In seinem ersten Kriminalroman entführt der Autor Gregory Fuller seine Leser ins Paris der Rokoko-Zeit – und schafft einen Ermittler mit Mantel und Degen. Foto: Sascha Schmierer

In seinem ersten Kriminalroman „Der Stich des Todes“ entführt der in Echterdingen lebende Autor Gregory Fuller seine Leser ins Paris der Rokoko-Zeit – und erweckt einen Ermittler mit Mantel und Degen zum Leben.

Leinfelden-Echterdingen - Eigentlich ist Gregory Fuller kein Mann für literarisch leichte Kost. Der in Echterdingen lebende Autor hat vor vier Jahrzehnten in Marburg über den Philosophen Hegel promoviert – und seit dem Doktortitel eine Publikationsliste gefüllt, die einem beim Durchblättern durchaus einen gewissen Respekt abnötigt.

Das Spektrum der Veröffentlichungen nämlich reicht von der „Ästhetischen Studie über die Realismustheorie“ über den Aufsatz zur „Postavantgarde in den USA“ bis zum Essay mit dem schönen Titel „Von der heiteren Hoffnungslosigkeit im Angesicht der ökologischen Katastrophe“.

In Chicago geboren, in Echterdingen aufgewachsen

Die parallel zum Brotberuf als Anglistik-Redakteur beim Stuttgarter Klett-Verlag entstandene Werkschau liest sich also nicht gerade wie triviale Sommerlektüre für den Strandurlaub – und dürfte mit ein Grund sein, weshalb der 1948 am Rand der amerikanischen Millionenstadt Chicago geborene, aber im Alter von neun Jahren nach Echterdingen gekommene und „zwischen Baumwiesen, Misthaufen und Sauerkrautgeruch“ aufgewachsene Fuller allenfalls in Fachkreisen als Autor ein Begriff ist.

Das allerdings könnte sich ändern: Mit dem jüngst im Gernsbacher Casimir Katz Verlag erschienenen Buch „Der Stich des Todes“ (11,80 Euro) wagt sich Fuller nach den eher publikumsfernen Werken über Philosophie und Kunstwissenschaft erstmals an einen Kriminalroman – und hat auf 150 Seiten einen Ermittler zum Leben erweckt, der sich mit Mantel, Charme und Degen durchaus durch weitere spannende Fälle grübeln könnte.

Spurensuche im Schloss von Versailles und den Kloaken

Denn Gregory Fuller siedelt seine Detektivgeschichte nicht etwa in modernen Zeiten an, die bräsige Heimattümelei von Lokalkrimi-Ermittlern ist ihm ebenso fremd wie die auf die Vorführung privater Seelennöte getrimmten Lebensbilder diverser Tatort-Kommissare. Nein, als Kulisse für den Krimi-Erstling dient dem 67-jährigen Echterdinger das Paris der Rokoko-Zeit, statt Revolver, Blaulicht und Tränengas steht beim „Stich des Todes“ eine simple Haarnadel mit einer merk-würdigen Spitze im Mittelpunkt.

Mit dem goldenen Schmuckstück nämlich wird im Januar 1759 bei einer festlichen Abendgesellschaft in seinem vornehmen Stadtpalais der Herzog Paul de Durandal heimtückisch ins Jenseits befördert. Der mysteriöse Tod des hochgestellten Adligen erschüttert Paris – auch weil die unter anderem mit dem noch weitgehend unbekannten Pfeilgift Curare verübte Attacke nicht der einzige Mord bleibt.

Ein Ermittler mit Mantel-und-Degen-Qualitäten

Der von Gregory Fuller als Held der Geschichte erdachte Marquis Jean-Marie d’Amande, stellt parallel zur Pariser Polizei eigene Nachforschungen an, entschlüsselt Geheimbotschaften und versteckte Hinweise und kommt, unterstützt von seinem bretonischen Kammerherrn und einem in Giftmischerkreisen offensichtlich sehr versierten Mönch, einem weit reichenden Komplott auf die Spur – mehr sei dem Lesevergnügen zuliebe nicht verraten.

Die spannende Suche nach dem Mörder führt das geneigte Publikum nicht nur an den prachtvollen Hof von Versailles, sondern auch zu den stinkenden Kloaken der französischen Metropole. Interessant wird die historische Detektivgeschichte auch, weil Gregory Fuller seine fiktiven Figuren mit realen Persönlichkeiten verknüpft – Madame Pompadour taucht ebenso auf wie König Ludwig XV. verknüpft.

In Versailles wurde nicht geklopft, sondern gekratzt

Farbe gewinnt der „Stich des Todes“ außerdem durch eine dezente Liebesgeschichte und die beachtlichen Detailkenntnisse, die sich der Autor über das Paris der Rokoko-Zeit angeeignet hat. Durch dieses Wissen erfährt der Leser nicht nur, wie die aus der Bretagne stammende Crépe es auf die Speisekarte der Hauptstadt geschafft haben mag, sondern auch, dass an den Türen in Versailles nicht etwa forsch angeklopft, sondern ehrerbietig gekratzt wurde.

„Mich hat der historische Hintergrund interessiert, das Zeitalter der Aufklärung“, sagt der Autor selbst. Historische Romane hat Fuller schon über die Eiszeit und das Spätmittelalter verfasst. Die Detektivgeschichte aus der Rokoko-Zeit aber könnte durchaus ihre Fortsetzung finden, wenn das erste Abenteuer von Marquis d’Amant beim Publikum auf Interesse stößt. Denn Fuller denkt schon an einen zweiten Krimi. Arbeitstitel: „Mord in Versailles“.