Immer mehr Radler finden an E-Pedelecs Gefallen. Hier sitzt der Akku am Rahmen, wie mittlerweile beim Großteil der E-Räder. Foto: Bosch

Elektromobilität funktioniert in Deutschland – zumindest auf zwei Rädern. In Deutschland sind 2016 mehr als eine halbe Million E-Bikes verkauft worden. Der Autozulieferer Bosch ist bei elektrischen Antrieben für Fahrräder ein wichtiger Spieler.

Stuttgart - Die Branche boomt, Fahrradfahren ist beliebt. Statistisch gesehen kommen hierzulande auf jeden Haushalt 2,4 Fahrräder. 82 Prozent der Deutschen geben an, die auch aktiv zu nutzen. Gleichzeitig satteln immer mehr Fahrradfahrer auf E-Bikes um. Allein in diesem Jahr geht der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) von rund 560 000 verkauften Pedelecs aus. Das entspricht einem Anstieg von fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit sind aktuell mehr als drei Millionen Pedelecs auf deutschen Straßen unterwegs. In Deutschland ist etwa jedes neunte verkaufte Fahrrad ein E-Bike.

Bosch profitiert davon. Der Technologiekonzern, weltweit Nummer eins bei den Autozulieferern, mischt als Hersteller elektrischer Antriebe auch kräftig im E-Bike-Markt mit. Im Vergleich zum Konzernumsatz von gut 70 Milliarden Euro ist die Sparte Bosch eBike Systems zwar ein Winzling, aber einer mit Gewicht. Der Produktbereich wächst seit der Gründung 2009 zweistellig und damit überproportional zum Markt. „Langfristig halten wir einen E-Bike-Anteil von 30 bis 40 Prozent am gesamten Fahrradmarkt für realistisch“, sagt Claus Fleischer, Leiter des Produktbereichs Bosch eBike Systems mit Sitz in Reutlingen. Der Bereich gehört zum Geschäftsbereich Automotive Electronics, der in Reutlingen rund 7600 Mitarbeiter beschäftigt

2015 wurden in Europa rund 1,7 Millionen E-Bikes verkauft, dieses Jahr geht die Branche von etwa zwei Millionen aus. „Auf lange Sicht wird jedes dritte neu verkaufte Fahrrad in Mitteleuropa ein E-Bike sein“, sagt Fleischer. In einigen Ländern wie etwa Belgien oder den Niederlanden habe man diesen Wert bereits erreicht oder stehe kurz davor. E-Bikes entwickelten sich zunehmend zu einem festen Bestandteil im Mobilitäts-Mix, sagt er.

Bosch ist 2009 mit einem konzerneigenen Start-up in den Markt eingestiegen – in einem schwierigen Umfeld während der Wirtschaftskrise und als Außenseiter in der Fahrradbranche. Das Know-how hatte Bosch sozusagen im Haus, schließlich stecken Lithium-Ionen-Akkus auch in Akkuschraubern oder Bosch-Rasenmähern – wenngleich in anderer Spezifikation. Das erste E-Bike-Antriebssystem präsentierte Bosch 2010 auf der Branchenmesse Eurobike in Friedrichshafen, 2011 startete dann die Serienproduktion. Die Entwicklung war rasant. Seit 2012 ist Bosch europäischer Marktführer, nach eigenen Angaben mittlerweile sogar Weltmarktführer im Premiumsegment.

Einstieg als Außenseiter in der Fahrradbranche

Seit 2014 ist Bosch eBike Systems auch im nordamerikanischen Markt und in Asien mit Niederlassungen vertreten. Bosch selbst nennt keine Zahlen oder Marktanteile, doch steckt in etwa jedem vierten E-Bike und Pedelec, das in Europa verkauft wird, ein elektrisches Antriebssystem von Bosch. Die Stuttgarter haben den Markt wesentlich mitentwickelt und geprägt. Geliefert werden Motor, Getriebe, Akku, Ladegerät, Bord- und Fahrradcomputer. Dass sich der Bosch-Bereich so erfolgreich entwickeln würde, „das konnte so niemand erwarten“, sagt Fleischer. Beliefert werden mittlerweile mehr als 60 Fahrradmarken – von A wie Apache bis W wie Winora.

„Für uns ist die Mobilität der Zukunft elektrifiziert, automatisiert, vernetzt“, sagt Fleischer. Das spiegele sich in den aktuellen und künftigen Produkten wider – etwa dem Bordcomputer Nyon, der E-Bike-Steuerung, Navigation und Fitnesstrainer in einem ist und sogar Smartphone-Funktionen übernimmt.

Wichtiger Faktor für die Mobilität von morgen

Ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht. Das E-Bike sei ein entscheidender Faktor für die Mobilität von morgen, sagt Fleischer. Städte des 21. Jahrhunderts stünden vor großen Herausforderungen: die Weltbevölkerung wachse, Ressourcen schwinden, das Klima wandele sich. Lösungen seien gefragt. Pedelecs könnten helfen, Ressourcen zu schonen und Emissionen zu mindern. Aktuelle Studien belegen, dass E-Bikes lediglich 1,25 Prozent der Schadstoffbelastung eines Pkw verursachen – ein positiver Effekt für Mensch und Umwelt. Es müssten aber auch bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Potenziale umfassend zu nutzen – fahrradfreundliche Infrastruktur, sichere Abstellmöglichkeiten, weitere Leihradsysteme in Städten, nennt Fleischer als Beispiele. Das seien Themen die Politik und Wirtschaft gemeinsam angehen müssten.

500 Euro Zuschuss für ein neues E-Bike

Aktionen wie etwa in Tübingen, wo jeder Bürger, der sein altes Mofa, Moped oder den in die Jahre gekommenen Roller verschrottet, bis zu 500 Euro Zuschuss auf ein neues E-Bike erhält, sind für Fleischer ein klares Zeichen. In München etwa existiert seinen Worten zufolge seit April 2016 ein Förderprogramm in Höhe von 22,2 Millionen Euro für gewerblich genutzte Elektrofahrzeuge, das auch E-Bikes und Ladeeinrichtungen einschließt. Für gewerblich genutzte E-Cargobikes gibt die Stadt einen Zuschuss von 25 Prozent des Kaufpreises bis maximal 1000 Euro. Erfreulich findet Fleischer auch, dass viele Firmen ihren Mitarbeitern statt eines Dienstwagens alternativ Diensträder beziehungsweise Dienst-Pedelecs zur Verfügung stellen.

Einer Umfrage des Online-Versenders Fahrrad.de zufolge ist das E-Bike für viele Menschen eine echte Alternative zu Pkw und öffentlichem Nahverkehr. Knapp ein Drittel der Befragten kann sich vorstellen, mit dem E-Bike zur Arbeit zu fahren statt mit dem Auto. Das Mobilitätsverhalten der Deutschen ändert sich, gleichzeitig wird das Fahrrad immer mehr zum Lifestyle-Produkt und dafür investieren die Käufer. „E-Bikes sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, heißt es beim ZIV.

Durschnittlicher Verkaufspreis bei 3287 Euro

Der durchschnittliche Verkaufspreis für ein E-Bike liegt einer Studie der Internetplattform E-Bike-Finder zufolge in diesem Jahr bei 3287 Euro. Das sind 250 Euro beziehungsweise acht Prozent mehr als im Vorjahr. Bei sogenannten City-Modellen liegen die Preise im Schnitt bei 3050 Euro, für E-Mountainbikes, die vor allem in Sport und Freizeit genutzt werden, geben Käufer durchschnittlich 3897 Euro aus. Vor allem sportive Anwendungen seien gefragt, sagt Bosch-Manager Fleischer. Auch die Nachfrage bei den Akkus bestätigt die Tendenz. Vor drei Jahren lieferte Bosch 60 Prozent Gepäckträgerakkus und 40 Prozent Rahmenakkus, mittlerweile hat sich das Verhältnis gedreht.

Das Angebot an E-Rädern ist vielfältig. Laut E-Bike-Finder sind bei den insgesamt rund 80 Herstellern 2556 E-Bike-Modelle zu haben. Mit 94 Prozent entfällt der Großteil auf die Kategorie Pedelec mit Motorunterstützung von bis zu 25 Kilometer pro Stunde. Noch dominieren die City-/Urban-Bikes (38 Prozent Marktanteil), gefolgt von Touren-/Trekkingrädern (36 Prozent). Allerdings haben in den letzten beiden Jahren die E-Mountainbikes aufgeholt (19 Prozent).