser dagegen verwundert sich ein wenig über die Frühstückgewohnheiten seiner Mitreisenden, als er 1847 mit dem Dampfer auf dem Mississippi unterwegs ist: „Schon hört man den Barkeeper rufen: ,Also Gentlemen, treten Sie näher, treten Sie näher, was darf es denn sein?’ Und mit diesen Worten beginnt die Reihe der Brandy Smashes, Mint Juleps, Gin Slings und Whiskey Cocktails. Gewisse Herrn kann man dann beobachten, wie sie sich mit tränenden Augen an den Frühstückstisch setzen; hervorgerufen durch einen Schluck Whiskey oder Wermut, der sehr elegant als Hustensaft bezeichnet wird.“