Ahmet Davutoglu folgt Erdogan im Amt des Regierungs- und Parteichefs Foto:  

Nächste Woche wird Ministerpräsident Erdogan als Staatsoberhaupt der Türkei vereidigt. Nun hat er seine Nachfolge an der Spitze der Partei und der Regierung geregelt: Mit Außenminister Davutoglu soll ein treuer Gefolgsmann die Ämter übernehmen.

Ankara/Istanbul - Auf eine Schonfrist kann Ahmet Davutoglu nicht hoffen. Der bisherige türkische Außenminister soll von kommender Woche an vom neuen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan die Posten des Ministerpräsidenten und des Chefs der Regierungspartei AKP übernehmen. Und das in innen- und außenpolitisch schweren Zeiten.

Erdogan nominierte den 55-jährigen Politikprofessor am Donnerstag unter dem Beifall von AKP-Anhängern für beide Posten. Davutoglu solle eine „neue Türkei“ aufbauen, den Friedensprozess mit den Kurden vorantreiben und gegen Feinde der Regierung im Staatsapparat vorgehen, so Erdogan. Schweres Marschgepäck.

Immerhin: Als Erdogans Wunschkandidat muss Davutoglu keine Gegenkandidaten befürchten. Doch auch ohne Rivalen hat er Probleme genug. Denn Erdogan will als Präsident die Fäden der Politik selbst in den Händen halten, auch wenn die Verfassung dem Staatschef eher eine repräsentative Rolle zuweist. Um von der Staatsspitze aus regieren zu können, braucht Erdogan deshalb einen treuen Gefolgsmann als Regierungs- und Parteichef. Vor allem deshalb fiel seine Wahl auf Davutoglu. Der beeilte sich am Donnerstagabend, in seiner ersten Rede zu versichern, sich an die von Erdogan vorgegebenen politischen Grundlinien zu halten. Erdogan sei und bleibe der „Anführer dieses Teams“. Der scheidende Präsident Abdullah Gül, der ebenfalls im Gespräch war, wäre Erdogan offenbar zu mächtig geworden. Gül ist sehr verärgert darüber, seine Frau kündigte sogar eine „Intifada“ gegen die Widersacher in der AKP an.

Davutoglu muss sich aber nicht nur mit dem verbitterten Gül herumschlagen, der in der AKP für Unruhe sorgen könnte. Auf seinem bisherigen Arbeitsgebiet, der Außenpolitik, warten ebenfalls große Probleme. Das drängendste ist der Machtgewinn der Dschihadisten-Terrorgruppe Islamischer Staat (IS), die in den vergangenen Monaten große Gebiete im Irak und in Syrien erobert und seit Juni knapp 50 türkische Geiseln in ihrer Gewalt hat.

Nach einem Bericht der unabhängigen Zeitung „Taraf“ („Die Haltung“) ist Ankara offenbar bereit, dem IS ein osmanisches Grabmal auf syrischem Staatsgebiet, das laut Verträgen als Exklave der Türkei und damit als Staatsgebiet gilt, im Gegenzug für die Freilassung der Geiseln zu überlassen. Das türkische Außenamt warf „Taraf“ darauf eine unverantwortliche Berichterstattung vor, doch Regierungsgegner betonen, ein klares Dementi sei ausgeblieben. Die Opposition will den angeblichen Tauschhandel im Parlament zur Sprache bringen. Der Verzicht auf die Exklave dürfte Proteste türkischer Nationalisten nach sich ziehen. Gleichzeitig muss sich Davutoglu des Vorwurf erwehren, die Türkei habe den IS lange aktiv unterstützt und erlaube es den Dschihadisten weiter, das Grenzgebiet als Rückzugsraum zu nutzen.

Auch in der Nachbarschaft wird Davutoglu als neuer Premier nicht überall auf begeisterten Empfang hoffen können. In seiner Ära als Außenminister hatten sich die türkischen Beziehungen zu mehreren Staaten der Region verschlechtert.

In den Beziehungen zu Deutschland köchelt die BND-Krise. Laut der Zeitung „Hürriyet“ ist die Türkei das einzige Nato-Mitglied, das von dem deutschen Auslandsgeheimdienst bespitzelt wird. Auch hier könnten Davutoglu und sein Nachfolger im Außenministerium unter den Druck von Nationalisten geraten. Berichten zufolge sind Geheimdienstchef Hakan Fidan und EU-Minister Mevlüt Cavusoglu als Kandidaten für das Außenministerium im Gespräch.

Besonders brisant für seine eigene politische Zukunft ist Davutoglus Aufgabe als neuer AKP-Chef. Hakan Bayrakci, Chef des Meinungsforschungsinstitutes Sonar, warnt bereits. Mit Davutoglu statt Erdogan an der Spitze werde die sieggewohnte AKP bei der nächsten Parlamentswahl auf höchstens 23 Prozent abstürzen; derzeit liegt sie bei etwa 45 Prozent. Erdogans Wahl zum Präsidenten sei der Anfang vom Ende der AKP, orakelt Bayrakci. Weil sein Institut politisch eher der Opposition nahesteht, sind die Voraussagen jedoch mit Vorsicht zu genießen.

Dennoch sind die Herausforderungen für Davutoglu nicht zu unterschätzen. Der neue Premier ist ein politischer Quereinsteiger, der nach einigen Jahren als Erdogan-Berater an die Spitze des Außenministeriums kam und innerhalb der AKP keine eigene Hausmacht besitzt. Die nächste Parlamentswahl, nach bisherigem Stand im Juni 2015, wird daher zu Davutoglus eigentlicher Bewährungsprobe: Erstmals muss die AKP dann ohne Erdogan an ihrer Spitze um Stimmen werben. Aus Erdogans Sicht besteht Davutoglus Mission vor allem in der Sicherung eines weiteren AKP-Sieges. Das politische Schicksal des Premiers wird sich daran entscheiden, ob ihm dies gelingt.