Ursula Bunata Foto: Peter Buchholtz

Mittwochs schlägt im Diakonie-Klinikum die Märchenstunde. In der Orthopädie-Abteilung im Paulinenbau finden sich  märchenbegeisterte Patienten ein, um Geschichten zu lauschen.

S-West - Jeden Mittwoch um 18.30 Uhr schlägt im Diakonie-Klinikum in der Rosenbergstraße die Märchenstunde. Im Besucherraum der Orthopädie-Abteilung im Paulinenbau finden sich dann bis zu 15 märchenbegeisterte Patienten ein, um den Geschichten zu lauschen.

Ursula Bunata ist Mitglied im Stuttgarter Märchenkreis und eine von vier Ehrenamtlichen, die wöchentlich ins Diakonie-Klinikum kommen, um den Patienten eine kleine Freude zu machen. „Ich muss in der Zeitung vom Stuttgarter Märchenkreis gelesen haben und bin dann ganz zufällig dazu gestoßen“, erzählt die 75-jährige Rentnerin. Ursprünglich sei sie eher eine Geschichtenerzählerin, Zaubermärchen seien ihr oft zu naiv.

Ein verstorbenes Mitglied aus dem Märchenkreis hatte 2006 während ihres eigenen Aufenthalts im Klinikum begonnen, den anderen Patienten an ihren Betten Märchen zu erzählen. Ursula Bunata und ihre Kollegen aus dem Märchenkreis ließen im September 2009 diese Tradition wieder aufleben. Zunächst alle 14 Tage, seit Herbst 2012 sogar wöchentlich, gibt es nun im Diakonie-Klinikum Märchen und Geschichten für Erwachsene.

Ursula Bunata gefallen Geschichten mit doppeltem Boden. Eine billige Moral mag sie nicht. Zur Zeit greift sie deshalb auf kürzere, oft tschechische Märchen mit hübschen Pointen zurück, „darüber freuen sich auch die Patienten mehr“. Fünf Märchen erzählt sie an diesem Abend den acht Gästen, die größtenteils aufgrund von anstehenden oder bewältigten Operationen Patienten der Orthopädie-Abteilung des Klinikums sind. Für die meist über 60-jährigen Zuhörer ist die Märchenstunde eine willkommene Abwechslung, die für Ablenkung sorgt und Trost spendet. „Uns macht das auch Spaß“, sagt Ursula Bunata, die nun schon seit fünf Jahren ehrenamtlich ins Diakonie-Klinikum kommt, um Märchen und Geschichten vorzutragen.

„Wir lesen nicht, wir erzählen“, sagt sie und ergänzt: „Ich hatte meine Stimme ursprünglich nicht für eine typische Märchentanten-Stimme gehalten.“ Im Stuttgarter Märchenkreis hat die gelernte Stadtplanerin dann gelernt, Märchen zu erzählen. 84 Mitglieder gehören zum Märchenkreis, der in Stuttgart Erzählabende, Seminare und Vorträge über Märchendeutung und Märchenforschung veranstaltet und es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Kunst des Märchenerzählens zu bewahren und zu verbreiten.

Über Flyer und Aushänge erfahren die Patienten von der Märchenstunde, die genau genommen nur eine Märchendreiviertelstunde ist. Ursula Bunata überzieht meist ein wenig, doch an diesem Tag muss sie pünktlich weiter, da sie in einem Chor singt und dort eine Probe anberaumt ist. Am Ende ihrer Märchenstunde erzählt sie die Geschichte von der Möwe, die das Tageslicht in einer Schachtel unter ihrem Flügel verwahrte. Alle anderen Tiere wünschten sich indes, das Tageslicht zurückzubekommen. Schließlich tritt die Möwe in einen Dorn, den ihr Vetter, der Rabe aber nicht herauszieht, sondern immer weiter in den Vogelfuß drückt, bis die Möwe die Schachtel mit dem Tageslicht freigibt.

Zum Ende der Geschichte lächelt die gesamte Runde. Und eine der Zuhörerinnen sagt: „Von Märchen kann man wirklich so einiges lernen.“