Unternehmer und Erfinder: Axel von der Herberg mit innovativen Stuckleisten aus Gips Foto: Hersteller

Ein Stuckateurmeister hat ein Verfahren entwickelt, traditionellen Stuck maschinell herzustellen. Wie früher besteht er nur aus Gips und Wasser, ist also umweltfreundlich und beliebig formbar. Gleichzeitig können in kurzer Zeit große Mengen davon hergestellt werden.

Heilbronn - Wenn Axel von der Herberg früher zur Arbeit ging, hatte er immer die Latzhose an. Das Vesperbrot steckte in der Tasche. „Heute gehe ich fast immer mit Anzug auf die Straße und habe die Krawatte um“, sagt der 50-Jährige. Statt der Stulle hat er nun das Smartphone eingesteckt. „Als Arbeitsgerät“, wie er sagt.

Von der Herberg ist gelernter Stuckateurmeister. Seinen Beruf hat er von der Pike auf gelernt. Stuckateure waren schon immer die Künstler unter den Handwerkern. Mit ihren von aufwendigen Ornamenten und Gesimsen gezierten Wänden, Decken und Säulen gaben sie Villen oder großen Stadtwohnungen den letzten Schliff. Die Verarbeitung des nur aus Gips und Wasser bestehenden Materials war eine Kunst an sich.

Irgendwann kam der Kunststoff Polystyrol, und alles änderte sich. Als Meterware boten Baumärkte und Großhändler nun standardisierte Stuckleisten an – witterungsfest und auf Erdölbasis. Der Baumarkt-Stuck war billig und so einfach zu montieren, dass Handwerker dafür nicht mehr nötig waren. Dafür waren die Produkte „aber gänzlich ohne Charme“, wie von der Herberg sagt. Echten Stuck – aus Gips und Wasser so wie früher – konnten bald nur noch Experten verarbeiten, und dann wurde es oft so teuer, dass Otto Normalverbraucher sich die Haus- und Gartenzier nicht mehr leisten konnte. Bei einem Gang durch den Baumarkt habe ihn die Wut gepackt, sagt von der Herberg heute. Wegen des Einheitsbreis, der da als Stuck angeboten wurde. Er fasste den Entschluss, dies zu ändern.

Traditioneller Stuck vom Fließband

Heute, rund sieben Jahre später, ist er so weit. Von der Herberg hat ein Verfahren entwickelt, traditionellen Stuck maschinell herzustellen. Wie früher besteht er nur aus Gips und Wasser, ist also umweltfreundlich und beliebig formbar. Gleichzeitig können in kurzer Zeit große Mengen davon hergestellt werden. Als „Revolution“ bezeichnet der Heilbronner – nicht ganz unbescheiden – seine Erfindung, für die er jahrelang getüftelt und mehrere Preise, darunter den Deutschen Innovationspreis 2014, eingeheimst hat.

Kern des Ganzen ist eine Maschine. Sie ist 80 Meter lang, fast zehn Meter breit und wiegt mehrere Tonnen. Zwei- bis dreitausend Stuckleisten am Tag können auf ihr gefertigt werden. Wie das genau funktioniert, ist geheim. Nur so viel: Nichts wird gefräst, und das, was hinten herauskommt, kommt echtem handgefertigtem Stuck extrem nahe,wie von der Herberg sagt. „Manufakturqualität“ hat die Jury des Bundespreises für Innovation dem Herstellungsverfahren attestiert. Zudem sei die Fertigungsmethode „eine wettbewerbsrelevante Alternative zu industriell gefertigten Kunststoffzierleisten“. Eine echte Alternative also zur Massenware von der Stange. Daher hat auch die Konkurrenz ein Auge auf die Technologie geworfen, zumindest ist deren Erfinder davon überzeugt. Einen Versuch, den geheimen Standort der Fertigungsstraße ausfindig zu machen, habe es schon gegeben, sagt von der Herberg. „Erst bin ich mit meiner Idee belächelt worden, jetzt werde ich eher beobachtet“, sagt er.

Um so weit zu kommen, hat der Handwerker einen langen Weg zurücklegen müssen. Ziemlich schnell war beispielsweise klar, dass Weiterbildung nötig war. „Als das Projekt anlief, spürte ich bald, dass das ein Riesending wird, das ich als Stuckateur alleine nicht mehr stemmen kann “, sagt er. Er hat daher berufsbegleitend den Betriebswirt gemacht und sich vor allem in Vertriebsangelegenheiten weitergebildet. Durch die Kooperation mit zwei Hochschulen – eine für Handel, die andere für Maschinenbau – wurden weitere wichtige Grundlagen gelegt. Mittlerweile hat seine Firma – AH Stuck – auch einen achtköpfigen Beirat, in dem unter anderem ein Banker, ein Rechtsanwalt und ein Vertriebsspezialist sitzen.

Seine Idee hat sich von der Herberg auch schützen lassen. Er hat sich mehrere Geschmacks- und Gebrauchsmuster für das Stuck-Verfahren eintragen lassen. Ein Patentantrag läuft derzeit noch.

Dass das erst die „halbe Miete“ ist, weiß der Erfinder. Die tollste Innovation nütze wenig ohne einen Zugang zum Markt. In Anzug und Krawatte reist von der Herberg daher durch die Lande, um Vertriebspartner zu finden. Mit 47 Händlern sei man bereits im Gespräch, sagt er. Enge Partnerschaften strebt er auch mit kleinen, spezialisierten Handwerkern an, die „echten Stuck“, wie er es nennt, noch kennen. Um ihnen und auch den Händlern das Produkt schmackhaft zu machen, verschickt er derzeit kostenlose „Modulboxen“, in denen seine fertigen Stuckleisten stecken, quer durch die Republik. Auch bei den großen Baumarktketten versuche er, „den Fuß reinzubekommen“, wie es der Heilbronner ausdrückt. Die Listung in einem der überregionalen Großvertriebe sichert bundesweite Präsenz und damit Absatz. Das ist wichtig, damit der junge Betrieb, der allein sechsstellige Entwicklungskosten zu verdauern hat, bald schwarze Zahlen schreibt.

Von der Herberg ist da zuversichtlich. „Wir sind derzeit über Plan“, sagt er. Außerdem sei sein Projekt nie „auf der letzten Rille“ finanziert gewesen. „70 bis 80 Prozent aller Innovationen floppen“, sagt er. „Meine Erfindung wird nicht dazugehören.“