Die Raupe des Eichen-Prozessionsspinners durchläuft fünf bis sechs Entwicklungsstadien bevor sie zum Falter wird. Zurückgebliebene Raupenhaare sind lange haltbar. Foto: dpa-Zentralbild

Seit Jahren geht die Stadt mit einer biologischen Waffe gegen die Raupen des Eichenprozessionsspinners vor. Doch in diesem Jahr arbeitet auch das Wetter gegen die gefräßigen Insekten.

Stuttgarter Norden - Frisch ausgetriebene Eichenblätter sind ihre Leibspeise: Alle Jahre wieder fressen sich die zwischen Ende April und Anfang Mai aus ihren Eiern geschlüpften Raupen des Eichenprozessionsspinners die Äste von Eichen entlang. So auch in Stuttgart. Von den 2300 Eichen, die präventiv gegen den Schädling behandelt werden, stehen rund 600 in den nördlichen Stadtbezirken. Dort sind die Schädlingsbekämpfer seit Freitag unterwegs, denn die Raupen schaden nicht nur den Bäumen. Bei manchen Menschen lösen ihre Haare juckende Hautekzeme oder gar allergische Reaktionen aus.

Harmlos ist der Nachtfalter, der nach der Verpuppung aus den Raupen hervorgeht. Doch auf ihrem Weg zur Verwandlung durchlaufen die Insekten fünf bis sechs Entwicklungsstadien. Etwa im dritten Stadium entwickeln sich bei den Larven Brennhaare mit Widerhaken, die ein Nesselgift, das Thaumetopoein, enthalten. Um Kahlfraß und Schäden bei Menschen zu vermeiden, gehen Kommunen zeitnah gegen die gefräßigen Insekten vor.

Nichts zu fressen für die Tierchen

Verwundert aber nicht wirklich überrascht steht Peter Wendt vor der Eiche am Eingang des Zuffenhausener Freibads. Der Baum steht auf der Liste des Schädlingsbekämpfers aber von frischen, saftig-grünen Blättern ist nichts zu sehen. „Das habe ich mir fast gedacht“, sagt er. Denn in diesem Jahr arbeitet auch das Wetter gegen die Insekten – und zwar in doppelter Weise. Zum einen hemmt nasses und kaltes Wetter, wie es der Frühling derzeit bietet, die Entwicklung der wärmeliebenden Raupen. Zum anderen sind nicht an jeder Eichenart – in der Stadt gibt es verschiedene – Knospen ausgetrieben. „Es war einfach zu kalt im April. Gibt es nichts zu fressen, schlüpfen die Raupen nicht“, erklärt Wendt.

Erfolgreich war Wendt dagegen am Morgen am Killesberg. Dort waren die Eichen grün. Bewaffnet mit einem Sprühgerät und einer Neemöl-Lösung im Tank ist er mittels Hebebühne in die Baumkronen hoch, um das biologische Mittel zu versprühen. Denn oben befinden sich die Nester, aus denen die Raupen sich den Baum hinunterfressen.

Die Stadt kosten die Einsätze jährlich bis zu 150 000 Euro

In Stuttgart werden die Tierchen seit Jahren 2009 mit dieser biologischen Waffe beseitigt. „Wir waren eine der ersten Kommunen, die Neemöl eingesetzt haben“, sagt Volker Schirner, Leiter des Garten-, Friedhofs und Fortsamts. Je nach Befall belaufen sich die Kosten für die Stadt auf jährlich 80 000 bis 150 000 Euro. Das pflanzliche Öl wird aus den Samen des Niembaumes gewonnen. Für Mensch und Tier ist es harmlos. Das Öl wirkt auf den Hormonhaushalt der Schädlinge. Der darin enthaltene Wirkstoff, das Azadirachtin, stört die Synthese von Chitin und verhindert damit, dass sich die Larven häuten und verpuppen können. Gegen ausgewachsene Insekten wirkt das Mittel allerdings nicht mehr.

„Vor Jahren waren wir reaktiv unterwegs. Erst wenn man den Befall festgestellt hatte, wurden die Nester runtergeholt“, erklärt Volker Schirner. Die präventive Methode habe sich zudem bewährt. Man wisse im Voraus zwar nicht, wie sich die Tiere entwickeln, „aber wir haben das Problem ziemlich gut im Griff“.

Damit das so bleibt, wird Peter Wendt in circa acht Tagen wieder in Richtung Freibad ausrücken. „Ich denke, dass bis dahin die Eichen Blätter tragen“, sagt er. Die kommenden zwei Wochen hat er allerdings genug zu tun. Denn auf seinem Programm stehen auch die Bezirke Weilimdorf und Feuerbach. Um sicherzustellen, dass nirgendwo Nester zurückbleiben, werden Mitarbeiter des Forstamts in einem Monat die Bäume nochmal kontrollieren. Wenn sie etwas finden, werden die Nester runtergeholt, denn die giftigen Haare mit der langen Lebensdauer bleiben zurück.