Dussmann zweifelt an Zielen der Politik und prescht mit Angebot für gestresste Eltern vor.

Berlin - Geöffnet an 365 Tagen im Jahr, rund um die Uhr: Wovon berufstätige Eltern nicht einmal zu träumen wagen, das verspricht das Berliner Dienstleistungsunternehmen Dussmann: eine Kita für Eltern mit ungewöhnlichen Arbeitszeiten.

Dussmann, der Berliner Dienstleister mit schwäbischen Wurzeln, steigt in das Kita-Geschäft ein: Im Mai eröffnet das Unternehmen, das weltweit Seniorenheime und Kantinen betreibt sowie Gebäudemanagement anbietet, in Berlin seinen ersten Kindergarten. Nicht nur die Öffnungszeiten sind speziell. Ein Großteil der Erzieher soll Englisch sprechen, damit die Kleinen schon früh zweisprachig werden. Kooperationen mit Musikschulen, Theatern und Museen sind geplant. Die neue Dussmann-Sparte heißt denn auch "Kulturkindergarten" und erinnert damit an das Kaufhaus für Bücher und Tonträger an der Berliner Friedrichstraße, das bei Berlinern und vor allem Berlin-Touristen populär ist.

Der Kulturkindergarten in Marzahn soll erst der Anfang sein

Der erste "Kulturkindergarten", für den gerade eine zweistöckige Villa auf dem Gelände des Unfallkrankenhauses Marzahn umgebaut wird, soll erst der Anfang sein: Dussmann will mit der neuen Geschäftsidee expandieren und bundesweit auftreten. Gerade wird intensiv sondiert, wo die nächste Dussmann-Kita öffnen soll. Die Gespräche laufen, heißt es in der Dussmann-Zentrale. Mehr wird nicht verraten. Fest steht aber jetzt schon: Mit dem Einstieg in das Geschäft mit der Kinderbetreuung mischt Dussmann einen Markt auf, den bislang städtische und gemeinnützige Träger dominieren. Derzeit werden schätzungsweise nur rund 10.000 Kinder unter drei Jahren in privaten Kitas betreut, das entspricht einem Anteil von knapp drei Prozent. Wenn Kitas von Privaten betrieben werden, sind dies in der Regel genervte Eltern, die sich zusammenschließen, weil sie für ihren Nachwuchs anderswo keinen Platz finden.

Dussmann will mit den Kindergärten aber Geld verdienen. Dussmann-Chef Thomas Greiner würde keine Kita-Kette aufbauen, hoffte er nicht auf gute Geschäfte. Sein Kalkül ist: Der Staat schafft es nicht, die selbst gesteckten Ziele bei der Kinderbetreuung zu erreichen. Bis 2013 soll es bundesweit für jedes dritte Kind unter drei Jahren einen Betreuungsplatz geben. Eltern und Kenner der Szene wissen, dass es vor allem im Westen der Republik sehr schwer werden dürfte, das Ziel zu erreichen. Schätzungsweise müssten dafür noch 400.000 Plätze entstehen.

Nachholbedarf gibt es vor allem in der alten Bundesrepublik. So waren in Baden-Württemberg Anfang März gerade einmal 18,4 Prozent der unter Dreijährigen in Kitas untergebracht. Es ist kaum vorstellbar, dass bis 2013 ein Angebot von 33 Prozent zu schaffen ist, zumal die Betreuungsquote im Südwesten binnen Jahresfrist nur um 2,5 Prozent zugelegt hat. Im Osten liegt der Anteil der Kinder, die betreut werden, schon jetzt durchweg über 42 Prozent.

Geschäftsidee: Die Kulturkindergärten als Betriebskindergärten

Dussmann steigt ins Kita-Geschäft jeweils mit einem Kooperationspartner ein. Die "Kulturkindergärten" sind Betriebskindergärten, die allerdings auch für betriebsfremde Kinder offen sind. Die Geschäftsidee ist durchaus pfiffig: Angesichts eines wachsenden Fachkräftemangels dürften die Personalabteilungen in den Unternehmen künftig auch mit guten Betreuungsmöglichkeiten für den Nachwuchs der Belegschaft um die besten Köpfe buhlen wollen. Die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden Betriebe spätestens dann sehr ernst nehmen, wenn das Personal knapp wird.

Und was kostet der Spaß die Eltern? Zumindest in Berlin nicht mehr als in jeder anderen Kita auch. Die Gebühren sind wie überall sonst in der Stadt gestaffelt nach dem Einkommen der Eltern sowie der Kinderzahl in der Familie. Anderswo könnte es komplizierter werden. Nach dem Kinderförderungsgesetz ist es den Ländern selbst überlassen, ob sie privaten Trägern die gleichen Zuschüsse gewähren wie städtischen Kitas oder Einrichtungen von gemeinnützigen Trägern.