In Waiblingen angekommen: zu Ebrima Kantehs Aufgaben gehört es, die Säle im Büze je nach Veranstaltung zu bestuhlen. Foto:  

Kodjo Afangbe aus Togo hilft den Anlieferern auf der Kreisdeponie beim Müllsortieren. Der Gambier Ebrima Kanteh sorgt mit dafür, dass im Bürgerzentrum alles rund läuft.

Winnenden - Seit zwei Jahren ist Kodjo Afangbe in Deutschland. Seine Flucht aus dem westafrikanischen Staat Togo, die vor fünf Jahren begann, führte ihn über Libyen, Italien, Bremen und Karlsruhe letztlich in eine Gemeinschaftsunterkunft nach Winnenden. Über die genauen Umstände will der 36-Jährige nur ungern sprechen. Auf die Frage nach den Gründen sagt er: „Politikprobleme – wenn ich bleibe, bin ich tot.“ Seine Frau und seine zwei Kinder hat er zurückgelassen. Wenn er darauf angesprochen wird, steigen ihm Tränen in die Augen. Er wünsche sich nichts sehnlicher, als sie nachholen zu können.

Zuerst aber muss über seinen Asylantrag beschieden werden. Was, wenn er abgelehnt wird? „Ich weiß es nicht“, sagt Afangbe, „aber ich kann nicht zurück.“ Statt darüber zu grübeln, richte er den Blick lieber nach vorn. „Deutschland ist ein gutes Land, die Leute sind hilfsbereit, ich will hier leben und arbeiten.“

Die Voraussetzungen dafür hat er selbst geschaffen. Rund ein Dreivierteljahr lang hat er sich im Rahmen des Programms „Beschäftigung von Flüchtlingen“ auf Ein-Euro-Basis auf der Winnender Deponie Eichholz für die Abfallwirtschaftsgesellschaft des Kreises engagiert. Während andere wegen der bisweilen rauen Tätigkeit nach und nach absprangen, blieb er unerschütterlich dabei. „Das hat uns beeindruckt“, sagt der AWG-Sprecher Manfred Siglinger. Als im April durch einen Personalwechsel eine Stelle frei wurde, habe man Afangbe einen festen Job angeboten. Probleme bei der Genehmigung der Stelle habe es nicht gegeben.

Seither zeigt Kodjo Afangbe den Anlieferern unter anderem, wie die Wertstoffe richtig sortiert werden. „Mit seiner kontaktfreudigen, freundlichen Art hat Herr Afangbe auch seine Kollegen für sich eingenommen“, sagt Manfred Siglinger. Nach der Arbeit an der Wertstofframpe werde man ihn demnächst vielleicht probeweise an der Problemmüllsammelstelle einsetzen. Aber dazu müsse er weiter an seinen Deutschkenntnissen arbeiten.

Auch wenn er jetzt für seine Verhältnisse viel Geld verdient, will der Mann aus Togo nicht nur auf der Deponie, sondern auch an sich hart arbeiten. Einen Deutschkurs wolle er unbedingt machen, „ich will in die Schule“, sagt Afangbe. Vorher aber müsse er raus aus der Gemeinschaftsunterkunft, weil er dort wegen des allgemeinen Lärms nicht lernen und sich konzentrieren könne. Doch die Suche nach einer bezahlbaren kleinen Wohnung gestaltet sich schwierig. Sein „Kapo“ von der Arbeit helfe ihm zwar dabei, aber bisher habe man noch nichts Geeignetes gefunden.

Das größte Problem aber bleibt die Unsicherheit, ob sein Asylantrag genehmigt wird. „Ich will hier bleiben, hier ist mein Platz“, sagt Afangbe, während sich seine Augen wieder mit Tränen zu füllen beginnen. „Und ich möchte so gerne meine Familie wiedersehen.“

Ebrimah Kanteh aus Gambiah

Ebrima Kanteh mag Fußball, spielt die afrikanische Djembe-Trommel, und er läuft gerne – was man schon an seinem T-Shirt sehen kann: „45. Waiblinger Stadtlauf 2015“ steht in großen Buchstaben darauf. Und: „Sieger“. Wenn man den 40-jährigen Gambier nach seinem großen Traum fragt, sagt er: „Ich wünsche mir, dass meine Familie herkommt.“

Seine Frau und seine vier, sieben und neun Jahre alten Kinder hat Ebrima Kanteh seit Ende 2012 nicht mehr gesehen. Damals ist er aus seiner Heimatstadt Serekunda geflohen. Er sei misshandelt worden und in Gefahr gewesen, erzählt der Gambier, der nicht weiter ins Detail gehen will. Laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International sind in Gambia Folter, lange Haftstrafen und sogar die Todesstrafe gängige Praxis, um Kritiker des Präsidenten Yahya Jammeh zu bestrafen.

Im Februar 2015 ist Ebrima Kanteh in eine Gemeinschaftsunterkunft in Waiblingen-Neustadt gezogen. Wenige Wochen später hat ihn ein Sozialarbeiter als Kandidat für eine Arbeitsgelegenheit im Bürgerzentrum Waiblingen empfohlen: 100 Stunden im Monat bei einem Stundenlohn von 1,05 Euro. Ebrima Kanteh hatte Interesse, bekam den Job – und legte bereits am nächsten Tag los. Diese Flexibilität imponierte Thomas Vuk, dem Waiblinger Kultur- und Sportamtsleiter. Nach einem halben Jahr, sagt er, sei man sich im Organisationsteam des Bürgerzentrums einig gewesen: „Dieser Mann ist klasse.“

Der technische Leiter des Bürgerzentrums, Sieghart Wahlenmaier, sei ihm wegen einer Festanstellung in den Ohren gelegen, sagt Thomas Vuk, der jedoch das Problem hatte, „dass ich nicht einfach eine Stelle schaffen kann“. Als dann ganz regulär ein 450-Euro-Job frei wurde, war für den Kulturamtsleiter klar, wer diesen übernehmen soll. Thomas Vuk hatte sich für einiges Ungemach gewappnet, als er das Projekt anging. „Die Wirtschaft klagt ja oft, der Aufwand sei viel zu groß.“

Das indes kann Thomas Vuk nicht bestätigen – er hat ganz andere Erfahrungen gemacht: „Ich musste ein Formular für eine Vorrangigkeitsprüfung ausfüllen. Das Arbeitsamt prüft dann, ob sie in der Kartei jemanden hätten, der den Job auch machen könnte.“ Das sei ein bürokratischer Aufwand, sagt Thomas Vuk, er halte das Verfahren aber für richtig. Für ihn als Arbeitgeber sei die Angelegenheit rasch erledigt gewesen: „Man füllt das Formular aus, dann arbeiten andere. Ich hatte das Gefühl, die Arbeitsagentur kümmert sich sehr. Es war ein gutes Miteinander.“

Nach rund sieben Wochen kam der positive Bescheid, der Ebrima Kanteh schließlich zum ersten festangestellten Flüchtling der Stadt Waiblingen machte. Wer eine Veranstaltung im Bürgerzentrum besucht, kann davon ausgehen, dass der 40-Jährige seine Finger mit im Spiel hat, zum Beispiel beim Bestuhlen der Räume, beim Aufbau am Morgen oder beim Abbau in der Nacht. Wie viele andere weiß Ebrima Kanteh noch immer nicht, ob sein Asylantrag bewilligt wird. Wann er seine Familie wiedersieht, ist ebenfalls ungewiss: „Wenn ich etwas Geld habe, telefoniere ich mit ihnen.“