Große Teile des rund 30 000 Quadratmeter großen Areals nutzen Post und DHL einige Flächen sind vermietet – unter anderem an das Land. Foto: Archiv Lichtgut/Achim Zweygarth

Ein Teil des Postgebäudes an der Ehmannstraße hat das Land für die Flüchtlingsunterbringung gemietet. Dort haben aber auch Schauspieler Horst Emrich und Regisseurin Jutta Schubert an Puigs Kuss der Spinnenfrau gearbeitet – im städtischen Proberaum.

S-Nord - Am Rand des Rosensteinparks in Richtung Hauptbahnhof verläuft die Ehmannstraße. An deren Ende steht ein großes Gebäude, das von Sicherheitsleuten bewachtwird: Das Land hat dort eine Halle angemietet, die als Notunterkunft für bis zu 1250 geflüchtete Menschen dienen sollte. Allerdings sei die Halle dafür nie genutzt worden, und das sei auch künftig nicht mehr vorgesehen, weil es den Bedarf nicht mehr gebe, erklärt Katja Lumpp, Pressesprecherin des Regierungspräsidiums. Derzeit lagere das Land dort Material für die Flüchtlingsunterbringung. Auf Landesebene werde momentan ein Gesamtkonzept für die Flüchtlingsunterbringung erarbeitet. Erst wenn das vorliege, entscheide sich, wie es mit dem Standort weitergehe, sagt Lumpp: „Der Mietvertrag hat eine variable Laufzeit mit Kündigungs- beziehungsweise Verlängerungsoptionen.“

Das Gebäude samt des rund 30 000 Quadratmeter großen Grundstücks an der Ehmannstraße gehört der Post – auch wenn die Stadt das Gelände schon zur Entwicklungsfläche Rosenstein zählt, auf dem nach der Fertigstellung des Projekts Stuttgart 21 ein neuer Stadtteil entstehen soll. Das Gebäude werde hauptsächlich von der Post und der DHL genutzt, erklärt der Unternehmenssprecher Gerold Beck. Unter anderem als Zustellbasis für das Paketgeschäft, für eine Betriebsrentenstelle und eine große Schließfachanlage – und daran wird sich so schnell auch nichts ändern: „Mittelfristig planen wir dort die postalische Nutzung“, sagt Beck. Teile des Geländes seien vermietet. An das Land, an Gewerbetreibende und auch an die Stadt Stuttgart. Die unterhält dort zwei Proberäume für freie Tanz- und Theaterensembles. „Voraussetzung für die Nutzung ist, dass das Ensemble von der Landeshauptstadt im Rahmen der Projektförderung gefördert wird“, erklärt Werner Stiefele vom Kulturamt. Bislang gebe es noch keine Hinweise auf einen eventuellen Abriss des Gebäudes wegen S 21, sagt er. Im Gegenteil: Die Post habe erst vor kurzem benachbarte Räume für mehrere Jahre an jemand anderen vermietet.

Kuss der Spinnenfrau wird im Zentrum Weißenburg aufgeführt

In den städtischen Proberäumen arbeiten derzeit der Schauspieler Horst Emrich und die Regisseurin Jutta Schubert. Sie proben dort das Theaterstück „Der Kuss der Spinnenfrau“ von Manuel Puig; am kommenden Samstag ist Premiere im Zentrum Weissenburg im Stuttgarter Süden. Die Stadt überlässt den Kulturschaffenden den Proberaum mietfrei. „Das ist natürlich super, weil Proberäume in Stuttgart knapp und teuer sind“, sagt Schubert. Drei Jahre lang hätten sie sich um Fördergelder für den Kuss der Spinnenfrau bemüht, berichtet Horst Emrich. Neben der Stadt beteiligen sich nun auch die Maria-Wimmer-Stiftung und der Verein Homosexuelle Selbsthilfe finanziell an der Produktion. Dennoch reiche das Budget nicht aus, um das Projekt wie geplant umzusetzen: Von anfangs angedachten zehn Mitwirkenden wie etwa einem Bühnenbildner oder einem Figurenbauer sind letztlich die Regisseurin und der Schauspieler übrig geblieben. „Ich inszeniere mit zwei Schauspielern, es ist nur zufällig derselbe“, erklärt Schubert. Dass Emrich nun in einer Doppelrolle zu sehen ist, habe aber auch inhaltliche Gründe. „Das ist keinesfalls eine Notlösung“, betont die Regisseurin, die Reduktion als solche sei auch ein Qualitätsmerkmal. „Die Magie des Theaters entsteht im Kopf“, sagt Emrich.

Der Kuss der Spinnenfrau erzählt davon, wie sich in Argentinien zu Zeiten der Militärdiktatur zwei Männer in einer Gefängniszelle kennenlernen: ein politischer Gefangener und ein homosexueller Schaufensterdekorateur, der des Kindesmissbrauchs bezichtigt wird. „Es sind zwei völlig unterschiedliche Welten, die sich in dieser Zelle begegnen“, sagt Jutta Schubert. Zwischen den beiden Männern entstehe dann aber eine intensive Freundschaft voller Nähe und Intimität. „Es ist ein sehr emotionales, aber auch ein hochpolitisches Stück.“ Und obwohl Puigs Roman in den 70er-Jahren spielt, sei die Handlung angesichts der Ausgrenzung Homosexueller und des Terrors in vielen Ländern der Welt immer noch aktuell, meint die Regisseurin: „Es ist keineswegs ein historisches Stück, das findet genauso heute immer noch statt.“ Darauf wird, aller Reduktion zum Trotz, auch im Bühnenbild hingewiesen: mit einem Gedenkschrein, der so auch in Nizza oder Paris hätte stehen können.

Aufführungen: Premiere von „Der Kuss der Spinnenfrau“ ist am Samstag, 22. Oktober, um 20 Uhr im Zentrum Weissenburg, Weißenburgstraße 28a. Dort ist das Stück auch am 28. und 29. Oktober sowie am 5. und am 12. November jeweils um 20 Uhr zu sehen.