Wolfgang Wagner (rechts in blauer Jacke) erklärt, welche Pflanzen auf den Wiesen des Eichenhains gedeihen. Foto:  

Der Riedenberger Eichenhain war am Wochenende Ausflugsziel für Naturliebhaber. Im Rahmen des Tags der Artenvielfalt haben Expoperten den Teilnehmern erklärt, was in dem Naturschutzgebiet so alles wächst und gedeiht.

Riedenberg - Das Problem sind die Schafe. Nein, es gibt keine Invasion von Paarhufern im Naturschutzgebiet Eichenhain, das sich wie ein schmales Band an den Westrand des Bezirks schmiegt. Das Problem ist vielmehr, dass die Schafe fehlen. „Wir bräuchten dringend wieder eine Beweidung im Eichenhain“, erklärt Wolfgang Wagner vom Stuttgarter Amt für Umweltschutz den Teilnehmern einer Exkursion in den Eichenhain anlässlich des Tags der Artenvielfalt.

Der Duft von Italienurlaub

Bis 2013 hat es Schafe auf der 1958 als Naturschutzgebiet ausgewiesenen ehemaligen Viehweide gegeben. Die Tiere fraßen sich satt und vertilgten dabei nährstoffreiche Pflanzen. Doch es unterschied sie etwas grundsätzlich von den Hunden, die mittlerweile gern im Eichenhain Gassi geführt werden: Die Schafe verrichteten ihr Geschäft selten an Ort und Stelle, anders als die Hunde, die genau deshalb im Eichenhain unterwegs sind. „Deshalb haben die Schafe dem Boden nicht noch mehr Nährstoffe zugefügt“, erklärt Wagner.

Der Laie mag zunächst staunen. Warum sollte es ökologisch nachteilig für ein Naturschutzgebiet sein, dem Boden auf eine natürliche Weise mit dem Kot Nährstoffe zuzufügen? Die Antwort auf diese Frage duftet unter anderem nach Italienurlaub. Wolfgang Wagner pflückt am Rand des Pfades eine Pflanze und zerreibt sie zwischen seinen Fingern. Dann riecht er an ihnen und sagt. „Da denkt man an Mittelmeer.“

Oregano im Eichenhain

Der Oreganostängel, den er abgezupft hat, wächst gerne auf nährstoffarmen Böden, erklärt Wolfgang Wagner. Diese bezeichnet er als Magerwiesen. Die Magerwiesen sind aber für die Tierwelt alles andere als ein Ort der Trübsal. Gerade sie böten vielen Arten Nahrung, sagt Wagner.

Doch ohne Schafe im Eichenhain würden die Magerwiesen immer stärker zu sogenannten Fettwiesen. Sie gedeihen auf nährstoffreichen Böden. Auf ihnen wachsen Pflanzen prächtig, die sich zum Beispiel gegenüber dem beim Nährstoffverbrauch eher genügsamen Oregano ziemlich rabiat verhalten. Sie verdrängen schlichtweg die Pflanzen, die sich eigentlich auf Magerwiesen wohlfühlen. Nach und nach würde der Eichenhain zu einem dichten Wald zuwuchern, warnt Wolfgang Wagner vom Amt für Umweltschutz.

Denn Bäume und Gebüsch erweisen sich im Konkurrenzkampf der Pflanzen offenbar als besonders erfolgreich. Ziel müsse es deshalb sein, die Magerwiesen im Eichenhain zu erhalten. „Am besten mit Schafen oder Ziegen; ansonsten muss eben zweimal im Jahr gemäht werden, und wir müssen mehr Bäume fällen“, sagt Wolfgang Wagner.

Auf die Frage, was derlei Eingriffe noch mit Natürlichkeit zu tun haben, wird Ulrich Tammler vom Naturschutzbund (Nabu) grundsätzlich. Er führt die Exkursionsteilnehmer gemeinsam mit Wolfgang Wagner durch den Eichenhain. „Es gibt in ganz Mitteleuropa kein Gebiet mehr, das frei von menschlichen Eingriffen ist“, sagt er. Schon allein der Stickstoff in der Luft verändere die Pflanzenwelt, sagt der Naturschützer. Ziel von Naturschutzgebieten wie dem Eichenhain müsse es sein, gewisse Arten zu erhalten. Gerade in Zeiten des Klimawandels sei das wichtig, betont er.

In der Tierwelt ist einiges in Bewegung geraten

Er berichtet von Vogelarten, die eigentlich in mitteleuropäischen Gefilden als heimisch gelten, aber vermehrt in Skandinavien gesichtet werden. Oder er erzählt von Vögeln, die nicht mehr am Mittelmeer überwintern, sondern in Südengland. In der Tierwelt, so scheint es, ist einiges als Folge menschlichen Verhaltens in Bewegung geraten.

Für Naturschützer wie Ulrich Tammler steht fest, dass Naturschutzgebiete angesichts des Klimawandels für Tiere und Pflanzen ein sicheres Reservat bieten müssen. Der Naturschützer ist auch Vogelkundler. Doch die Tiere halten sich wegen der wenig sommerlichen Außentemperaturen lieber im Verborgenen auf. Am Ende der Exkursion zieht doch noch ein Roter Milan seine Kreise über den Eichenhain und ruft Staunen hervor. Doch Ulrich Tammler hat wieder schlechte Nachrichten parat: Der Rote Milan gerät zunehmend unter Druck durch den Ausbau der Windkraft.

Der Eichenhain in Kürze:

Der Eichenhain in Riedenberg ist eines von sieben Naturschutzgebieten in Stuttgart. Dort stehen 300 Jahre alte Eichen. Früher diente er den Bauern als Waldweide; vor allem Schweine fraßen sich an den Eicheln und Bucheckern fett. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts gehörte der Eichenhain zum Hofgut Kleinhohenheim, das sich gleich auf der anderen Seite der Mittleren Filderstraße befindet. Der Hain gilt als erhaltenswert als „Zeugnis früherer Wirtschaftsformen, wegen seiner landschaftlichen Schönheit, als Naherholungsgebiet und aufgrund seiner schutzbedürftigen Pflanzen- und Tierwelt“. So steht es in einem Faltblatt des Regierungspräsidiums. Im Eichenhain finden sich seltene Tiere und Pflanzen wie Sonnenröschen, Heidekraut, Bienen-Ragwurz, Fransen-Enzian, Zypressenwolfsmilch, Feuersalamander und etliche Insekten