Egon Madsen wird 70 - klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie. Foto: dpa

Egon Madsen, der mit dem Stuttgarter Ballett ein Wunder erlebte, wird 70. Wie er feiert? Tanzend!

Stuttgart - Wie sieht das Glück aus? Bekanntlich ist es schwer zu fassen. Doch wer Egon Madsen begegnet, der spürt es sofort: Da lebt einer in schönster Übereinstimmung mit dem, was er ist, wie er ist. Einer, der seinen Mittelpunkt gefunden hat, der nach 60 Jahren auf der Bühne alles erreicht hat. Und der das, was noch kommen kann, nicht mit den verbissenen Ambitionen mancher Seniorstars ins Visier nimmt, sondern mit offenen Armen als Geschenk.

Gelassenheit als Gabe? Egon Madsen, neben Marcia Haydée, Richard Cragun und Birgit Keil einer der vier Tanzzauberer aus der Zeit, als John Cranko in Stuttgart ein Ballettwunder gelang, hat nicht nur Höhenflüge erlebt. So ist das Glück, das der Tänzer heute ausstrahlt, die Summe vieler Erfahrungen. „Es ist wohl alles im richtigen Moment gekommen, um das so zu entwickeln, wofür ich heute dankbar bin. Sonst wäre ich nie da gelandet, wo ich jetzt bin“, sagte Egon Madsen, als er jüngst für die Zeitschrift „Tanz“ auf seine Karriere zurückblickte.

Madsen sieht neben jungen Stars kein bisschen alt aus

Auf seine bisherige Karriere, muss es besser heißen. Denn auch wenn der Däne an diesem Freitag 70 Jahre alt wird, ist jede Begegnung mit ihm immer mehr Aus- als Rückblick. Was kommt? Die Biografie von Dagmar Ellen Fischer zum Beispiel, die nun unter dem Titel „Egon Madsen – Ein Tanzleben“ im Henschel-Verlag erscheint. Verblüffend war für den Tänzer die Erfahrung, welche Energie ein solches Buchprojekt binden kann. Als die Autorin ihn in seiner italienischen Wahlheimat in der Nähe von Urbino besuchte und interviewte, fand er, wie er lachend erzählte, die Erinnerungsarbeit mindestens so anstrengend wie Proben für ein großes Tanzprojekt.

Mit denen kennt sich der Tanzsenior, der seit einiger Zeit im Stuttgarter Theaterhaus als Coach die Arbeit von Gauthier Dance begleitet, nach wie vor bestens aus. Folglich wird Egon Madsen, wenn am 28. September an seiner neuen Wirkungsstätte eine Geburtstagsgala für ihn steigt, nicht im Publikum sitzen. Tanzend feiert einer wie er, der sein jüngstes Rollendebüt im Juli (also mit 69!) in Mauro Bigonzettis „Cantata“ gab und neben Eric Gauthiers jungen Stars kein bisschen alt aussah.

Vom Glück, ein Tänzer zu sein – für einen Rückblick auf Egon Madsens Karriere wäre das ein schönes Motto. Als eine der vier „Initialen R.B.M.E.“, als Joker in „Jeu de cartes“, als Lenski in „Onegin“, als Siegfried in „Schwanensee“ gestaltete John Cranko wichtige Rollen für den blond gelockten Dänen, der 1961 nach Stuttgart kam und hier Ballettgeschichte mitschrieb. Feine Melancholie, tiefgründiger Humor, eine lyrisch-elegante Linie: Egon Madsen machte und macht Tanz einfühlsam.

Mit der Seniorentruppe zurück auf die Bühne

Das schätzten Choreografen wie Peter Wright, der mit ihm den Albrecht in „Giselle“ gestaltete, oder John Neumeier, der auch dank Madsen dem Armand in „Kameliendame“ tänzerische und emotionale Höhepunkte eröffnete. Bis heute ist es ein besonderes Ereignis, diesen Tänzer in Stücken zu erleben, an deren Entstehung er beteiligt war. Meryl Tankards „Merryland“ und Christian Spucks „Don Q.“ sind nicht nur in Madsens zweiter Karriere Höhepunkte. Sie zeigen, dass Tänzer auch jenseits der 40 etwas zu sagen haben.

Weniger glücklich war Madsen bei seinen Ballett-Unternehmungen jenseits der Bühne, von der er sich 1981 eigentlich verabschiedet hatte. Damals ging er als Ballettdirektor nach Frankfurt, musste aber nach drei Jahren das Feld räumen, weil mehr Modernes gefragt war. Auch Stockholm und Florenz blieben Etappen; 1990 kehrte er als Ballettmeister und stellvertretender Direktor nach Stuttgart zurück.

Vergessen ist inzwischen auch sein unglücklicher Abschied 1997 vom Stuttgarter Ballett, als er, enttäuscht darüber, unter dem neuen Direktor Reid Anderson nicht mehr in die Arbeit der Kompanie eingebunden zu sein, nach Leipzig wechselte. Vielleicht bewegte ihn diese Schicksalswendung dazu, Ja zu sagen, als ihm Jirí Kylián 1999 anbot, als Tänzer zum Nederlands Dans Theater 3 zu stoßen. „Man hat mich nicht groß überreden müssen“, sagte Egon Madsen damals zu seinem Comeback, mit dem sich für ihn ein Kreis schloss. „Ich bin dem eigenen Trieb gefolgt – und ganz spontan wieder Tänzer geworden.“

„Das ist eine Akademie, kein Sanatorium!“

Die Auftritte der 2006 weggesparten Seniorentruppe, an deren künstlerischer Leitung Egon Madsen beteiligt war, brachten ihn zurück auf die Bühnen in und um Stuttgart. 2002 etwa auf Einladung der Schlossfestspiele in die Karlskaserne, wo Meryl Tankard die NDT-Senioren in „Merryland“ zurückblicken ließ. Über den Ballettschüler Egon durften wir da herzlich lachen. „Das ist eine Akademie, kein Sanatorium!“, wurde er ermahnt, als er müßig tippelte. Für dieses Stück fasste Madsen in einer grandiosen Slapstick-Nummer noch einmal all die Tode zusammen, die er auf der Bühne durchlitten hatte; er starb als Mercutio, als Romeo und erklärte uns Siegfrieds Todeskampf im Schwanensee: „Und immer, wenn die Wellen unten waren, war ich oben; und immer, wenn die Wellen oben waren, war ich unten.“

Ganz oben auf der Glückswelle schwimmt Egon Madsen nun. Wir wünschen ihm, der im letzten Jahr den Deutschen Tanzpreis erhalten hat, dass sie ihn noch weit trägt. Und uns weitere Momente beschwert wie die Begegnung mit Eric Gauthier in „Don Q.“ Einen Alten gab er da, der sich an die uneingelösten Träume seiner Jugend erinnerte. Für Madsen selbst gehen derzeit Träume eher in Erfüllung. Im Sommer gab er beim Stuttgarter Ballett sein Debüt als Hexe Madge in „La Sylphide“. Es war für den Dänen, der seine Karriere im Kopenhagener Tivoli, dem großen Pantomime-Theater, begonnen hatte, zugleich die erste Charakterrolle in einem Stück seines Landsmanns Bournonville.

Auch darüber wird er sich freuen: Die Gala im Theaterhaus bringt die ihm wichtigen Ensembles zusammen.Das Stuttgarter Ballett tanzt Madsens große Rollen. Und das NDT 3 wird kurz wiederbelebt für Kyliáns komisches Meisterwerk „Birth-Day“, das alternde Casanovas und ihre Gespielinnen auf Tisch, Bett und Leinwand aufeinanderhetzt. Spätestens, wenn Federn, Mehl und Mozart auf ihn regnen, ist einer wie Egon Madsen vollends im Glück.