Das Telefonteam des Vereins Zuhause leben will einsamen Menschen eine Freude bereiten Foto: Kathrin Wesely

Einfach mal ein bisschen quatschen – das ist die Idee des Wohlfühlanrufs. Ein Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, auf Bestellung Menschen anzurufen, die sonst niemanden haben, mit dem sie unbeschwert ein Weilchen plaudern können.

S-West - Einfach mal ein bisschen quatschen, über nichts Wichtiges, übers Wetter vielleicht oder über eine schöne Urlaubserinnerung: das ist die Idee des Wohlfühlanrufs. „Es gibt so viele einsame Leute, die niemanden zum Reden haben, insbesondere alte Leute, die nicht viel aus dem Haus gehen“, sagt Gerda Mahmens von Zuhause leben. Der Verein, der sich bislang insbesondere um Inklusionsprojekte verdient gemacht hat, stemmt mit dem Wohlfühlanruf ein neues Projekt. Menschen, die mal wieder unbeschwert plaudern wollen, bestellen sich per Fax, Mail oder Postkarte einen Anruf. Zur ausgemachten Zeit meldet sich einer der 15 Ehrenamtlichen von der Wohlfühltruppe. 20 Minuten sind pro Gespräch veranschlagt. „Wir wollen mit dem Anruf Freude schenken“, sagt Mahmens. Keinesfalls wolle man als Kummerkasten fungieren.

Unbemerkt vergeht die Zeit

In der vergangenen Woche ist das Projekt langsam angelaufen, Rückmeldungen trudelten ein und erste Anrufe wurden getätigt. „Ich hatte ganz weiche Knie, ich war vermutlich aufgeregter als die alte Dame, die ich angerufen habe“, erzählt Heidi Kämmerle. „Die Frau war aber ganz lebhaft und frisch. Sie erzählte von ihren Kindern und Geschwistern. Wir kamen vom Hundertsten ins Tausendste, auf ihr Brautgeschenk zum Beispiel, eine Perlenkette.“ Die 85-Jährige behielt dabei die Uhr im Blick. „Nach 20 Minuten sagte sie: ‚So, die Zeit ist um, wir müssen unser Gespräch nun beenden.‘ Ich hatte das gar nicht gemerkt. Ich hätte noch ewig weitergequatscht.“

Die Gespräche können auf Wunsch in der Woche darauf fortgesetzt werden. Abgemacht ist, dass sich die ehrenamtlichen Anrufer immer mit denselben Leuten unterhalten. „Sie sollen sich ja auf einen bestimmten Gesprächspartner freuen können“ und nicht jedes mal von Adam und Eva anfangen müssen, sagt Mahmens. Nur so könnten sich Beziehungen entwickeln.

Die neun Frauen und sechs Männer im Projekt haben sich in einem Workshop auf die Anrufe vorbereitet. Sie haben gelernt, offene Fragen zu stellen, Wörter zu benutzen, die eher positive Gefühle aufrufen und heikle Themen zu orten, um sie weiträumig zu umschiffen. An der Wand des kleinen Vereinsbüros in einem Hinterhof in der Bismarckstraße hängen Plakate mit Tipps zum Gesprächsverlauf und beispielhaften Fragen, etwa nach dem Beruf, der Herkunft, übers Essen oder über das Buch, das der Angerufene zurzeit liest.

Vertraut mit der Einsamkeit

Die Idee mit dem Wohlfühlanruf war den Ehrenamtlichen vom Verein Zuhause leben während einer Zukunftswerkstatt im Sommer vor zwei Jahren gekommen. „Viele von uns wissen selbst, wie es ist, einsam zu sein“, sagt Petra Brause. „Viele von uns sind selbst Betroffene.“ Ein Problem dabei war, dass ein geeigneter Raum fehlte. Denn bislang residierte der Verein in einem Büro im Mehrgenerationenhaus Gebrüder-Schmid-Zentrum im Süden, das eine ganze Reihe von Vereinen nutzen. „Für die Wohlfühlanrufe brauchen wir aber etwas Ruhe“, und die Möglichkeit, das Büro zeitlich flexibel zu nutzen, sagt Mahmens.

Im Westen wurde der Verein schließlich fündig. Seit kurzem residiert er in einem kleinen schlauchförmigen Zimmer, dem Bilder, Sessel und ein Sofa etwas Wohnlichkeit verleihen.

Die Flyer mit den Rückmeldeformularen wurden in Druck gegeben und verteilt. Nun konnte es losgehen. Doch dann ließ die Hauptsache auf sich warten: Der Telefonanschluss. Mitte Februar ist er bestellt worden, nach Monaten noch immer nicht da. Im Grunde wäre dies das Aus für ein lange vorbereitetes Projekt gewesen, hätte nicht ein Nachbar dem Verein nicht aus der Patsche geholfen. Die Bio-Verbraucher-Initiative Plattsalat, die nebenan ihren Laden hat, lieh den Wohlfühlanrufern freundlicherweise ihren Telefonanschluss. Dank einer Umleitung über Mahmens Privathandy funktioniert das Telefon nun mit der im Flyer angegebenen Nummer. Laut Telekom soll das Anschluss-Problem in den nächsten Tagen gelöst werden.