Die Wege vieler tödlicher Viren beginnen bei Fledermausarten wie dem Flughund. Durch Zubereitung und Verzehr der Tiere gelangte auch der Ebola-Erreger in den Menschen Foto: dpa

Mit interaktiver Grafik - Ebola, HIV, Malaria – die Erreger dieser mitunter tödlichen Krankheiten sind alle vom Tier auf den Menschen übergesprungen. Die Gefahr, dass solche Zoonosen sich weiter ausbreiten, vergrößert auch der Mensch.

Ebola, HIV, Malaria – die Erreger dieser mitunter tödlichen Krankheiten sind alle vom Tier auf den Menschen übergesprungen. Die Gefahr, dass solche Zoonosen sich weiter ausbreiten, vergrößert auch der Mensch.

Braunschweig - Es war am 2. Dezember vorigen Jahres, als das zweijährige Kind einer jungen Mutter aus Meliandou, einem Dorf im westafrikanischen Guinea, plötzlich über Magenkrämpfe klagte. Kurz darauf bekam der kleine Junge Fieber, schied schwarzen Stuhl aus und begann sich zu erbrechen. Vier Tage später war er tot. Innerhalb der folgenden drei Wochen starben die Schwester, die Mutter, die Großmutter und eine Krankenschwester, die sie pflegte. Der Name des Jungen ist nie an die Öffentlichkeit gelangt. Für die Wissenschaft heißt er „Patient Zero“ – der Patient, mit dem das Ebola-Virus seinen tödlichen Verlauf durch die westafrikanischen Staaten Guinea, Liberia und Sierra Leone nahm.

Das Ebola-Virus gehört mit dem Marburg-, Lassa- und Krim-Kongo-Virus zu den unberechenbarsten Erregern, die der Medizin bekannt sind. Sie tauchen irgendwo auf der Welt auf, raffen Menschen dahin und verschwinden wieder auf unbestimmte Zeit: So forderte das Ebola-Virus im Jahr 1976 bereits 436 registrierte Tote, knapp 20 Jahre später folgte 1995 eine zweite große Welle mit 254 Toten, um die Jahrtausendwende waren es dann 500 Menschen, die an Ebola starben – bei der aktuellen Epidemie, so schätzen Forscher, werden es mehr als 20 000 werden. Ebola löst das sogenannte hämorrhagische Fieber aus, bei dem Blutgefäße durchlässig werden. Dunkle Ergüsse breiten sich unter der Haut aus. Aus Nase, Mund und Augen rinnt Blut. Nur einer von zehn Betroffenen überlebt eine solche Infektion.

Etwa 1500 Mikroorganismen, die Menschen infizieren können, sind der Wissenschaft bekannt, mehr als zwei Drittel von ihnen sind Zoonosen – Tierkrankheiten, die über Jahrtausende in den Körpern von Affen, Vögeln, Nagern und Fledermäusen verborgen geblieben sind. Einige wechseln direkt die Art, andere nutzen Insekten als Vektoren– etwa Zecken oder Stechmücken.

Vor einem Jahr versuchte ein internationales Forscherteam herauszufinden, wie viele verschiedene Viren allein Säugetiere beherbergen. Sie kamen auf die Zahl 320 000. Schon damals forderten die Wissenschaftler, die Erreger eingehender zu erforschen. Dies könne dazu beitragen, die Menschen besser vor Krankheiten zu schützen, weil dann eine bessere Überwachung und Früherkennung möglich wäre. Die Kosten bezifferten die Experten umgerechnet auf 4,8 Milliarden Euro. Auch deutsche Virologen wie Klaus Schughart, Leiter der Abteilung Infektionsgenetik am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, sind sich sicher, dass sich Zoonosen künftig immer schneller ausbreiten werden.

Nicht jeder tierische Erreger ist von Anfang an eine potenzielle Gefahr für den Menschen. Die Viren haben sich mit ihren Wirtstieren über Jahrmillionen gemeinsam entwickelt. Damit sie sich so lange wie möglich ausbreiten können, bringen Viren ihren Wirt nicht um. Erreger, die Erkältungskrankheiten wie Schnupfen auslösen, sind dafür das beste Beispiel. „Verläuft eine Infektion sofort tödlich, hat das Virus keine Zeit, sich ausreichend zu vermehren“, sagt Schughart. Es würde sich auf lange Sicht selbst schaden.

Manche Experten bezeichnen daher tödliche Virusinfektionen als biologischen Unfall. Dieser drohe immer dann, wenn die angepassten Erreger in fremde Warmblüter – etwa den Menschen – gelangen. Sie treffen den Körper völlig unvorbereitet und werden so zum Feind. Solche biologischen Unfälle ereignen sich immer öfter: Je einfacher es für die Menschen geworden ist, sich auch die letzten unberührten Naturreservoire zu erschließen und je mehr Arten er als Haustiere hält oder je mehr Nahrung aus der Wildnis kommt, umso mehr nehmen die Übergriffe von Erregern aus dem Tierreich zu.

Urformen des HI-Virus wurden bei Affen entdeckt

Ein Beispiel ist das HI-Virus, Auslöser der weltweit größten Pandemie namens Aids. Mehr als 33 Millionen Menschen tragen das tückische Virus in sich. Urformen des Aidserregers haben Forscher in Affen entdeckt, die in den Regenwäldern der westafrikanischen Insel Bioko leben. Die in Afrika vorherrschende Malaria tropica ist ebenfalls eine Zoonose, die von Affen abstammt.

Zu Seuchen werden solche Zoonosen aber erst dann, wenn sie ihren angestammten Lebensraum verlieren: „Begünstigt wird die Epidemie, wenn die Krankheiten in Staaten ausbrechen, die politisch instabil sind“, sagt Schughart. So wie bei Ebola. Aber auch die zunehmenden Klimaveränderungen lassen ehemals natürliche Grenzen weichen: 2007 wurden in Baden-Württemberg erstmals Eier von Tigermücken entdeckt, die das Chikungunya-Fieber übertragen können.

Hinzu kommt ein schier unbegrenztes Reservoir an neuen Viren: Erst 2012 fanden Bonner Virenexperten in 10 000 Fledermäusen und Nagetieren mehr als 60 neue Erreger. Auch Wasservögel sind eine Quelle von Pandemie-Viren: „In ihnen finden sich unwahrscheinlich viele Varianten von Influenzaviren, die sich auch untereinander neu kombinieren können“, sagt Schughart. Damit werden sie zufällig kompatibel für andere Tiere, beispielsweise Schweine, und letztlich auch für den Menschen.

Warum gerade Fledermäuse, Nager und Vögel so viele Viren beherbergen, können Forscher bislang nur vermuten: Allerdings leben gerade diese Tiergruppen in großen Sozialverbänden mit zum Teil Millionen Exemplaren. Dieser enge Kontakt könnte die Ansteckung untereinander begünstigen und für eine große Virenvielfalt sorgen.

Mit einem globalen Monitoring versucht die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Entwicklung und Verbreitung der Viren zu überwachen, vor allem die der Grippeviren: „Im Moment gibt es zwei Typen, die den Menschen infizieren können“, sagt Schughart: H5N1 und H7N9. Der Erreger H5N1 hatte für die Menschen, die sich bei Enten und Hühnern mit ihm infiziert hatten, mitunter tödliche Folgen. Er ist aber nicht von Mensch zu Mensch übertragbar. So auch der Virustyp H7N9. Doch es braucht nur ein paar Mutationen, um das zu ändern.

Wie gefährlich so eine Zoonose für den Menschen werden kann, ist selbst für Grippeexperten wie Schughart nur schwer vorherzusehen. Während die Gefahr vonseiten des Schweinegrippe-Virus im Winter 2009 und 2010 überschätzt wurde, hat man bei der Ausbreitung des Corona-Virus im Jahr 2003, das möglicherweise aus einer asiatischen Fledermausart stammte, eher zu langsam reagiert: Die Lungenkrankheit Sars breitete sich von Hongkong aus, infizierte 800 Menschen – rund jeder Zehnte von ihnen starb. Erst knapp vor einer weltweiten Pandemie konnte das Virus gestoppt werden.

Impfungen sind der einzige Schutz vor Viren, sagt Schughart. Bei der Impfung werden Bruchstücke eines zerschredderten Virus gespritzt. Der Körper übt mit einem harmlosen Erreger und bildet Antikörper, damit er sich im Ernstfall sofort wehren kann. Doch gegen viele Zoonosen gibt es keine Impfung – so auch keine gegen Ebola. Und die Hoffnung, dass das Virus irgendwann wieder in den Dschungel abtaucht – so wie es bislang nach jedem Ausbruch zu beobachten war –, schwindet. „Dazu müsste man verhindern, dass der Virus Kontakt zur restlichen Population aufnehmen könnte“, sagt Schughart. Das bedeutet: Quarantäne der Infizierten. Die Zeit drängt. Fast 3000 Menschen sind bislang an der Seuche gestorben. Laut WHO wurden 6263 Infektionen gemeldet. Bis Januar rechnet die US-amerikanische Regierung mit bis zu 1,4 Millionen Infizierten – wenn nichts unternommen wird.